Pestepidemien in Norwegen
Die Pestepidemien in Norwegen haben die politische Landkarte Skandinaviens tiefgreifend beeinflusst. Ähnlich wie der Ausbruch der Pest in anderen Teilen Europas um die Mitte des 14. Jahrhunderts hatte diese Pandemie weitreichende Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft des Landes. Die erste Pestepidemie von 1348 wird in Norwegen svartedauden (Schwarzer Tod) genannt. Die Epidemien führten letztlich zum Verlust der Eigenstaatlichkeit Norwegens für lange Zeit und damit zum Verlust seiner Sprache Norrønt. Die Geschichte der Pest in Norwegen ist gut erforscht. Zusammen mit den neueren Forschungsergebnissen ergibt sich ein gutes Bild über die Bedingungen und die gesellschaftlichen Zusammenhänge der Ausbreitung der Pest in den verschiedenen Jahrhunderten des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit.
Die große Pest von 1348/1349
Wie die Pest nach Europa kam, ist im Artikel Schwarzer Tod beschrieben. Im Mai 1348 war sie auf dem Seeweg nach Weymouth an der englischen Kanalküste gelangt (Lit.: Higden). Dort breitete sich die Pest rasch über die Ostküste aus und war alsbald in London.
In der folgenden Darstellung wird im Wesentlichen das Buch „Svartedauen“ des Pestforschers Ole Jørgen Benedictow zu Grunde gelegt. Er hat anhand der Quellen eine Art Itinerarium der Pestausbreitung entwickelt. Gegen seine Ergebnisse wird allerdings eingewandt, dass sie auf Voraussetzungen beruhen, die nicht immer tragfähig seien. Es werde zum Beispiel vorausgesetzt, dass es sich um die gleiche Pest handele, die im 20. Jahrhundert erforscht wurde. Diese Hypothese werde dann durch Auswahl, Deutung und Zusammenstellung der Quellen, die die Richtigkeit der Hypothese bereits unterstellen, bewiesen.[1] Dass seine vorgefasste Meinung sogar Befunde negiere, ergebe sich auch aus seiner These, dass nur Ratten für die Übertragung in Frage kämen und, weil die Pest feststehe, es tatsächlich mehr Ratten in Norwegen gegeben haben müsse, als man bislang tatsächlich gefunden hat.[2] Gleichwohl wird ihm im Folgenden im Großen und Ganzen gefolgt, weil die von ihm geschilderten geschichtlichen Abläufe davon kaum betroffen sind, und Gegenpositionen werden von Fall zu Fall angeführt.
Nach Benedictow gelangte die Pest 1349 nach Hamar. Dies schließt er aus dem Tod des Bischofs Hallvard in Hamar 1349. Es ist aber weder gewiss, dass Hallvard wirklich 1349 starb, noch ist gewiss, dass er an einer Seuche starb. In der Bischofschronik von Hamar wird das Jahr 1350 genannt, wurde aber von den Herausgebern in 1349 „berichtigt“. Durch Rückrechnung anhand der bekannten Ausbreitungsgeschwindigkeit der Pest kommt Benedictow zum Schluss, dass die Pest bereits im Herbst 1348 nach Oslo kam. Denn, was noch nie vorher geschehen war und auch später nicht geschah: Der Rat der Stadt stiftete im Februar 1349 dem Pestheiligen Sebastian einen Altar durch Zahlung einer beachtlichen Summe an die Chorherren der Osloer Bischofskirche.[3] Allerdings wird diese Herleitung als auf zu dünner Basis vorgenommen angesehen[1] und der Ausbruch der Pest in Oslo früher als in Bergen bestritten.[4] Alle Annalen behaupten übereinstimmend, dass die Pest 1349 von England nach Bergen kam.
Nach Benedictow breitete sich die Pest noch im Herbst 1348 von Oslo nach Kongehelle (in der Nähe von Göteborg) und im Mai 1349 im übrigen Südosten aus, wie ein Edikt von König Magnus II. Anfang September 1349 belege,[5] in welchem die Ausbreitung der Seuche in „ganz Norwegen“ als Begründung dafür genommen wird, die Bevölkerung zur Vorbeugung zu Fasten und Gebet aufzufordern. Da Magnus II. auch König von Norwegen war und seine norwegische Administration in Oslo saß, wird es andererseits für unwahrscheinlich gehalten, dass er sich zu diesem Schritt erst im Herbst 1349 veranlasst sah, wenn die Pest bereits 1348 in Oslo angekommen war.[6] Für das schwedische Hinterland weiter im Osten ist die Pest erst 1350 urkundlich fassbar. Dies kann auf einen geringeren Warenaustausch, insbesondere geringen Transport von Korn von Norwegen aus zurückgeführt werden. Die Pest zog von Hamar durch Gudbrandsdalen nach Nidaros und brach dort im Herbst 1349 aus. Im isländischen Lögmanns-annáll wird für 1349 berichtet, dass eine Kogge von England nach Bergen gesegelt sei und die Pest dort eingeschleppt habe.[7] Die Beschreibung der Krankheit lässt auch keinen Zweifel daran, dass es sich um Beulen- und Lungenpest handelte. Aller Wahrscheinlichkeit nach war eine Ladung Korn aus Lynn das Transportmittel. Am 8. Mai 1349 hatte Eduard III. ein Privileg für zwei Kaufleute in Lynn ausgestellt, 1.000 Quarter (12.700 kg) Korn nach Norwegen zu verschiffen.[8] Die Folge der Pest in Bergen war, dass die Geistlichkeit dahingerafft wurde, sodass eine Seelsorge an den Sterbenden nicht mehr gewährleistet war. Die Geistlichkeit war besonders betroffen, da sie mit den Kranken durch die Spendung der Sterbesakramente in unmittelbare Berührung kam. Auf ein Gesuch des Erzbischofs gab Papst Clemens VI. die Erlaubnis, abweichend vom kanonischen Recht auch zehn unehelich geborene Männer und zehn Männer im Alter von 20 bis 25 Jahren (also jünger als sonst erlaubt) zu weihen.[9] Nach der isländischen Lögmanns-annál[10] starb 1349 Bischof Hallvard von Hamar an der Pest, und unmittelbar nachdem sein Nachfolger in Nidaros geweiht war, starb im selben Jahr auch der dortige Erzbischof Arne Vade Einarsson († 17. Oktober 1349) an der Pest.
Die Todesdaten der Bischöfe sind aber nicht sicher aus den Quellen zu ermitteln, da die Zeitangaben nicht immer zuverlässig sind. Das Gleiche gilt für die Bischofschronik von Hamar.
Die Chronik wurde zwischen 1542 und 1553 verfasst und liegt in einer Abschrift aus dem 17. Jahrhundert vor. Nach der Lögmanns-annál blieb in Nidaros ein Chorherr namens Lodin übrig. Er wählte (wahrscheinlich mit einigen neuen Chorherren) den neuen Erzbischof Olav (1350–1370). Wie weit sich die Pest nach Norden ausbreitete, ist nicht zu ermitteln. Die Quellen schweigen. Bekannt ist nur, dass kurze Zeit später über eine sehr geschrumpfte Bevölkerungszahl berichtet wird. Dies kann aber auch daran liegen, dass weiter im Süden viele Höfe herrenlos geworden waren und viele Menschen aus dem Norden nach Süden zogen. Der letzte, von dem bekannt ist, dass er in der ersten Pestwelle starb, war der Bischof von Stavanger, Guttorm Pålsson, am 7. Januar 1350.
Für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts wird geschätzt, dass sich im Gebiet des heutigen Norwegens ungefähr 64.000 Höfe befanden, zusammen mit den an Schweden verlorenen Gebieten Bohuslän und Südwestschweden dürften es etwa 73.000 Höfe gewesen sein. Seriöse Schätzungen gehen von einem Durchschnitt von 4,5 Personen pro Hof aus. Das bedeutete eine ungefähre Bevölkerungszahl von 330.000 Menschen vor der Pest. Davon lebten ungefähr 70 % in Südostnorwegen nördlich von Bohuslän. Vergleichende Studien über die Opferzahl im übrigen Europa erweisen eine Todesrate von 60 %. Sie starben nicht alle an der Pest, sondern verhungerten auch aufgrund des Zusammenbruchs jeglicher Versorgung. Das ergibt ungefähr 210.000 Tote. Nimmt man die für England erhobene Zahl von 62,5 %, so kommt man auf 220.000 Tote.[11] Von den Erkrankten überlebten die Pest nur 20 %.
Soziale Folgen
Die weitgehende Entvölkerung wirft zunächst die Frage auf, wieso sich die Pest in Norwegen mit seiner ländlichen Besiedlung so rasch ausbreiten konnte. Dies hängt mit den engen Beziehungen der Höfe untereinander zusammen. Die gesamte bäuerliche Gesellschaft war von einem Netz von Besuchen und Gegenbesuchen und allerlei Zusammenkünften durchzogen und wurde dadurch zusammengehalten. Dadurch, dass die Seuche nicht von Mensch zu Mensch, sondern durch Flöhe übertragen wird, waren auch die Toten noch Ansteckungsquellen. Und die christliche Pflicht des Totenbegräbnisses mit seinen Ritualen führte zu einer Zusammenkunft vieler Menschen im Hause der Verstorbenen, wo jeder dann die infizierten Flöhe auf seinen Hof mitnahm. So bezeugte der Pfarrer von Rollag, dass er dabei war, als Ànund Helgeson am achten Weihnachtstag starb. Bei dessen Tod waren anwesend Ragnhild Simonsdotter, Alvild Sveinskessson und viele andere gute Menschen.[12] Das Gleiche geschah bei der Verteilung des Erbes unter die Erben, insbesondere des Hausrats, der Bettwäsche und der noch brauchbaren Kleidung. Hinzu kam der intensive landesweite Handel mit Korn und Mehl, ein ideales Transportmittel für die Flöhe. Der Handel war deshalb so intensiv, da nur so Salz zur Konservierung und Eisengerät an die Bauernhöfe gelangen konnte. Hinzu kommt noch die religiöse Interpretation der Pest als Strafe Gottes. Sie führte zu Pilgerfahrten und großem Menschenandrang vor den Altären der Pestheiligen, eine vorzügliche Basis für eine rasche Ausbreitung.
