Peter Hoeres
Peter Hoeres (* 13. November 1971 in Frankfurt am Main) ist ein deutscher Historiker. Er ist Professor für Neueste Geschichte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Leben und wissenschaftlicher Werdegang
Peter Hoeres ist ein Sohn des Philosophen Walter Hoeres.[1] Er studierte von 1992 bis 1997 Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Nach dem Magister Artium 1998 war er wissenschaftliche Hilfskraft und Dozent für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen am Standort Essen.
Im Anschluss war Hoeres Promotionsstipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Computergestützte Hochschullehre im Fach Geschichte“ an der Universität Münster. 2002 wurde er bei Hans-Ulrich Thamer in Geschichte mit der Dissertation Krieg der Philosophen. Die deutsche und die britische Philosophie im Ersten Weltkrieg zum Dr. phil. promoviert, wofür er ein Jahr später mit dem Dissertationspreis der Universität Münster ausgezeichnet wurde. Von 2004 bis 2007 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Hans-Ulrich Thamer am Historischen Seminar in Münster und von 2007 bis 2011 bei Frank Bösch am Historischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen, wo er auch assoziiertes Mitglied des International Graduate Centre for the Study of Culture wurde.
2010 erhielt Hoeres das Postdoctoral Fellowship des Deutschen Historischen Instituts Washington und 2011 ein Forschungsstipendium der Gerda Henkel Stiftung. 2011 habilitierte er sich mit der von Frank Bösch betreuten Arbeit Außenpolitik und Öffentlichkeit. Massenmedien, Meinungsforschung und Arkanpolitik in den deutsch-amerikanischen Beziehungen von Erhard bis Brandt. Danach vertrat er die Professuren für Fachjournalistik Geschichte an der Universität Gießen und für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
2013 wurde Hoeres Professor für Neueste Geschichte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören internationale Geschichte, Kulturgeschichte, Mediengeschichte sowie Wissenschafts- und Ideengeschichte. Er gehörte von 2012 bis 2016 dem Ausschuss des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands an.
Er hat zwei DFG-Projekte zur Geschichte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) geleitet. Dabei veröffentlichte er im September 2019 eine Geschichte dieser Zeitung.[2] Derzeit leitet er ein BMZ-Projekt zur globalen Aufarbeitung von Diktaturvergangenheiten, in dessen Rahmen die Website after-dictatorship.org herausgegeben wird und ein BMBF-Projekt zur Aufarbeitung der Franco- und Salazar-Diktaturen in Spanien und Portugal.[3] Darüber hinaus ist Hoeres als Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Leiter der NDB-online.[4] Hoeres erstellte im 2020 erteilten Auftrag von Heidi Goëss-Horten das Gutachten über den Vermögens- und Geschäftsaufbau von Helmut Horten im Kontext der „Arisierung“ in der Zeit des „Dritten Reiches“.[5][6][7]
Hoeres beschäftigte sich wiederholt kritisch mit der deutschsprachigen Ausgabe der Internet-Enzyklopädie Wikipedia. 2014 verfasste er einen Vortrag in der Sektion Wikipedia und die Geschichtswissenschaft des Deutschen Historikertages.[8] Ein wesentlich erweiterter Aufsatz aus dem Jahr 2020 trägt den Titel Geschichtsvermittlung und Geschichtspolitik in der Wikipedia.[9] Im Herbst 2020 gehörte er zu den Erstunterzeichnern des Appells für freie Debattenräume.
