Paul Widmer
Paul Widmer (* 14. Januar 1949 in Wattwil; Heimatort Mosnang)[1][2][3] ist ein Schweizer Diplomat und war Lehrbeauftragter für internationale Beziehungen an der Universität St. Gallen.[4]
Leben
Widmer wuchs im Ortsteil Grämigen von Bütschwil mit drei Geschwistern auf.[5] Er absolvierte das Gymnasium im Kollegium St. Michael in Freiburg im Üechtland und schloss mit der Matura Typ A ab. Dann studierte er Geschichte und Philosophie an der Universität Zürich, wo er 1983 mit der Dissertation Die unbequeme Realität. Studien zur Niedergangsthematik in der Antike promoviert wurde.[2] Anschliessend verbrachte er ein Forschungsjahr bei Reinhart Koselleck am Zentrum für interdisziplinäre Forschung in Bielefeld.[6] 1977 trat er in den diplomatischen Dienst der Schweiz ein. Sein erster Auslandsposten führte ihn nach New York, zuerst zum Generalkonsulat, dann zur Ständigen Beobachtermission bei den Vereinten Nationen. Im Jahr 1979 wurde er als diplomatischer Mitarbeiter in die Politische Abteilung I der Zentrale berufen. Von 1983 bis 1984 arbeitete er am Institute for East-West Security Studies in New York, anschliessend als Botschaftssekretär in Washington. Dort wurde er 1987 zum Botschaftsrat ernannt. Ab 1989 leitete er den KSZE (OSZE)-Dienst im Aussenministerium in Bern und von 1992 bis 1999 die Schweizerische Vertretung in Berlin.[2] 1999 wurde er Botschafter in Kroatien und 2003 in Jordanien.[2] Ab 2007 war er als ständiger Vertreter der Schweiz beim Europarat in Strassburg eingesetzt.[3] Von Ende 2011 bis Anfang 2014[7] war er nichtresidenter Botschafter beim Heiligen Stuhl.[8]
2014 veröffentlichte er das Werk Diplomatie: Ein Handbuch, das künftige Diplomaten in ihre Tätigkeit einführen soll.[9] Das Handbuch umfasst Geschichte, Theorie und Praxis der Diplomatie[10], die Widmer als «Machtpolitik in gesitteter Gestalt» bezeichnet.[11]
Die Kulturstiftung der Grossbank UBS zeichnete ihn 2002 als Essayist aus.[12] Von 2016 bis 2021 schrieb er als Gastkolumnist eine Kolumne in der NZZ am Sonntag.[13][14]
Den Zeitungen der CH Media, der NZZ und dem SonntagsBlick gewährte er 2023 Interviews, welche sich hauptsächlich auf sein neu erschienenes Buch Die Schweiz ist anders – oder sie ist keine Schweiz mehr bezogen. Dabei nennt er vier Besonderheiten der Schweiz: direkte Demokratie, Föderalismus, Neutralität und Mehrsprachigkeit.[15][16][17][18] Zur Bewahrung dieser Besonderheiten im Verhältnis der Schweiz mit der Europäischen Union rief er dazu auf, dass die Schweiz bei den entsprechenden Verhandlungen den kühlen Kopf bewahren solle.[19]
Widmer wohnt in Bern.[9]
Werke
Widmer verfasste mehrere politische und historische Bücher, darunter:
- Die Schweizer Gesandtschaft in Berlin. Mit einem Beitrag über Peter Gross S.370-374. Geschichte eines schwierigen diplomatischen Postens. NZZ Libro, Zürich 1997, ISBN 3-85823-683-7.
- Schweizer Aussenpolitik und Diplomatie. Von Pictet de Rochemont bis Edouard Brunner. NZZ Libro, Zürich 2003, ISBN 3-03823-632-2.
- Die Schweiz als Sonderfall. Grundlagen – Geschichte – Gestaltung. NZZ Libro, Zürich 2007, ISBN 978-3-03823-495-1.
- Minister Hans Frölicher. Der umstrittenste Schweizer Diplomat. NZZ Libro, Zürich 2012, ISBN 978-3-03823-779-2.
- Diplomatie. Ein Handbuch. NZZ Libro, Zürich 2014, ISBN 978-3-03823-881-2.
- Bundesrat Arthur Hoffmann. Aufstieg und Fall. NZZ Libro, Zürich 2017, ISBN 978-3-03810-253-3 (Leseprobe).
- Die Schweiz ist anders – oder sie ist keine Schweiz mehr. NZZ Libro, Basel 2023. ISBN 978-3-907396-40-7.
Weblinks
- Publikationen von und über Paul Widmer im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
- Persönliche Website von Paul Widmer
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Paul Widmer bei Perlentaucher.
- Paul Widmer, Universität St. Gallen, mit Publikationsverzeichnis
- Die Welt: Von der hohen Kultur der Diplomatie, 1. Juli 1999
- Dokumente von und über Paul Widmer in der Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz
Einzelnachweise
- Paul Widmer. dodis.ch, abgerufen am 17. Juli 2023
- Bundesverwaltung der Schweizerischen Eidgenossenschaft: Ernennungen im EDA, Kurzbiografie
- NZZ-Podium: Achtung Schweiz! – Zur Lage der Nation, 22. September 2011
- Universität St. Gallen: Personenverzeichnis. Paul Widmer. Abgerufen am 10. Februar 2014
- Thomas Zaugg: Seitenhiebe eines Ex-Diplomaten. In: Tages-Anzeiger vom 2. Juli 2014, S. 24 (Rezension zu Diplomatie. Ein Handbuch).
- Universität Bielefeld, Zentrum für interdisziplinäre Forschung, Jahresbericht 1977, 35
- Radio Vatikan: Papst prangert Waffenhandel an 15. Mai 2014
- Radio Vatikan: Schweiz-Botschafter: „Beziehung mit Vatikan vertiefen“, 15. Dezember 2012
- Urs Hafner: Zu Besuch bei Paul Widmer, Neue Zürcher Zeitung online vom 7. April 2014, abgerufen am 24. Juli 2014
- Rainer Blasius: Schlummernde Beziehungen, Frankfurter Allgemeine Zeitung online vom 26. Mai 2014, abgerufen am 24. Juli 2014
- Wolf Lepenies: Der Westen braucht einen neuen Holbrooke., Die Welt online vom 26. Mai 2014, abgerufen am 24. Juli 2014
- Neue Zürcher Zeitung: Hinter den Kulissen der Diplomatie, 29. Juni 2003
- Liebe Leserinnen, liebe Leser. In: NZZ am Sonntag vom 10. Januar 2016, S. 2.
- NZZ am Sonntag, 2. Januar 2022, S. 2.
- Stefan Bühler und Doris Kleck: Würden sich alle Staaten so verhalten, hätten man Frieden auf Erden. In: Oltner Tagblatt, 2023-06-14. Abgerufen am 2023-12-16.
- Marc Tribelhorn und Christina Neuhaus: Wir haben eine Passion für Dramatisierung. In: NZZ, 2023-06-20, S. 9. Abgerufen 2023-12-12.
- Benno Tuchschmid und Zamir Loshi: Schweizer Eliten sind weniger neutralitätsfreundlich als das Volk. In: Der Blick, 2023-07-15. Abgerufen am 2023-12-16.
- Benno Tuchschmid: Sind wir noch neutral? In: Sonntagsblick, 2023-07-16, S. 13–15. Abgerufen 2023-12-11.
- Paul Widmer: Werden wir die EU jemals lieben? In: NZZ am Sonntag, 2023-12-30. Abgerufen am 2024-01-02.