Der Einbruch der Bevölkerungszahl führte zunächst dazu, dass viele Landarbeiter sich auf öd gewordenen Höfen selbständig machten, so dass auf den größeren Höfen akuter Arbeitskräftemangel eintrat. Die arbeitsintensive Kornproduktion konnte nicht mehr in großem Stile fortgesetzt werden. Es standen nur noch 20–25 % der Arbeitskräfte im Vergleich zur Zeit vor der Pest zur Verfügung. Dadurch stiegen die Löhne der Arbeiter sprunghaft an. Das führte dazu, dass man auf die weniger arbeitsintensive Viehhaltung übergehen musste. Eine noch tiefgreifendere Folge war, dass auch die Großbauern nur noch so viel Land bestellen konnten, wie die eigene Familie bewirtschaften konnte. Das war genauso viel, wie der Kleinbauer in der Nachbarschaft bewirtschaftete. Der Zehnt und sonstige Abgaben gingen auf 20–25 % zurück. Das führte zu einer weitgehenden gesellschaftlichen Egalisierung. Niemals vorher und auch später nicht gab es eine größere Gleichheit in der norwegischen Bevölkerung als nach der ersten Pestwelle. Die Kleinbauern produzierten genauso viel wie die bisherigen Großbauern.[13]
Weitere Epidemien
Quellenlage
Obgleich den Überlebenden nun plötzlich bessere Wirtschaftsmöglichkeiten geboten wurden und die Heiraten daher stark zunahmen, stieg die Bevölkerungszahl in der Folgezeit nicht, sondern sank eher leicht bis ins 15. Jahrhundert hinein.[14] Die wichtigste Erklärung dafür sind weitere Pestwellen. Die Quellen sind allerdings mager und bieten viele quellenkritische Probleme. Das größte davon ist, dass die Quellen nunmehr keine spezifischen Auskünfte über die Art der Krankheiten geben. Der häufigste Ausdruck in den isländischen Annalen dafür ist „großes Massensterben in Norwegen“ (bolnasott mikill j Noregi).[15] Dass die Annalen bolnasott, also „Beulenseuche“ benutzen, bedeutet nicht unbedingt, dass es sich um die Beulenpest handelt. Dieser spezifische Ausdruck trifft nur auf die Epidemie 1379 zu. 1348 wurde für die Pest das Wort Drepsótt (Todesseuche) verwendet.[16] Der Wortgebrauch ist also nicht zuverlässig. Die Worte wurden für alle epidemischen Krankheiten verwendet, insbesondere solche, die Blasen auf der Haut hervorrufen. Dafür sprechen Nachrichten über eine Pest in einer Stadt, zum Beispiel Bergen: Wenn keine deutliche Korrelation zu Pestepidemien bei den Handelspartnern festgestellt werden kann, dann handelt es sich wahrscheinlich um andere Epidemien, zum Beispiel Typhus oder Cholera. Denn die hygienischen Verhältnisse waren katastrophal. Latrinen und Brunnen waren dicht beieinander. Eine Möglichkeit, die Pest von anderen Epidemien zu trennen, ist die Korrelation mit den Pestwellen im übrigen Europa. Allerdings zeigt sich, dass es in Kontinentaleuropa Pestepidemien gab, deren Auftreten in Norwegen nicht erwähnt wird. Das kann auf die schlechte Überlieferungslage zurückzuführen sein, die ihre Ursache im Wegsterben der für die Annalen und deren Archivierung verantwortlichen Personen hatte. Das kann auch daran liegen, dass die Nachrichten von einer Epidemie von Isländern aus Bergen oder Nidaros nach Island kamen. Diese wussten in der Regel nichts von den Seuchen im Ostland. Viele Pestseuchen blieben offenbar auch lokal begrenzt. Jedenfalls gibt es oft keine Informationen über eine landesweite Ausbreitung. Die isländischen Annalen hörten ab ungefähr 1400 auf, Epidemien in Norwegen zu verzeichnen, am längsten berichten noch die Annalen der Insel Flatey in Breiðafjörður[17] und führen 1392 die letzte Pest auf. Aber die vermehrte Errichtung von Altären für die Pestheiligen in diesen Jahren ist ein Indiz dafür, dass auch in diesen Jahren in Norwegen die Pest aufgetreten ist.
Auf diese Weise kann eine Liste erstellt werden, in welchen Jahren zwischen 1348 und 1500 Norwegen von der Pest betroffen war. Ein? hinter der Zahl bedeutet „nicht belegt, nur erschlossen“, ein Land dahinter in Klammern mit Jahreszahl bedeutet, dass die Pest von dort kam und wann sie dort gewütet hat.
In folgenden Jahren des 15. bis 17. Jahrhunderts war Norwegen von der Pest betroffen: 1348/1349 (England 1348/1349); 1360; 1370/1371; 1379 (England 1379–1383); 1391–1392 (England 1389–1393); 1400?; 1405?; 1420?; 1435?; 1438–1439? 1452 (Niederlande 1450–1454); 1459, 1463?; 1465–1472?; 1485?; 1500 (England 1499–1501). In der Folgezeit bis 1654 waren noch 14–15 Pestepidemien zu verzeichnen, so dass zwischen 26 und 31 Pestepidemien in Norwegen in der Zeit zwischen 1348 und 1654 gewütet haben. 1485 grassierte in England die als Englischer Schweiß bezeichnete Krankheit. Sie dürfte aber kaum nach Norwegen gedrungen sein, da die Besatzung eines Schiffes bei einem tödlichen Krankheitsverlauf binnen weniger Stunden die Überfahrt nicht überlebt hätte.
Dies macht erklärlich, dass die Bevölkerungszahl nicht steigen konnte. Weiterhin zeigt dies, dass die Pest im 15. Jahrhundert nicht von den Hansestädten, sondern von England und in einem Fall von den Niederlanden eingeschleppt wurde. Dies änderte sich später. Das zeigt auch, dass die Handelsbeziehungen zu England intensiver waren als zu den Hansestädten.
Die weiteren Pestwellen
Das bedeutendste Einfallstor der Pest in Norwegen war Oslo. Gleichwohl scheinen die Ostseehansestädte nicht die Hauptquelle gewesen zu sein. Das kann damit zusammenhängen, dass zum einen die Schiffe nach Oslo im Frühjahr bereits ausgelaufen waren, als die Pest die Ostseeküsten erreichte, zum anderen die Schiffe im Gegensatz zu den englischen Schiffen kein Korn mit sich führten – das ideale Transportmittel für den Pestfloh über weite Strecken. Daher sind die Kornlieferungen aus England als oberste Quelle für die Pestepidemien in Oslo und im geringeren Grad auch in Bergen anzusehen. Erst weit dahinter rangieren die Niederlande.
1358 trat in Norddeutschland eine Pestepidemie auf, die 1359 die Niederlande und 1360 England erreichte. Die in Norwegen für 1360 bekannte epidemische Seuche dürfte daher auch eine Pest gewesen sein. Diese Epidemie wurde offenbar von einer weiteren Epidemie überlagert, die die Bezeichnung „barnadauði“ (= Kindersterben) erhielt. Tödliche Seuchen, die speziell Kinder befielen, werden öfter in norwegischen Quellen genannt. Die Bezeichnung „Kindersterben“ legt nahe, dass es sich dabei um Pocken gehandelt hat. Eine andere plausible Erklärung ist, dass durch die vorangegangene Dezimierung der Bevölkerung die Zahl der Kinder überwog, denn diese wurden weiterhin geboren, nahmen daher im Verhältnis zu den Erwachsenen, die durch natürlichen Tod weiter abnahmen, zu und waren daher zahlenmäßig häufiger Opfer der Pest. Hinzu kommen noch die sekundären Folgen, indem erkrankte Erwachsene nicht mehr zur Versorgung der Kinder in der Lage waren, so dass diese auch ohne Ansteckung starben. Die Gesamtsterblichkeit war aber nicht mehr so hoch, weil zum einen die Bevölkerungszahl sich noch nicht von der vorigen Epidemie erholt hatte, zum anderen die Überlebenden der vorigen Pest, soweit sie erkrankt waren, noch eine gewisse Immunität besaßen. Man schätzt, dass der Seuche ungefähr 26.000 Personen zum Opfer fielen.
Die nächsten Seuchenwellen kamen in kürzeren Abständen und wurden von der Epidemie in Oslo 1370/1371 eingeleitet. Ein Bericht vom 15. August 1370 an Håkon VI. schildert die Pest in Oslo. Ihr war der Erzbischof Olav, der sich gerade dort aufhielt, zum Opfer gefallen. Diese Pest kam offenbar aus den Niederlanden, wo sie wütete, während sie in Norddeutschland und England 1369 bereits beendet war. Die Quellen berichten auch von einem Schiff aus Flandern, das um diese Zeit Oslo mit flämischen Stoffen angelaufen hatte.[18] Für 1371 wird dann für Westnorwegen in den isländischen Annalen ein Massensterben verzeichnet.
Nach den isländischen Annalen kam die nächste Epidemie 1391 bis 1392. Sie habe in Nord-Norwegen gewütet. Das spricht für einen Ausgangspunkt in Bergen. Die Flateyarannalen erwähnen ein Massensterben im Oslofjord (Viken) für das Jahr 1392, die ebenfalls von England eingeschleppt sein muss.
Weitere Folgen
Zwischen dem Landregister des Erzbischofs Aslak Bolt von 1433 und dem des Erzbischofs Olav Engelbrektsson von 1530 ist ein Pachtrückgang für die 90 Höfe, für die Daten für beide Jahre vorliegen, auf 11 % festzustellen. Das kann man auf die gesamte Gegend von Trøndelag übertragen.[19] Weiter im Landesinneren fiel der Pachtzins wesentlich weniger. Das bedeutet aber auch dort, dass der Bevölkerungszuwachs zwischen den Pestzeiten von der jeweilig nächsten Pestwelle mehr als aufgezehrt wurde. Ein fortgesetzter schwacher Bevölkerungsrückgang ist nicht zu übersehen. Mit der Umstellung von Getreideanbau auf Viehhaltung ging der Handel mit den Küstengebieten „Korn gegen Trockenfisch“ so weit zurück, dass der Küstenbevölkerung die Lebensgrundlage entzogen wurde. Das führte zu einer Wanderbewegung der Küstenbewohner in die guten aber verödeten Höfe nahe bei den zentralen Städten, was zur Verödung vieler Küstenorte führte. Vielerorts blieben nur Geisterorte zurück. In den großen regionalen Zentren herrschte allmählich eine große soziale Gleichheit, weil es kaum abhängige Arbeitskräfte gab. Wegen der starken Konkurrenz zwischen den Großgrundbesitzern um die wenigen Arbeitskräfte sank der Pachtzins dramatisch bis ungefähr auf 20–25 %. Damit konnten die Bauern von ihrer Ernte mehr behalten als vorher und besser leben. Der Lebensstandard der Bauern hob sich kräftig. Aber es gab auch weitere Folgen: Die starke Bevölkerungskonzentration nahe bei den Städten führte zu einem geringeren Warentransport durch das Land mit Salz und Eisen und umgekehrt mit Flöhen durchseuchtem Korn und Mehl. Da die nichtbäuerliche Produktion und Lohnarbeit zum Beispiel in der Pelzverarbeitung oder im Bauhandwerk zurückging, musste möglichst viel selbst hergestellt werden. Die Höfe strebten daher nach weitgehender Autarkie. Das schwächte die Ausbreitungsenergie der Pest.