Hoeres ist Mitglied der Görres-Gesellschaft und seit 2015 zusammen mit Thomas Brechenmacher Leiter von deren Sektion für Geschichte. Seit 2017 ist Hoeres Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundeszentrale für politische Bildung.[10][11] Er ist Mitglied des 2021 ins Leben gerufenen Netzwerks Wissenschaftsfreiheit.[12]
Wissenschaftspolitische und gesellschaftliche Positionen
Immer wieder publiziert Hoeres Beiträge in der Tagespresse, insbesondere in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, aber auch in der Main-Post, der Tagespost und der Neuen Zürcher Zeitung. So schaltete er sich in die Diskussion um die auf dem 52. Deutschen Historikertag in Münster 2018 verabschiedete Resolution „Gegen den politischen Missbrauch von Geschichte“ ein. Damit wollte der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) vor Angriffen auf die demokratischen Institutionen warnen, welche die Grundlagen der politischen Ordnung gefährdeten.[13] Gemeinsam mit Dominik Geppert argumentierte Hoeres in der F.A.Z, Verfahren und Inhalt der Abstimmung seien wissenschaftlich fragwürdig und ein politischer Irrweg. Es würden genau jene Tendenzen befördert, welche die Resolution zu bekämpfen vorgebe. „Pegida und AfD leben davon, dass in Deutschland das Juste milieu die Diskursgrenzen immer enger ziehen und vieles, was gesellschaftlich umstritten ist, aus dem Kreis des legitimerweise Diskutierbaren ausgeschlossen sehen möchte.“[14] Geppert und Hoeres sprachen von „Gruppendruck“ und einem „Zwang zum öffentlichen Bekenntnis“. Statt „strittige Fragen sachlich und kontrovers zu diskutieren,“ sei es vielmehr darum gegangen „das moralisch vermeintlich Richtige per Akklamation zur Geltung zu bringen“.[15]
Krijn Thjs konnte die Kritik am Stimmverfahren nicht überzeugen, weil weder an der Entstehung der Resolution noch am Stimmverfahren viel auszusetzen gewesen sei.[16] Frank Bösch und Johannes Paulmann sahen in der Kritik eine „auf politische Lagerbildung angelegte Charakterisierung des VHD und seiner Mitglieder“, die weder der Vielfalt im Verband noch den Zielen des Vorstands entspreche. Die Verspottung der Mitglieder-Resolution als „staatstragend“ (Geppert/Hoeres) belege die „Verschiebung der politischen Mitte – in der Sprache, den Zuordnungen und im Ton. Von der Geschichtswissenschaft wird ‚politische Neutralität‘ eingefordert, aber mit politischen Argumenten, die von Lagerdenken geprägt sind.“ Fraglich sei, ob der Aufschrei, der die Resolution als „linksliberale Komfortzone“ (Geppert/Hoeres) denunziere, nicht mehr zum Aufstieg von Rechtspopulisten beitrage, als es angeblich die Erklärung des VHD tue.[17] Petra Terhoeven, Mit-Initiatorin der Resolution, hielt den Widerspruch für symptomatisch: „Wenn dieser Text als linksliberales, sogar parteipolitisches Papier gilt, zeigt das, wie weit sich der Diskurs nach rechts verschoben hat.“[16]
Einem Bericht der NZZ aus dem Februar 2021 zufolge sieht er als solches den Beutelsbacher Konsens in Gefahr und weist immer wieder auf „Einseitigkeiten und Schieflagen“ hin. „Konservative oder liberal-konservative Geister“ treffe man unter den Beschäftigten der Bundeszentrale kaum an.[18]
Hoeres bewegt sich im Umfeld der Neuen Rechten,[19] hielt mehrfach Vorträge in der Berliner Bibliothek des Konservatismus, die zum Netzwerk der Neuen Rechten gehört und hat als Autor beim zwischen Wirtschaftsliberalismus und Rechtspopulismus angesiedelten Magazin Tichys Einblick geschrieben.[20] Der Historiker Niklas Weber schrieb in der Süddeutschen Zeitung, Hoeres habe in einer Rede von 2019 die Alternative für Deutschland als „einzige Partei“ bezeichnet, „die sich offensiv zum Konservatismus“ bekenne.[19]
Schriften (Auswahl)
Monographien
- Der Krieg der Philosophen. Die deutsche und die britische Philosophie im Ersten Weltkrieg. Schöningh, Paderborn 2004, ISBN 3-506-71731-6 (Rezension, Rezension).
- Die Kultur von Weimar. Durchbruch der Moderne (= Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert. Band 5). be.bra Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-89809-405-4 (Rezension, Rezension).
- Außenpolitik und Öffentlichkeit. Massenmedien, Meinungsforschung und Arkanpolitik in den deutsch-amerikanischen Beziehungen von Erhard bis Brandt (= Studien zur internationalen Geschichte. Band 32). Oldenbourg, München 2013, ISBN 978-3-486-72358-8 (Rezension).
- Gärtner der Rhizome. Geschichte digital erzählen auf Wikipedia (= EPUB-E-Book). Ripperger & Kremers, Berlin 2013, ISBN 978-3-943999-36-5.
- Zeitung für Deutschland. Die Geschichte der FAZ. Benevento, München und Salzburg 2019, ISBN 978-3-7109-0080-8 (Mit Anmerkungen, Literaturverzeichnis und Personenregister) (Rezension).
Herausgeberschaften
- mit Armin Owzar, Christina Schröer: Herrschaftsverlust und Machtverfall. Oldenbourg, München 2013, ISBN 978-3-486-71668-9 (Rezension).
- mit Frank Bösch: Außenpolitik im Medienzeitalter. Vom späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart (= Geschichte der Gegenwart. Band 8). Wallstein, Göttingen 2013, ISBN 978-3-8353-1352-1, (Rezension).