Während man für die Zeit vor Svarte dauen von einer Anzahl der Höfe von 64.000 im Gebiet des heutigen Norwegens (73.000 mit den im heutigen Schweden liegenden Gebieten) ausgeht, waren es um 1530 um die 24.000 beziehungsweise um die 27.000 Höfe. Da 90 % der Bevölkerung auf den Höfen lebte, lässt dieser Rückgang um ungefähr 63 % einen Schluss auf den Bevölkerungsrückgang im Gesamtzeitraum von 1348 bis 1530 zu, wobei der absolute Tiefpunkt um 1470 zu vermuten ist, etwa 30 % von der Zahl vor Svarte dauen. Die Bevölkerung wird für 1470 auf 120.000 geschätzt.[20]
Die innenpolitische Katastrophe kommt in einem Schreiben der Königin Margarete vom 18. Oktober 1370 an ihren Mann König Håkon VI. von Norwegen zum Ausdruck. Dort bittet sie um Geld zur Beschaffung von Nahrungsmitteln, sonst müssten sie auf ihrem Schloss in Akershus verhungern.[21] Da wütete die Pest in Oslo und im Umkreis. Die Pest hatte ihren Höhepunkt gerade vor der Erntezeit. Sie bat darin um Geld, nicht um sich aus dem Umland zu versorgen, sondern um Lebensmittel aus dem Ausland zu beschaffen. Die Pest zerstörte die Einkommensgrundlagen der Staatsmacht, also des Königs, des Adels und der Kirche. Die Heeressteuer (Leidangs-Steuer) für die Ausrüstung der Truppen und vor allem der Schiffe war kraft Gesetzes an den Landpachtzins gekoppelt. Fiel dieser auf 20–25 %, fielen auch die Steuereinnahmen entsprechend, was unmittelbare Auswirkungen auf die Verteidigungsbereitschaft des Landes hatte.
Die direkte Thronfolge war durch den Tod der männlichen Nachfolger unmöglich, ausländische Adelsfamilien heirateten ein, und so wurde die Union mit dem Nachbarland zu einer politischen und ökonomischen Notwendigkeit. Ende des 14. Jahrhunderts wurden einige neue Steuern auferlegt, so dass sich die Staatseinnahmen „nur“ halbierten. Mit der Dezimierung des Adels kam der Niedergang der Administration. Als eigentlichen Urgrund des Niedergangs sieht man heute, dass die landwirtschaftlich nutzbare Fläche Norwegens im Unterschied zu Dänemark und Schweden so gering war, dass Norwegen nur in ungestörter Produktion in der Lage war, einen eigenen Staat mit eigener Regierung zu unterhalten. Die Pest entzog dem Staat seine Existenzgrundlage.
Die Epidemien im 16. und 17. Jahrhundert
Die folgenden Epidemien grassierten in den Jahren 1500, 1506, 1521, 1525, 1529, 1547, 1565–1567, 1582–1584, 1599–1604, 1619, 1625, 1629, 1636–1639 und 1654. Die Pestwellen liefen recht synchron zu den Pestwellen in England, Norddeutschland und den Niederlanden. Dabei fallen die drei Epidemien zwischen 1520 und 1530 auf, das einzige Jahrzehnt mit drei Pestwellen. Es ist auch das einzige Jahrzehnt, in dem auch in England drei Pestepidemien wüteten. Sie sind auf die wachsende wirtschaftliche Entwicklung auf dem Kontinent mit wachsendem Schiffsverkehr zurückzuführen. Dieser Gleichlauf gibt auch die Möglichkeit, die Pestepidemien von anderen Epidemien zu unterscheiden, wie Typhus, Pocken, Fleckfieber und ähnliche, die nicht von außen eingeschleppt wurden, sondern auf die hygienischen Verhältnisse in Norwegen zurückzuführen sind. Für Dänemark gibt es noch keine zuverlässige Erforschung der Pest für diesen Zeitraum. Während im 16. Jahrhundert die Pest hauptsächlich aus England eingeschleppt wurde, kam sie am Anfang des 17. Jahrhunderts gleichoft aus den Niederlanden, und später waren die Niederlande die Hauptquelle. Die Niederlande wurden zu dieser Zeit Haupthandelspartner Norwegens durch den Holzimport von dort. Nur die Pest von 1629 muss von einer norddeutschen Hansestadt eingeschleppt worden sein.
Solange Ausländern der Handel nördlich von Bergen verboten war, war Bergen der Hauptumschlagsplatz. Der Erzbischof in Nidaros schickte Trockenfisch nach Bergen, und auf der Rückfahrt nahmen die Schiffe allenfalls etwas Weizen und Roggen für den Haushalt des Erzbischofs mit, denn Trøndelag produzierte genügend Korn, ja sogar einen leichten Überschuss. Dieser wurde ins Hinterland verkauft und war praktisch pestfrei. Daher blieben die nördlichen innernorwegischen Gebiete von der Pest weitestgehend verschont. Die Pest kam also weniger durch den Handel als vielmehr durch die Pilger nach Nidaros.
Ab Mitte des 16. Jahrhunderts wurde das Handelsverbot mit Nordnorwegen durch königliche Privilegien langsam aufgeweicht, so dass europäische Schiffe bis nach Nidaros fuhren. Das führte 1590 bis 1609 auch zu Pestausbrüchen in Nordnorwegen. Mittelnorwegen blieb dagegen von der Pest weitestgehend verschont, da dort keine Handelsstädte lagen, die von englischen oder den niederländischen Schiffen angelaufen wurden.
Der durchschnittliche Abstand zwischen den Epidemien lag knapp unter 10 Jahren. Eine 1905 errichtete Pestforschungskommission für Indien hat gezeigt, dass nach einer Epidemie im Wesentlichen nur noch Ratten leben, die gegen die Pest immun geworden sind, weil sie die Pest überlebt haben, aber nach etwa 7–10 Jahren diese Abwehr schwindet.[22] Die Abstände konnten bei hoher Verkehrsintensität und regem Warenaustausch daher auch auf 7 Jahre sinken. Noch kürzere Abstände sind nur für England in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bekannt. Das gilt aber nur für große Epidemien. Lokale Ausbrüche können durchaus asynchron verlaufen. In Norwegen waren große Epidemien auf den Südosten beschränkt. Für die Epidemien in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind auch die großen Wanderbewegungen der Heere des Dreißigjährigen Krieges verantwortlich.
Man kann also zwei Tiefstände der Bevölkerungszahl feststellen: einen Tiefstand um 1450 kann man dem ausgehenden Mittelalter zurechnen, einen weiteren 1530 der frühen Neuzeit.
Die Pest von 1529 bis 1530
Bislang war die Pest eine Strafe Gottes für die Sünden gewesen, so dass es auch keinen Sinn hatte, vor ihr zu fliehen. Im 16. Jahrhundert setzte ein großer Umdenkungsprozess ein. Man suchte nach natürlichen Ursachen.
Der Bericht aus einer kleinen und lokalen Pestepidemie um 1525 wirft ein bezeichnendes Licht auf die Änderung. In einer Gemeinde gab es Streit zwischen Pfarrer und Gemeinde. Als er von einer Bistumsversammlung in Hamar heimkam, brach dort kurze Zeit später die Pest aus. Die Gemeinde behauptete, er habe seine mit Pest verseuchten Kleider auf die Straße geworfen, damit die Bevölkerung die Pest bekommen sollte, und niemand betrat mehr die Kirche, so dass er sich versetzen lassen musste. Hier wird erstmals der Gedanke fassbar, dass nicht Gott die Pest schickt, sondern diese zwischen und von Personen übertragen wird und zwar durch die Kleidung. Auch die Konsequenz, den Pfarrer und die Kirche zu meiden, war neu. Die klassische Vorstellung vom krankmachenden Miasma wurde nur dahingehend variiert, dass das Miasma an Gegenständen und Kleidern klebte und von dort ausgedünstet wurde. Die frühe Neuzeit brachte die eigene Beobachtung der Zusammenhänge auf. Der Adelige Eske Bille, dessen Briefarchiv erhalten ist, sandte dem Erzbischof Olav Engelbrektsson 1531 ein Fläschchen Kräuterbranntwein als Medizin.[23] Religiöse Gegenmaßnahmen werden nicht mehr erwähnt. Der dänische Humanist und Arzt Henrik Smidt schrieb 1535 En Bog om Pestilentzis Aarsage, foruaring og Legedom der emod (Ein Buch über die Ursache der Pest, den Schutz davor und ihre Heilung) (Lit.: Smidt). Er hatte in Rostock studiert (1514), wie auch Olav Engelbrektsson (1507). Die antike Medizin wurde wiederentdeckt, und religiöse Erklärungen und Maßnahmen gingen zurück. Aber es gibt auch noch Briefe, die eine rein religiöse Behandlung des Themas beinhalten. Alte und neue Sicht lebten noch nebeneinander.
Die schlimmste Welle war 1529. Sie erstreckte sich bis 1530. Sie wurde im dänischen Halland (auf schwedischer Seite an der Kattegatküste) vom Englischen Schweiß überlagert, dessen Krankheitsverlauf in wenigen Stunden zum Tode führt. In einem Brief vom 16. September 1529 wird besonders hervorgehoben, dass die Menschen sehr schnell starben, binnen eines halben Tages, höchstens eines Tages.[24] Die Pest hätte aber erst nach drei bis fünf Tagen zum Tode geführt. Doch diese Krankheit verschwand schnell, da durch den raschen Tod der Infizierten die Krankheitsverbreitung stark gebremst wird. Auch fielen dem Englischen Schweiß nicht so viele Personen zum Opfer, wie der Pest, die in Südnorwegen wütete.
Die Pest von 1547 bis 1548
Christian III. von Dänemark wollte sich 1547 nach norwegischem Brauch in Norwegen krönen lassen und befahl in einem Brief nach Akershus, dort die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, insbesondere die Lebensmittel für ihn und sein Gefolge zu beschaffen. Der Burghauptmann Peder Hansen schrieb am 23. Oktober nach Kopenhagen zurück, dass dies wegen der Pest unmöglich sei. Seine Metzger, seine Schreiber und seine Steuereintreiber seien alle der Pest zum Opfer gefallen.[25]
1549 gab es eine Seuche in Südwest-Telemark, die der dortige Burgvogt an den König berichtete: Die Eisenschmelze konnte nicht vonstattengehen, weil es wegen des Todes der Bauern nicht genug Holzkohle gab. Er klagte aber nicht über Arbeitermangel in der Erzgrube. Das spricht gegen eine Pest. Damals arbeiteten dort viele deutsche Bergarbeiter wie auch der Bergvogt selbst, Heinrich Pflug. Daher ist es wahrscheinlich, dass diese eine Krankheit eingeschleppt haben, gegen die sie selbst bereits immun waren. 1480 grassierte der Flecktyphus in Europa.[26] Daher spricht viel für Flecktyphus. Das wäre dann der erste Flecktyphusausbruch in Norwegen gewesen.
Die Seuchen von 1550 bis 1600
Die dänisch-norwegische Regierung tat in dieser Zeit wenig gegen die Ausbreitung von Epidemien in Norwegen. Die Flecktyphus-Epidemie könnte dann auch der Ausgangspunkt für eine weitere Epidemie in den Jahren 1550–1552 gewesen sein, die in Bergen und Vestlandet ausbrach. Beidesmal waren vorwiegend Erwachsene betroffen. Kinder überlebten. Der Humanist Absalon Pedersøn führte ab 1552 ein Tagebuch.[27] Dort unterschied er terminologisch klar diese Seuche von der Pest. Dort nannte er die Krankheit „Flekksott“. Als er später die Pest in Dänemark und Bergen erlebte, verwendete er konsequent den Ausdruck „Pestilens“ für die Krankheit.
Nach Absalon Pederssøn brach 1565 in Bergen eine Pest aus, die dadurch ausgelöst wurde, dass ein bremisches Schiff aus Danzig kommend mit der Pest an Bord Bergen anlief. Die Besatzung starb. Einer der Besatzungsmitglieder verkaufte aber noch vorher eine Hose an einen jungen Mann, worauf dieser und alle seine Hausmitbewohner befallen wurden und starben. „Zu diesem Hof kam ein Student mit Namen Ingelbrikt Pederssøn und wurde sofort angesteckt. Aber man hofft, dass er überlebt, weil die Beulen an seinen Achseln aufgesprungen sind und der Barbier ihn pflegt. Er erkrankte am 6. September.“ Er überlebte tatsächlich, denn er wurde ein Jahr später zum Kapellan ernannt. In Danzig wütete damals die Pest. Außerdem war Danzig ein wichtiger Exporthafen für Korn aus den norddeutschen Landen geworden. 1565 brach die Pest auch in Oslo aus, wahrscheinlich aus Kopenhagen eingeschleppt, wo die Pest bereits 1564 ausgebrochen war. 1566 kam die Pest von Bergen per Schiff nach Trondheim. Die dortige Bevölkerung zu dieser Zeit wird auf ungefähr 1.500 Personen geschätzt. Davon dürften 40 % gestorben sein. Absalon Pederssøn berichtet von 600 Toten. Aber es gibt Dokumente, die darauf schließen lassen, dass die Pest 1567 auch auf dem Lande wütete.[28]
Die nächste Pest brach 1583 in Ost-Norwegen aus. Sie muss im Herbst 1582 mit den letzten Schiffen von England nach Oslo gebracht worden sein, von wo sie sich im frühen Frühjahr 1583 in der üblichen Geschwindigkeit zu Lande nach Gudbrandsdalen und Hedmarken ausbreitete. Denn in den Niederlanden und den Hansestädten brach sie auch erst im Sommer 1583 aus, während in England die Pest bereits seit 1581 wütete. Bemerkenswert dabei ist, dass der Pfarrer, von dem diese Nachricht erhalten ist, mit keinem Wort die Pest als „Strafe Gottes“ bezeichnet, während der König noch 1583 alle Bischöfe Norwegens zu Gebetstagen gegen die Strafe Gottes aufrief. Aber die Oberschicht wusste es auch besser: Als im Sommer 1583 die Pest in Kopenhagen und Helsingør ausbrach, wurde die Fährverbindung nach Haderslev in Jylland zum Schutz des Königs, der sich mit seinem Gefolge gerade in Jylland aufhielt, unterbrochen.
Aber erst für die Zeit, als 1592 die Pest in Kopenhagen ausbrach, sind administrative Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pest überliefert, die Einsichten in die Zusammenhänge erkennen lassen: Nach einem Erlass Christians IV. durfte niemand außer den Totengräbern die Häuser der Toten betreten, und es wurde der Handel mit gebrauchten Kleidern verboten.[29] Dies ist der erste offizielle Text, der die Pest auf weltliche Ursachen zurückführt. Die religiöse Sicht der Gottesstrafe blieb aber daneben bestehen. Denn im November 1593 befahl der gleiche König, an drei Tagen im Februar überall im Reich Gebetstage abzuhalten.[30] Im 16. Jahrhundert begannen sich in Norwegen langsam soziale Verhaltensänderungen durchzusetzen, die einer Ausbreitung der Pest entgegenwirkten. So breitete sich die Pest im Bezirk Toten (heute Vestre Toten und Østre Toten) nicht in den damaligen Bezirk Nordre Toten und die Pest in Hedmark nicht nach Østerdalen aus.
Am Ende des 16. Jahrhunderts trat eine Änderung im Erscheinungsbild der Epidemien ein. Sie brachen an vielen Orten gleichzeitig aus, aber blieben doch im Laufe der Zeit auf immer kleineren Raum beschränkt. Dies ist auf den immer größeren Holzbedarf in den Niederlanden zurückzuführen. Im 16. Jahrhundert wurden ungefähr 500.000 m³ Holz in die Niederlande exportiert. Bezahlt wurde mit Korn und modischen Stoffen aus Europas führenden Webereien in Amsterdam, Deventer, Hoorn usw., das ideale Transportmedium für Flöhe. Für diese Zeit rechnet man mit 2000 Schiffs-Anlandungen. An der Südküste entstanden an den Flussmündungen, wohin man Holzstämme flößen und wassergetriebene Sägewerke errichten konnte, eine ganze Kette von Verladestationen, die zum Teil auch richtige Siedlungen wurden, zum Beispiel Mandal und Flekkefjord in Vest-Agder, Arendal und Risør in Aust-Agder und Porsgrunn und sein heutiger Ortsteil Brevik, Larvik, Sandefjord, Holmestrand, Moss und Drammen, das aus den beiden Verladestellen Bragernes und Strømsø an der Mündung des Drammenselv entstanden ist.
1599 brach in Bergen eine Pestepidemie aus. Der Pfarrer von Rødøy notierte für 1599, dass sie zu St. Bartholomäi (= 24. August) einsetzte und sich über Stavanger, Trondheim und ganz Nordland ausbreitete. Nach dem eingangs beschriebenen Verbreitungsmuster muss die Pest Mitte Juli nach Bergen gelangt sein. Sie kann daher nur aus den Niederlanden gekommen sein. Denn dort gab es von 1599 bis 1604 eine Pestepidemie, während in Norddeutschland die Epidemie erst 1601 und in England erst 1602 einsetzte. Der damalige Schulmeister in Bergen notierte, dass im Sprengel der Domkirche und der Kreuzkirche im Jahre 1600 ungefähr 3.000 Menschen gestorben seien, im Bereich des Hansekontors (also unter den Deutschen) 164 Personen.[31]
Die Seuchen im 17. Jahrhundert
1603 brach die Pest in Tønsberg und in Østland aus. Dies geht aus den Notizen des damaligen Bürgermeisters von Tønsberg hervor.[32] Der erste Todesfall geschah am 16. August 1603. Sein ältester Sohn starb am 26. Dezember und seine älteste Tochter „zur gleichen Zeit“. Es geht aus dem Kontext allerdings nicht klar hervor, ob dies überhaupt der erste Todesfall war, oder nur der erste in seinem Haushalt. Das bedeutet, dass die Pest etwa am 24. Juli in Tønsberg eingeschleppt worden ist. In den Aufzeichnungen des Bischofs von Oslo Jens Nielssøn finden sich Nachträge aus der Zeit nach seinem Tod im Jahre 1600, die von dem späteren Besitzer der Aufzeichnungen, dem Pfarrer Jens Nilsøn in Strøm hinzugefügt wurden. Unter dem Jahr 1603 findet sich die Nachricht, dass der Pfarrer in Strøm in Sørdalen Palle Christoffersen Stub am 22. August 1603 an der Pest gestorben ist. Dabei erwähnte er auch die „Pestflecken“, die dem Tode vorausgingen.[33] Diese dichte Folge schließt es aus, dass die Pest über Tønsberg nach Norwegen gekommen ist; denn da hätte der Todesfall in Strøm wesentlich später stattfinden müssen. Vielmehr liegt es nahe, dass das Zentrum wieder in Oslo lag und von dort parallel nach Tønsberg und Strøm verbreitet worden ist. Eine wichtige Quelle zu dieser Pest sind die Steuerlisten zur Erhebung einer Gebäudesteuer aus den Gebieten um Oslo und aus dem ganzen östlichen Romerike zum Ausbau der Akershus-Festung von 1604. Dort sind eine ganze Reihe Ödhöfe aufgelistet, von denen keine Steuer erhoben werden konnte, weil die Bewohner großenteils gestorben waren. Die Höfe wurden in drei Kategorien eingeteilt: Vollbetriebe, Kleinbetriebe („Halb-Höfe“) und Ödhöfe. In die letzte Kategorie wurden nur die Höfe aufgenommen, von denen man eine Steuer erwarten durfte, also nicht Wüstungen seit dem Mittelalter. Das bedeutete aber nicht, dass sie menschenleer waren, sondern nur, dass sie in einer Weise betrieben wurden, dass sie keine Steuer aufbringen konnten, also „öde“ im steuertechnischen Sinne waren. Die unmittelbar an Oslo angrenzenden Gebiete sind leider nicht erfasst, weil diese statt der Steuer Hand- und Spanndienste beim Festungsbau zu leisten hatten, so dass man aus Oslo und der Nachbarschaft keine Quellen hat. Aus der Liste geht hervor, dass die Katenbauern am schlimmsten betroffen waren. Bei ihnen verödeten 25 % der Höfe, während die Großbetriebe nur zu knapp 4 % betroffen waren. Dies erstaunt zunächst, da bei den Großbauern mit viel Personal und vielen auswärtigen Verbindungen eine größere Angriffsfläche für die Seuche zu erwarten wäre, als bei den isolierter lebenden Katenbauern. Die Erklärung liegt in der Eigenart der Pestausbreitung über das Korn: Die Großbauern deckten ihren Kornbedarf im Wesentlichen selbst. Die Katenbauern waren auf den Zukauf angewiesen, wofür sie nebenher Lohnarbeiten ausführten, die damals im Wesentlichen aus Holzfällen, Holzrücken und Flößerei bestanden. Die Bezahlung erfolgte nicht nur, aber auch durch Importgetreide aus England und den Niederlanden, das mit Pestflöhen durchsetzt war. Es gab noch einen weiteren Grund: In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gab es eine tiefgreifende Änderung der Wohnverhältnisse. Bis dahin war das Wohnhaus ein langgestrecktes Blockhaus mit offener Feuerstätte und einem Rauchabzugsloch im Dach. Der Boden bestand aus gestampfter Erde und war mit Stroh bedeckt.[34] Nunmehr wurde auf den reichen Bauernhöfen ein Schornstein über die offene Feuerstelle gesetzt, ein Holzboden gelegt, und Fenster statt der Dachluken eingebaut.[35] Der Holzboden konnte saubergehalten werden. Diese hygienischeren Verhältnisse waren für die Ratten und Flöhe schädlich. Daher zogen sich die Ratten aus den Aufenthaltsräumen zurück. Im 17. Jahrhundert war diese Neuerung im Vordringen, allerdings ist der Umfang ungewiss. Aber diese Änderung vollzog sich zunächst in den reichen Bauernhöfen und wurde erst später auch bei den ärmeren Bauern umgesetzt. Hinzu kommt wahrscheinlich auch das unterschiedliche Bildungsniveau. Bei den Großbauern hatten sich die Erkenntnisse über die Ansteckung bereits verbreitet, so dass man von den Erkrankten Abstand hielt, während man bei den Unterschichten die alten Sitten des Krankenbesuchs noch beibehielt.