- mit Anuschka Tischer: Medien der Außenbeziehungen von der Antike bis zur Gegenwart. Böhlau, Wien, Köln, Weimar 2017.
- NDB-online, historisch-biographisches Nachschlagewerk (2020 ff.)
Weblinks
Einzelnachweise
- Anna Hofmeister: Die Zeichen der Moderne. Peter Hoeres betrachtet die Weimarer Republik (Rezension zu: Die Kultur von Weimar, 2008). In: Deutsche Tagespost, Nr. 157/158 vom 30. Dezember 2008, S. 12.
- Benevento. Abgerufen am 22. April 2020.
Frankfurter Presseclub: (25.11.2019) Rückblick 70 Jahre FAZ. Abgerufen am 22. April 2020. - BMBF-Projekt, auf geschichte.uni-wuerzburg.de
- Ressorts in der Redaktion der NDB, auf ndb.badw-muenchen.de, abgerufen am 7. März 2021
- Cathrin Kahlweit: Ein Leben für die Kunst, Süddeutsche Zeitung, 13. Juni 2022, S. 10
- Sabine B. Vogel: Kurz vor ihrem Tod vollendete sie ihr Lebenswerk Welt 13. Juni 2022
- Olga Kronsteiner: Der Fall Helmut Horten: Erbe mit Schattenseiten, Der Standard, 22. Januar 2022
- Peter Hoeres: Hierarchien in der Schwarmintelligenz. Geschichtsvermittlung auf Wikipedia. In: Thomas Wozniak, Jürgen Nemitz, Uwe Rohwedder (Hrsg.): Wikipedia und Geschichtswissenschaft. De Gruyter/Oldenbourg, Berlin 2015, ISBN 978-3-11-037634-0, S. 15–32. Im Open access: doi:10.1515/9783110376357-004.
- Geschichtsvermittlung und Geschichtspolitik in der Wikipedia. In: Claudia Fröhlich, Harald Schmid (Hrsg.): Virtuelle Erinnerungskulturen (= Jahrbuch für Politik und Geschichte, Band 7), Franz Steiner, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-515-12507-9, S. 81–102.
- Hoeres - Institut für Geschichte. Abgerufen am 2. April 2024.
- Bundeszentrale für politische Bildung: Der Wissenschaftliche Beirat der bpb. 23. Juni 2023, abgerufen am 2. April 2024.
- Mitglieder. Abgerufen am 22. November 2023.
- Resolution des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands zu gegenwärtigen Gefährdungen der Demokratie. 27. September 2018, abgerufen am 8. April 2024.
- Dominik Geppert u. Peter Hoeres: Gegen Gruppendruck und Bekenntniszwang. In: FAZ, 12. Oktober 2018. Vgl. Gerrit Dworok: Rückkehr zur Streitgeschichte? Anmerkungen zur „Resolution des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands zu gegenwärtigen Gefährdungen der Demokratie“. In: Gerrit Dworok u. Thomas Exner (Hrsg.): Komplexität und Wahrheit. Wissenschaft im Spannungsfeld von Beschreibung, Deutung und Verzerrung. Nomos, Baden-Baden 2019, S. 224 f.
- Dominik Geppert u. Peter Hoeres: Gegen Gruppendruck und Bekenntniszwang. In: FAZ, 12. Oktober 2018. Vgl. Krijn Thijs: Demokratie als Funktionsbedingung. (Zwischen-)Bilanz der Kontroverse um die „politische“ Resolution des Historikerverbandes. In: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 16 (2019), H. 1. doi:10.14765/zzf.dok-1343, S. 154–163.
- Krijn Thijs: Demokratie als Funktionsbedingung. (Zwischen-)Bilanz der Kontroverse um die „politische“ Resolution des Historikerverbandes. In: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 16 (2019), H. 1. doi:10.14765/zzf.dok-1343, S. 154–163.
- Frank Bösch u. Johannes Paulmann: Es geht um unsere Sache. In: F.A.Z., 17. Oktober 2018.
- Anna Schneider: Bundeszentrale für politische Bildung in ideologischer Schieflage. In: Neue Zürcher Zeitung. 5. Februar 2021, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 2. April 2024]).
- Niklas Weber: Hohenzollern: Verschiebung wissenschaftlicher Diskurse. In: Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 10. Februar 2022.
- Gregor Dotzauer: Alter Wein in neuen Schläuchen. In: Der Tagesspiegel Online. 11. Januar 2021, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 10. Februar 2022]).