Alles in allem wütete die Pest diesmal nicht so schwer, als dass der Bevölkerungsschwund nicht in einigen Jahren hätte ausgeglichen werden können. Der allgemeine Bevölkerungszuwachs wurde in diesem Zeitraum kaum gebremst.
In den Jahren 1602 und 1603 wurde zumindest in den Lehen Nedenes (heute ein Teil von Aust-Agder), Lista (heute ein Teil der Kommune Farsund) und Mandal, beide in Vest-Agder, von den Lehnsherren ein Verbot erlassen, während der Pestzeit von seinem Wohnsitz fortzureisen. Das allerdings war keine durchgreifende Pestbekämpfungsmaßnahme. Es gibt für diese auch keine Anzeichen in den folgenden Jahren. Diese kommen erst in Verbindung mit den großen Pestkatastrophen in Dänemark 1618/1619.
1618 brach in Bergen die nächste und für das übrige Vestlandet auch die letzte Pestepidemie aus. Sie wurde wahrscheinlich aus den Niederlanden eingeschleppt. Quellen für diese Epidemie sind der Pfarrer Maurits Madssøn Rasch (Lit.: Rasch) auf der Insel Rødøy (Helgeland, Nordland) und Mikel Hofnagel in Bergen. Letzterer beschränkte sich auf Bergen, während Madssøn auch über das übrige Nord-Norwegen berichtete. Hufnagel gibt Zahlen an, die auf einen guten Zugang zu geistlichen Registern schließen lassen. Nach ihm starben im Kirchspiel der Domkirche zu Bergen 2.650 Personen, 1.096 im Kirchspiel der Kreuzkirche, bei den Deutschen in Bryggen 278 Personen, insgesamt 3.997 Personen, also fast 1.000 mehr als in der vorangegangenen Epidemie, was allerdings auch auf die inzwischen wieder gewachsene Bevölkerungszahl zurückzuführen ist. Die Pest breitete sich über das Westland aus, also in die heutigen Fylke Hordaland und Sogn og Fjordane, da dort die Lehnsgüter der Festung Bergen für deren Unterhaltung lagen. Der Burghauptmann Knut Urne musste König Christian IV. berichten, dass er die fällige Steuer nicht zum 11. November werde zahlen können, da die Pest auf den Lehnsgütern gewütet habe.
Bergen spielte für die Kornversorgung Nordnorwegens eine zentrale Rolle. So kam die Pest auch nach Trondheim und einigen Distrikten in Nordland, aber nicht nach Trøndelag. Hier macht sich das Ausbleiben der Pilgerströme nach der Reformation bemerkbar.
Die ersten Maßnahmen
Die große Pestkatastrophe in Dänemark und Bergen der Jahre 1618 und 1619 führte endlich zu energischen Maßnahmen der Obrigkeit gegen die Ausbreitung der Pest. Es wurde die Quarantäne für Schiffe aus Pestgebieten eingeführt. Der Burghauptmann von Kronenborg wurde angewiesen, Personen von Schiffen aus Bergen nicht an Land zu lassen, weil dort die Pest herrsche. Einige Häuser in Helsingør waren pestbefallen, weil man einigen Personen erlaubt hatte, an Land zu gehen, und es wurde angeordnet, dass alle infizierten Häuser isoliert würden.[36] Ab den 1620er Jahren wurde dies bei der Pestbekämpfung die vorherrschende Methode. Auch die 1620 wahrscheinlich aus Dänemark nach Schweden eingeschleppte verheerende Pestepidemie, die bis 1624 anhielt gab der Bekämpfung durch radikale Mittel neuen Auftrieb. Christian IV. kümmerte sich persönlich um dieses Problem, wie die Zahl der Rapporte, der Lageberichte und seine administrativen Maßnahmen gegen die Pest zeigen. Er setzte sogar Militär ein, um die Rückkehr der Pest aus Schweden nach Dänemark zu verhindern. Die gesamte Grenze gegen Schweden wurde geschlossen, sogar für den diplomatischen Verkehr mit Russland und Deutschland, weil die Diplomaten durch pestverseuchtes Gebiet gereist waren.
1623 beantwortete der Burghauptmann von Båhus Jens Sparre einen Erlass König Christians IV., in dem er aufgefordert wurde, auf die Pestentwicklung jenseits der norwegisch-schwedischen Grenze zu achten und gegebenenfalls die Grenze zu schließen, mit der Nachricht, dass die Pest Göteborg erreicht habe und ein Schneider auf der Insel Hisingen vor Göteborg, die damals (bis zum Roskilde-Frieden von 1658) noch zur Hälfte zu Norwegen gehörte, an der Pest gestorben sei. Die Pest war bis auf 1 Meile an Båhus herangerückt. Das übrige Südost-Norwegen war noch nicht unmittelbar bedroht. Die Pest war ins Värmland eingedrungen, das dem heutigen Østfold und Süd-Hedmark benachbart ist, und auch in die Bischofsstadt Skara im Norden von Västergötland. Am 18. November berichtete er, dass die Pest nicht auf norwegisches Gebiet übergesprungen sei, sondern weiterhin nur auf schwedischem Gebiet wüte. Der folgende Winter beendete die Seuche, so dass der König mit Erlass vom 11. Januar 1624 die Öffnung der Grenzen gestattete.
Diese Korrespondenz zeigt eine neue Entwicklung in der norwegischen und dänischen Geschichte, einen zentralisierten gesellschaftspolitisch organisierten Kampf gegen die Pest. Die Zentralverwaltung setzte zu diesem Zweck die Lokalverwaltung und das Militär ein. Sie fand ihren vorläufigen Höhepunkt in einer königlichen Verordnung vom 15. Januar 1625 über die Seuchenbekämpfung.[37] Sie war bahnbrechend für den Einsatz der gesamten Staatsgewalt zur Seuchenbekämpfung und führte schließlich zur Beendigung der Pestausbrüche in Norwegen. Allerdings war sie auf dänische Verhältnisse zugeschnitten. Denn sie befahl schon zu Beginn den Bürgermeistern der Stadt, zusammen mit den Ratsherren, dem Pfarrer und den „Ärzten“ (Badern), Personen auszuwählen, die sich im Falle einer Erkrankung an einer Seuche um die Kranken zu kümmern hatten. Nun gab es in Norwegen kaum Städte, dafür aber viele kleine Verladestellen ohne irgendeine kommunale Organisation, geschweige denn einem Bürgermeister, mit regem Schiffsverkehr. Das war ein bedeutendes Einfallstor für die Pest, und in der Jahrhundertwende gab es viele Pestfälle dort. Aber schon die Konzentration auf die Städte zeigte Wirkung, denn diese hatten ein bei weitem größeres und internationales Handelsvolumen. Entscheidend war aber § 2: Sobald bekannt sei, dass in einer ausländischen Stadt eine Seuche ausgebrochen sei, sei jeglicher Handel und Verkehr mit dieser unter schwersten Strafen und Konfiskation verboten. Auch Personen von inländischen Orten, in denen eine Seuche ausgebrochen sei, dürften in seuchenfreie Gebiete nicht hineingelassen werden. Bei Verstoß sollten diese Personen 4–5 Wochen in speziellen Pesthäusern untergebracht werden, also eine Quarantäne. Es wurden Bestimmungen über die Errichtung von solchen Pesthäusern getroffen. Wo Verhältnisse besondere Pesthäuser nicht zuließen, konnten auch Wirtshäuser verwendet werden. In Norwegen wird nur ein einziges Mal ein Pesthaus erwähnt, 1654 in Bragernes bei Drammen. Personen aus Häusern, in denen die Pest ausgebrochen war, war es verboten, sich unter die Leute zu mischen oder andere Menschen ins Haus zu lassen. Sie mussten Türen und Fenster geschlossen halten. Das war gegen das Miasma gerichtet. Ausnahmen gab es nur für den Pfarrer, den Bader und den „Pestmeister“. Es folgten Bestimmungen über die isolierte Beerdigung. Zuletzt wurden die Bestimmungen gegen die offenbar um sich greifende Unsitte getroffen, verstorbenes Dienstpersonal nachts irgendwo auf der Straße abzuladen, wo niemand die Toten kannte, um so der Quarantäne zu entgehen und noch aus der Stadt flüchten zu können. Die Stadtverwaltung hatte für die Ernährung der so Isolierten zu sorgen. Die Quellen aus 1630 und 1654 belegen, dass diese Bestimmungen in Oslo eingehalten wurden.
Auf dem Lande, wo die Rattenkolonien weit voneinander getrennter Bauernhöfe keine Verbindung miteinander hatten, zeigte die Befolgung dieser Bestimmungen eine große Wirkung, nicht aber in der Stadt. Denn wenn eine Rattenkolonie durch die Pest zu stark geschwächt war, dann konnte sie ihr Revier nicht mehr gegen andere Kolonien verteidigen. Das bedeutete, es drangen Ratten aus den Nachbarkolonien ein und infizierten sich und damit auch ihre eigene Kolonie. So breitete sich die Pest langsam aber unaufhaltsam durch die geschlossene Bebauung hin aus. Dies ist deutlich an der letzten großen Pestepidemie 1654 in Oslo abzulesen.
Es kristallisierte sich bald die Erkenntnis heraus, dass es nur eine wirksame Abwehr gegen die Pest gab: Es musste unter allen Umständen verhindert werden, dass sie überhaupt ins Land kam. Dies konnte nur durch eine zentral koordinierte Schließung der Grenzen geschehen. Die einzige Macht, die dazu in der Lage war, war der Staat selbst. Nur die Staatsleitung hatte die Mittel, ein internationales Berichtswesen über die Pest im Ausland zu organisieren, nur sie konnte zentral den Handel mit pestbefallenen Hafenstädten des Auslands unterbinden, notfalls unter Einsatz des Militärs. Dies führte zu einem wesentlichen Ausbau und zu einer Intensivierung des Staatsapparates. Die innenpolitischen Steuerungsmöglichkeiten wuchsen bedeutend und wurden zu einem wesentlichen Element des frühmodernen Staates. In diesem Prozess war die Seuchenverordnung von 1625 ein Meilenstein. Die Verordnung wurde bei der verheerenden Pest in Bergen 1629 und auch 1643 erneuert.
Erneute Pestangriffe
1624 verstärkte sich der Druck der Pest auf die norwegischen Grenzen: 1620–1624 heerte die Pest in Schweden, insbesondere in Göteborg. Gleichzeitig gab es große Pestepidemien in England und den Niederlanden sowie in vielen Hansestädten wie Bremen, Rostock und Danzig. 1625 heerte die Pest in Kopenhagen. Sie verschwand im Winter 1625/1626. Auf einer Thingversammlung auf Finnøy 1627 wurden als Pestgebiete, mit denen kein Verkehr erlaubt war, verkündet: Die Hansestädte und die Städte in Holstein, außerdem Skien und ganz Telemark. Südnorwegische Städte wurden nicht aufgeführt, was den Schluss zulässt, dass dort keine Pest mehr aufgetreten war. Skien war besonders gefährdet, da es eine Schlüsselposition im Holzhandel innehatte. 1626 hatten zum Beispiel mindestens 110 ausländische Schiffe Skien angelaufen, 62 von den Niederlanden, 13 von Dänemark, 30 von Schleswig-Holstein, 4 von England und 1 Schiff aus einer Hansestadt.[38] 72 Personen starben an der Pest, davon 58 bis Mai 1626. Auch hier waren die Unterschichten überproportional betroffen, was auf die schlechteren Wohnverhältnisse zurückzuführen ist, wie gestampfter Boden mit Strohschüttung oder in der Scheune oder im Stall eines Großbauern; diese waren der übliche Schlafplatz für Knechte zu dieser Zeit. Nur der Hausherr und seine Frau hatten ihre Schlafplätze im Haus. Oddur Gottskálksson übersetzte das Neue Testament in Skálholt im Stall. Er war wegen des Viehs der wärmste Ort. Die allgemeine Verbreitung des Dielenbodens auch bei Handwerkern und Kleinbauern dauerte bis 1750, vereinzelt auch länger. Die lokale Begrenzung auf Teile Telemarks ist auf die strikte Befolgung der königlichen Verordnung über die Isolierung befallener Gebiete zurückzuführen.
1629 heerte die Pest in Bergen. Die Friedhöfe waren voll, und es musste ein neuer Friedhof ausgewiesen werden, der St.-Jakobs-Friedhof. In den 7 Monaten von Juni bis Dezember 1629 starben insgesamt 3.183 Menschen (Lit.: Hofnagel). Zum dritten Mal in drei Jahrzehnten wurde ein Großteil von Bergens Bevölkerung von der Pest dahingerafft. Das war die vorletzte Epidemie in Bergen. Die Seuche blieb auf Bergen beschränkt. Die behördlichen Maßnahmen begannen zu greifen. Die Pest kam aus den Hansestädten, wo sie in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges aufgekommen war und von 1628 bis 1630 wütete. Wenn man den eingangs geschilderten Pestverlauf vom Juni 1629 zurückrechnet, wurde sie im April 1629 eingeschleppt. Die ersten Frühjahrsschiffe verließen die Heimathäfen zu Beginn des April. Im kalten Winter darauf brach die Seuche abrupt ab und flammte im folgenden Frühjahr erneut auf, eine für die Beulenpest charakteristische Abfolge.
Am 12. Juli 1629 brach die Pest auch in Trondheim aus – die letzte Pestepidemie dort. Sie währte bis zum Neujahrstag 1630. 978 Personen starben. Die Bevölkerungszahl Trondheims lag zu der Zeit in der Größenordnung von 2.500 Einwohnern.[39] Das bedeutet, dass ungefähr 40 % der Bevölkerung an der Pest gestorben sind. Auch hier beschränkte sich die Pest auf die Stadt und kam nicht ins Umland.
1630 brach in Oslo (seit 1624 Christiania) die Pest aus. Diese muss nicht, wie die Pest von 1629, aus den Hansestädten gekommen sein. Denn 1630 grassierte die Pest auch in England. Die erhaltenen Zolllisten zeigen, dass im Jahr davor zwischen 75 und 100 ausländische Schiffe Oslo angelaufen hatten, um Holz zu laden. Die Mehrzahl kam aus den Niederlanden und Umgebung, 10 aus Hansestädten und 10 aus England und Schottland. Die Weiterentwicklung der Schiffstypen erlaubte es, früher im Jahr die Fahrt aufzunehmen und bis später im Herbst noch zu segeln. Sie brach im Mai 1630 aus und erreichte in den Monaten Juli und August ihren Höhepunkt. Die Pest kann also schon im Spätherbst 1629 nach Oslo gelangt sein. Aber vieles spricht dafür, dass sie im April 1630 die Rattenkolonien befallen hat.
Damals war es gute alte Sitte gewesen, dass die Schüler und Lehrer der Domschule bei einer Beerdigung den Sarg mit Psalmen begleiteten. Dieser Brauch konnte angesichts der vielen Beerdigungen am selben Tag nicht aufrechterhalten werden. Außerdem verstieß er gegen die königlich Pestverordnung und wurde unterbunden. Der Bischof und der Bürgermeister erließen eine neue Beerdigungsvorschrift: Alle Personen, die an einem Tage starben sollten am nächsten Tag zusammen begraben werden. Wenn die Kirchenglocken läuteten, sollten alle Särge fertig auf der Straße stehen. Die Schüler sollten an dem letzten Sarg der Straße mit den meisten Toten stehen. Beim nächsten Geläut sollten die Särge aus den Nebenstraßen auf diese Straße gebracht werden. Dann sollte die Leichenprozession mit allen Särgen zum Friedhof ziehen. Daraus ergibt sich, dass zu dieser Zeit viele Menschen am selben Tag starben. In einer Bildunterschrift in einer Kirche wird der abgebildete Pfarrer als der letzte Tote von 1300 Pesttoten bezeichnet. Von den früheren Einwohnern lebten nicht alle in der Stadt Christiania, weil 1624 ein Großbrand viele Einwohner vertrieben hatte, die nicht zurückgekehrt waren, sondern sich in den heutigen Stadtteilen „Gamle Oslo“, Vaterland und Grønland niedergelassen hatten. Christiania selbst dürfte 3000 Einwohner besessen haben. Knapp die Hälfte fiel also der Pest zum Opfer. Aber die Stadt erholte sich rasch durch Familien, die aus dem Umland nach Oslo zogen, wo durch den Holzhandel gutes Geld zu verdienen war.
Der Holzhandel war das Einfallstor der Pest geworden: 1602 in Arendal, 1620 in Mandal, 1625 in Flekkefjord und Langesund. Aber auch andere Neuerungen sind zu berücksichtigen, zum Beispiel die neuen Bergwerksgesellschaften. Auf königlichen Beschluss hin wurde 1624 in Kongsberg eine Zeche gegründet. Aus den dortigen Quellen geht hervor, dass viele Bergwerksgesellen erkrankten. Versorgt wurde Kongsberg von Bragernes am Drammenselv, heute Stadtteil von Drammen, einem bedeutenden Holzumschlagsplatz mit Flößerei aus dem Inland und vielen Sägemühlen. Dort scheint die Pest in Kongsberg ihren Ausgangspunkt gehabt zu haben. Das gilt auch für die nächste Pestwelle in Kongsberg 1639. Damit ist die Herkunft aber noch nicht ausreichend geklärt, da sie sich 1639 in Nordeuropa und in den Jahren davor totgelaufen hatte. Es gab nur wenige Pestfälle. Nur in Danzig und einigen ostpreußischen Städten gab es Epidemien. Es bleibt nur die Erklärung, dass ein Schiff mit Waren aus der Nordsee nach Danzig gefahren ist, dort seine Waren ausgeladen und stattdessen Getreide geladen hat und damit zum Holzeinkauf nach Bragernes gesegelt ist. Ähnlich war es ja 1565 geschehen, als ein Schiff aus Bremen zunächst Danzig angelaufen und von dort die Pest nach Bergen gebracht hatte. Die Zechendirektoren von Kongsberg kauften das Korn in Bragernes zur Versorgung der Grubenarbeiter. Auch die Hafenstadt Tønsberg war von der Pest betroffen.
Man sieht in der geschichtlichen Entwicklung zwei gegenläufige Tendenzen: Der rege Holzhandel mit vielen Ladestellen an der Küste führte einerseits zu einem hohen Druck der Pestepidemien auf Norwegen mit immer mehr Pestausbrüchen in den Einfallstoren, andererseits führte das gewandelte Seuchenverständnis und der damit einhergehenden sofortigen und radikalen Isolation der Pestherde dazu, dass diese Ausbrüche auf immer engeren Raum beschränkt wurden.
Das Ende der Pestepidemien in Norwegen
1637 kam es zum letzten Pestausbruch in Bergen. Hofnagel berichtet von 2500 Toten an der Pest und den Pocken, wahrscheinlich Wasserpocken.[40] Diese rafften vor allem Kinder dahin, die durch die Unterversorgung pestkranker Eltern bereits geschwächt waren. Die Forschung hat gezeigt, dass in einem Ort, in dem die Pest ausgebrochen ist, beim Tod der Mutter und Überleben des Vaters 9 von 10 Kindern starben, im umgekehrten Falle, wenn die Mutter überlebte, aber der Vater starb, starben 9 von 13 Kindern, wenn beide Eltern überlebten, 11 von 47 Kindern.[41] Dass mehr Kinder starben, wenn die Mutter der Pest erlegen war, als wenn der Vater gestorben war, ist auf die Säuglinge zurückzuführen, die ohne Mutterbrust verhungerten. Erwachsene waren meist bereits immun. Umgekehrt starben Kinder, die sich die Pocken zugezogen hatten, leichter an der Pest. Eine Unterscheidung wurde zu dieser Zeit nicht gemacht, da es nur einen Ansteckungsweg gab, das Miasma. Aber man geht davon aus, dass im Wesentlichen die Pest und nicht die Pocken die eigentliche Todesursache war.
Überhaupt ist mit vielen Krankheiten in der Stadt zu rechnen, die die Widerstandskraft gegen die Pest entscheidend schwächten. Brunnen, Ställe, Misthaufen und Abwassersickergruben lagen dicht beieinander und die Straßen waren voll mit Abfall und Müll. Die Kühe wurden täglich durch die Stadt auf die Allmenden getrieben, und so mischten sich zum Abfall noch die Kuhfladen.
Wenn man die fünf Pestepidemien in Bergen seit 1565 vergleicht und den Erfahrungswert zugrunde legt, dass ungefähr 40 % der Bevölkerung einer Pestepidemie zum Opfer gefallen ist, ergeben sich folgende Bevölkerungszahlen jeweils zu Beginn der Epidemie:
Jahr | Pestopfer | Einwohnerzahl |
---|---|---|
1565–67 | 2.050 | 5.125 |
1599 | 3.200 | 8.250 |
1618 | 3.997 | 10.000 |
1629 | 3.171 | 8.000 |
1637 | 2.500 | 6.250 |
Alle | 14.918 |
Diese Schätzungen sind deshalb zulässig, weil sich die maßgeblichen Randbedingungen (Wohnverhältnisse, Nahrungsmittelbeschaffung und Arbeitsverhältnisse) in dieser Zeit in der Stadt nicht verändert haben. Nur über die Witterung, die ebenfalls auf die Stärke der Epidemie Einfluss hatte, wissen wir nichts. Aber der Einfluss liegt innerhalb der Ungenauigkeits-Bandbreite einer solchen Schätzung. Auch die behördlichen Maßnahmen gegen die Ausbreitung können einen gewissen Einfluss gehabt haben, der aber in der Stadt eher gering war, da eine Rattenbekämpfung ja nicht stattfand. In den 70 Jahren von 1565 bis 1637 sind also ungefähr 15.000 Menschen an der Pest gestorben, davon allein in den letzten 39 Jahren von 1599 bis 1637 13.000 Menschen. Dem steht eine starke Bevölkerungsentwicklung zwischen 1565 und 1618 trotz zweier Epidemien gegenüber. Diese korreliert gut mit den Kenntnissen über den Zuzug von Bevölkerungsteilen aus dem Umland und dem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt im gleichen Zeitraum. Zwischen 1618 riss die Pest zwar große Lücken in die Bevölkerungszahl Bergens, sie wurden aber immer wieder durch den Zuzug aus dem Umland ausgeglichen, wo die Bevölkerung ebenfalls zunahm.
1645 wurde für alle Personen über 15 Jahren in Bergen eine Kopfsteuer erhoben. Das waren 3668 Personen. Die Steuerlisten lassen also die Anzahl der Personen unter 15 Jahren offen. Volkszählungen in Oslo 1769 und 1801, einem Zeitraum mit sehr geringem Zuzug in die Stadt und einem dramatischen Rückgang der Einwohnerzahl, zeigen, dass die Stadtbevölkerung nicht in der Lage war, aus eigener Fruchtbarkeit ihre Einwohnerzahl zu halten,[42] weil die unhygienischen Zustände eine viel zu hohe Kindersterblichkeit zur Folge hatten (Lit.: Fossen). Gleichwohl rechnet man mit einem Durchschnitt von 1,75 Kindern pro Ehepaar, weil die vielen Todesfälle unter Erwachsenen neue Ehen hervorbrachten, in denen die Partner halbwaise Kinder aus früheren Ehen mitbrachten oder vollwaise Kinder von verstorbenen Verwandten aufgenommen hatten. Das Bevölkerungswachstum war also damals immer auf den Zuzug von außen angewiesen. Dies berücksichtigt kommen sorgfältige Berechnungen und Vergleiche mit anderen Städten mit besserer Datengrundlage zu einer Gesamtbevölkerung von ungefähr 6500 Personen.[43]
Die letzte Pestepidemie in Norwegen brach 1654 im Südland aus. Betroffen war Oslo, das nun Christiania hieß, und dessen Umgebung im Oslofjord. Sie hatte ihren Ursprung in den Niederlanden, wo sie 1652 bis 1656 wütete. 1654 war auch eine Epidemie in Kopenhagen, die sich über viele Städte in Sjælland ausbreitete. Aber die Epidemie kam so früh nach Christiania, dass sie im Herbst davor aus den Niederlanden eingeschleppt worden sein muss.
Die ersten Kirchenbücher in Christiania wurden 1648 geführt und waren Rechenschaftsbücher über kirchliche Handlungen mit ihren Einnahmen. Dies beeinträchtigt ihren Quellenwert; denn die Begräbnisse von Reichen wurden einzeln aufgeführt mit Namen und dem gezahlten Betrag, die Begräbnisse Armer wurden nur summarisch aufgrund von Angaben der Leichenbestatter erwähnt. Während in den Jahren vor der Pest im Durchschnitt 127 Personen jährlich begraben wurden, betrug die Zahl der Beerdigungen im Jahre 1654 1523. Die Seuche brach am 30. Juli 1654 aus, als zwei an der Pest verstorbene Mädchen (aus demselben Haushalt) begraben wurden. Sie waren also drei Tage vorher gestorben. Auch der fast gleichzeitige Tod aller Mitglieder eines Haushalts, der in Oslo zu beobachten war,[44] ist typisch für die Beulenpest, bei der die Rattenkolonie für die Flöhe gleichzeitig nicht mehr ausreichende Nahrungsgrundlage bietet und die Flöhe daher gleichzeitig die Menschen anfallen. Von den 92 Soldaten der Festung starben 39 gleichzeitig am 1. November 1654. Erst als die Sterberate anschwoll, wurde die Beerdigung auf den dem Tode folgenden Tag befohlen, damit das Miasma sich nicht ausbreiten konnte. Zu der eingangs geschilderten Ausbreitungsgeschwindigkeit passt, dass am 9. August bereits vier Beerdigungen stattfanden, das 11fache der üblichen durchschnittlichen Zahl von einer Beerdigung in drei Tagen. Die Spitze wurde am 24. September mit 25 Beerdigungen erreicht. Die Epidemie endete in der Mitte des November. Zwischen dem 12. und 18. November ist keine Beerdigung im Kirchenbuch verzeichnet. Also auch die letzte Pestepidemie zeigt das typische Muster des saisonalen Auftretens der Beulenpest, die bei kaltem und feuchten Wetter verschwand. Auch die besondere Betroffenheit der Festungsbesatzung, insbesondere im Herbst, passt gut ins Bild der Beulenpest: Der Lebensmitteltransport in die Festung, die Einlagerung von Mehl und Korn und die Ablieferung des Zehnten an Getreide im Herbst führte zu einer Blüte der Rattenkolonien und des Flohbefalls. Insgesamt starben 1.465 Personen während der Pest. Berücksichtigt man die Todesfälle, die nach dem allgemeinen Durchschnitt ohnehin zu erwarten gewesen wären, verbleiben immerhin 1440 von der Pest verursachte Sterbefälle. Darin sind nicht die Toten unter der Besatzung der Akershus-Festung enthalten, da die Festung nicht zu Oslo, sondern zu Aker gehörte. Die Einwohnerzahl Christianias unmittelbar vor der Pest wird mit 3–4.000 Menschen angesetzt. Die Schätzung beruht auf einer angenommenen Sterberate von 3,5 % (aus einer Volkszählung von 1769) in der Gesamtbevölkerung und durchschnittlich 127 Beerdigungen in Christiania pro Jahr. Allerdings ist der Ansatz zweifelhaft, da die auf Gesamt-Norwegen bezogene durchschnittliche Sterberate von 3,5 % in den großen Städten aus nachfolgenden Gründen sicherlich überschritten wurde.
Die hygienischen Verhältnisse waren ebenso katastrophal wie oben für Bergen geschildert. Es gab in ganz Christiania einen angestellten Mann, der Nachts Abfälle zu räumen hatte. Es gab kein sauberes Trinkwasser in der Stadt. Die normale Sterberate lag hier höher als die Geburtenzahl: 127 Beerdigungen pro Jahr standen durchschnittlich nur 118,5 Taufen gegenüber. Die Einwohnerzahl konnte sich also nur über Zuwanderung halten. Das galt auch noch lange Zeit danach. Zwischen 1769 und 1801 (zwei Jahre mit Volkszählung) starben jährlich 50 Menschen mehr als getauft wurden.[42] Benedictow[45] geht daher plausibel von 4 % aus und hält auch 4,5 % für möglich, was zu einer Einwohnerzahl von 3.175 bzw. 2.800 Personen führt, von denen 40–50 % 1654 an der Pest starben. Aber die Unsicherheiten sind gleichwohl groß, denn es ist mit einer von der Pest von 1630 deformierten Alterspyramide zu rechnen. Nach der Pest von 1630 waren viele junge Menschen in die Stadt gezogen, die dort nun sowohl freigewordene Wohnungen als auch Arbeit fanden. Es war zu einem regelrechten Babyboom gekommen, so dass die Pest von 1654 auf eine Bevölkerung mit überdurchschnittlich vielen jungen Erwachsenen traf. Deren Eltern waren aber großenteils bereits gestorben. Daher war es vorübergehend zu einem Geburtenüberschuss gekommen, und die Sterberate war wesentlich niedriger als normal. Die Kirchenbücher weisen die Zeit von 1648 bis 1650 eine Geburtenrate von durchschnittlich 130 Geburten im Jahr aus. Für die folgende 3-Jahresperiode waren es nur noch 106 Taufen pro Jahr. Das erklärt auch die genannte relativ hohe Taufrate von 118,5 im Durchschnitt für den Gesamtzeitraum. Damit kommt man zu 20 Sterbefällen mehr als Taufen im Jahresdurchschnitt.
Von Christiania kam die Pest im Herbst 1654 nach Ullensaker in Akershus-Fylke 25 km nördlich von Christiania. Es gibt dazu keine unmittelbaren Quellen, sondern nur ein Protokoll von einer Thingversammlung in Ullensaker von 1669, worin von einer „Pest vor 15 Jahren“ die Rede ist. Sie kam auch nach Trøgstad im Fylke Østfold, wo sie ab Mitte September ein Drittel der Einwohner dahinraffte. Wie die Seuche in dieses weit im Inland isolierte Bauerndorf gelangte, ist nicht zu ermitteln.
Auch die Verladestellen am Meer in Asker wurden von der Pest heimgesucht. Dorthin kamen viele ausländische Schiffe, um Holz einzukaufen. Es handelte sich um die Verladestellen Arnestad, Bjerkås und Gisle, heute Teile von Asker südwestlich von Oslo. Auch hier ist das Phänomen zu beobachten, dass das Gebiet zwischen Christiania und diesen Verladestellen, Bærum, pestfrei geblieben ist. Daraus lässt sich entnehmen, dass die Isolierung der Seuchenherde erfolgreich war. Die Verladestellen sind offenbar unabhängig voneinander durch den Schiffsverkehr infiziert worden. Auch Bragernes (heute Stadtgebiet von Drammen) wurde heimgesucht, ironischerweise offenbar von einem königlichen Schiff, das verbotenerweise von dem pestbefallenen Hafen Kopenhagens die Verladestelle angelaufen hatte, um Holz zu laden. Von dort ist der letzte Eintrag ins Beerdigungsbuch überliefert. Unter dem 27. Dezember heißt es: „Morgen Strøms jüngstes und letztes Kind, das an der Pest starb, beerdigt.“. Dieses Kind ist das letzte bekannte Pestopfer in Norwegen.
1622 wurde der Handel mit den Niederlanden verboten, weil dort die Pest herrschte. Im Oktober 1664 wurden in Kopenhagen 3 Männer aus Christiania verurteilt, weil sie entgegen den strengen Quarantänebestimmungen ein niederländisches Schiff betreten hatten. 1665 wurde aus denselben Gründen das gleiche Verbot gegen England ausgesprochen. 1709 folgte ein Verbot gegen Danzig und andere pestbefallene Städte an der Ostsee. Als 1711 Christiania von der Pestepidemie bedroht wurde, mussten alle Schiffe die 40-tägige Quarantäne einhalten. Weil die Pest in Schweden wütete, wurde jeglicher Handel mit Schweden verboten und ein Grenzstreifen von 5 km von Menschen freigehalten. Militär wurde an die Grenze verlegt, das auf jeden schießen sollte, der die Grenze überschreiten wollte.[46] Norwegen wurde von der Pest verschont. In Dänemark wurden Helsingør und Kopenhagen infiziert. Die Regierung schloss mit großen Truppenstärken einen Ring um die beiden Städte, dass niemand flüchten konnte. Die Bevölkerung wurde regelrecht belagert, und ein großer Teil der Bevölkerung starb. Diese Maßnahmen wurden in vielen Ländern durchgesetzt, so dass die Pest nach und nach aus Europa verschwand. Die letzte Epidemie in England war 1665–1666. Ende der 60er Jahre verschwand sie aus den Niederlanden. In Frankreich endete die Pest 1669, allerdings kam ein pestverseuchtes Schiff aus der Türkei, brach die Quarantäne-Bestimmung und löschte seine Ladung in einem kleinen Ort nahe Marseille. Die Pest raste erneut in Südfrankreich und die Hälfte der Einwohner Marseilles wurde ihr Opfer, obgleich mit allen militärischen Mitteln die Flucht aus den pestverseuchten Gebieten bekämpft wurde.
Zusammenfassung
Über 300 Jahre war Norwegen bis dahin von der Pest heimgesucht worden. Die Bevölkerungszahl schrumpfte auf ein Drittel und lag am Ende niedriger als am Ende der Wikingerzeit. Das Minimum ist auf die Zeit zwischen 1450 und 1470 anzusetzen. Das löste gewaltige gesellschaftliche Umwälzungen aus. Eine große Landflucht und Konzentration der Bevölkerung in den wenigen größeren Städten war die Folge. Die Häufigkeit der Epidemien nahm mit dem wachsenden Schiffsverkehr im Zuge des Holzexportes nach den Niederlanden und nach England in der frühen Neuzeit zu. Eine Wende wurde mit dem Wandel des Seuchenverständnisses von der Gottesstrafe zur natürlichen Ursachenerklärung eingeleitet, die zu den Isolierungsmaßnahmen Christians IV. führte. Die Bevölkerungszunahme bis ins Hochmittelalter hatte zu immer weiterer Bewirtschaftung des Landes geführt, was nicht nur zu deren flächenmäßigen Ausbreitung, sondern auch zur Aufteilung bestehender Höfe geführt hatte. Dies schlägt sich nieder in vielen Zusätzen zu den Ortsnamen, wie „Östliches“, „Westliches“, „Oberes“, „Unteres“ usw. Die neuen Siedler hatten natürlich die schlechteren Teile erhalten, so dass sie am Existenzminimum geblieben waren und ein bäuerliches Proletariat entstanden war. Diese hochmittelalterliche Zeit von 1250 bis 1319 ist von der nationalromantischen Geschichtsschreibung als die Große Zeit Norwegens verherrlicht worden, war aber in Wahrheit eine Zeit allgemeinen Elends gewesen. Aber der Bevölkerungszuwachs hatte auch zu mehr Staatseinnahmen und damit zu einer größeren militärischen Schlagkraft und effektiverer Landesverteidigung geführt.
Als durch die Pest die Bevölkerung rapide sank, sanken auch die Staatseinnahmen, die an die Bewirtschaftung der Höfe gekoppelt waren. Die Bewirtschaftung konzentrierte sich auf weniger, aber dafür ertragreichere Höfe und die Konkurrenz um die überlebenden Landarbeiter trieb die Löhne in die Höhe. Einerseits war die Pest eine dauernde Bedrohung, und die Menschen lebten in dauernder Todesangst. Auf der anderen Seite ging es den Überlebenden nach der Epidemie wesentlich besser, da sich die Konkurrenz um die Ressourcen vermindert hatte. Dies galt jedenfalls für die Kleinbauern. Die Pest schuf auf diese Weise eine große soziale Gleichheit. Denn auch die Großbauern, die früher für sich arbeiten ließen, konnten wegen Arbeitskräftemangels nunmehr nicht mehr produzieren, als die Familie selbst bewirtschaften konnte.
Die Pestepidemien waren letztlich der Hintergrund für den Verlust der Eigenstaatlichkeit 1536.[47] Der Bevölkerungsrückgang ging bis unter das Mindestmaß, das für die Aufrechterhaltung eines selbständigen norwegischen Staates erforderlich war. Das Steueraufkommen war zu niedrig, um einen eigenen Staatsapparat finanzieren zu können, und für das Heer gab es zu wenig Männer im wehrfähigen Alter. Erst im 17. Jahrhundert und später wuchs die Bevölkerung so, dass Norwegen wieder zu einem selbständigen Staatsgebilde werden konnte, 1814 in Personalunion mit Schweden, 1905 als unabhängiger und selbständiger Staat. Es gibt für den norwegischen Staat offenbar eine Art „kritische Masse“ der Bevölkerung, die für ein selbständiges Staatswesen erforderlich ist. Sie entstand zunächst zwischen 850 und 1050. Diese wurde im Laufe der Pestepidemien unterschritten, was zum Ende der Staatlichkeit führte, und wuchs erst langsam wieder so weit an, dass im 19. Jahrhundert die Eigenstaatlichkeit entstehen konnte.
Der Verlust der Eigenständigkeit unter Christian III. führte auch zum Verlust der Sprache, da ausschließlich dänisch-sprechende Beamte und Geistliche in Norwegen eingesetzt wurden. Oddur Gottskálksson fertigte eine Bibelübersetzung (Lit.: Oddur Gottskálksson; Einleitung von Jón Aðalsteinn Jónsson) ins Norrøn. Der Aufwand zur damaligen Zeit und sein familiärer Hintergrund lässt den Schluss zu, dass das Werk für den norwegischen Markt gedacht war. Der König gestattete aber nur den Verkauf in Island. Alle Gesetze und Entscheidungen ergingen nunmehr auf Dänisch. Dänisch wurde Amtssprache in Norwegen – aber nicht in Island. Deshalb hat Island seine Sprache weitgehend erhalten können, Norwegen aber nicht. Ein Isländer kann Snorris Heimskringla ohne Schwierigkeiten im Originaltext lesen, ein Norweger nicht.
Fußnoten
Alle Informationen und Schlussfolgerungen sind der aufgeführten Literatur (in der Regel Benedictow) entnommen. Eigene Ansichten und Schlussfolgerungen sind nirgends eingeflossen.
- Lunden S. 610 f.
- Walløe S. 21.
- Benedictow S. 52 f.
- Lunden S. 624.
- Diplomatarium Suecanum Nr. 5702
- Lunden S. 626.
- Storm 1888 S. 275
- Regesta Norvegica Nr. 1158
- Diplomatarium Norvegicum VII, Nr. 230
- Storm 1888 S. 276.
- Benedictow S. 89
- Diplomatarium Norvegicum Nr. 355
- Benedictow
- Benedictow S. 101
- Storm 1888 S. 281 für 1377 und S. 412 für 1379
- Storm 1888 S. 213
- Flatøbogens Annaler, Storm 1888 S. 379–426
- Diplomatarium Norwegicum I Nr. 409
- Sandnes 1971 S. 215 ff.
- Benedictow S. 178
- Diplomatarium Norvegicum I Nr. 409
- Journal of Hygiene 1906–1914
- Die erste urkundliche Erwähnung von Branntwein in Norwegen
- Diplomatarium Norvegicum Bd. 9 Nr. 644
- Diplomatarium Norwegicum Bd. 13 Nr. 686
- Ackerknecht, S. 30
- Pedersøn S. 3
- Benedictow S. 213
- Moseng (1996) S. 465.
- NRR Bd. 3 Nr. 320 v. 17. November 1593
- Hofnagel S. 179
- Storm 1880 S. 150 ff.
- Erichsen; Huitfeldt-Kaas S. 279
- In der Heimskringla, Ólafs saga helga, wird geschildert, wie die Königinmutter Ásta ihr Haus für den Besuch Olavs vorbereitet: „Sie beauftragte vier Frauen mit der Ausstattung der Gaststube. Sie sollten diese schleunigst mit Teppichen und die Bänke mit Polstern versehen. Zwei Männer trugen Stroh auf den Fußboden …“
- Holmsen S. 293 f.
- Brevbøger Bd. 14, S. 469
- Corpus Constitutionem … 1897, S. 75 f.
- Seierstadt S. 560
- Daae S. 286; Fladby S. 270
- Hofnagel S. 201 nennt sie „Kinderpocken“
- Schofield S. 118 f. für die englische Stadt Colyton in den Jahren 1645–1646
- Sprauten S. 361
- Benedictow S. 302 f.
- Collett S. 324
- Benedictow S. 311 f.
- Collett S. 322
- Benedictow S. 125; ganz herrschende Meinung unter skandinavischen Historikern
Literatur
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- Gustav Storm: Annalistiske Optegnelser fra norske Lovbøger i 16de Aarhundrede. Personalhistorisk Tidsskrift I, 1880, S. 147–154.
- Gustav Storm: Islandske Annaler inntil 1578. Christiania 1888.
Weblinks
- Eine digitalisierte Fassung der Tagebücher von Absalon Pederssøn über die Seuchen in Bergen 1552–1572. Es ist die beste Quelle für die Seuchen in Bergen zu dieser Zeit.