Partherkrieg des Lucius Verus

Der Partherkrieg des Lucius Verus war eine Auseinandersetzung zwischen dem Römischen Reich und den Parthern in den Jahren 161 bis 166 nach Christus.

Quellenlage

Reliefplatte des „Partherdenkmals“ von Ephesos

Da es an schriftlichen, zeitgenössischen und direkten Quellen mangelt, ist man in großen Teilen auf Münzen und das sogenannte Partherdenkmal aus Ephesos, dessen Interpretation aber umstritten ist, angewiesen. Einige Hinweise auf den Partherkrieg gibt auch Lukian von Samosata in seinem Werk Wie man Geschichte schreiben soll, in welchem er die Geschichtsschreiber des Partherkriegs für deren Enkomien verspottete, wobei allerdings möglicherweise manche (wenn nicht sogar alle) der genannten Autoren (siehe Crepereius Calpurnianus) fiktiv sind.[1] Auch in der Historia Augusta, die allerdings oft wenig zuverlässig ist, finden sich einige Informationen.

Verlauf

Vorgeschichte und Kriegsausbruch

Mit dem Kaiserwechsel in Rom glaubte sich der parthische Großkönig Vologaeses III. (IV.) offenbar stark genug, um in die Herrschaftsverhältnisse des römischen Klientelkönigtums Armenien zu seinen Gunsten einzugreifen. Anscheinend hatten sich bereits zuvor über längere Zeit Spannungen aufgebaut. Nicht unmöglich ist, dass der Partherkönig einem römischen Angriff durch einen Präventivschlag zuvorkommen wollte, denn in den vorangegangenen Jahren hatte Rom starke Truppen an der Ostgrenze konzentriert.[2] Vologaeses setzte jedenfalls eigenmächtig einen neuen König in Armenien ein, den aus dem parthischen Königshaus der Arsakiden stammenden Pacorus, und verstieß damit gegen alte Absprachen mit Rom, denen zufolge der armenische König zwar von den Parthern auszusuchen, aber von den Römern einzusetzen war. Gleichzeitig bereitete er sich auf einen römischen Gegenschlag vor, der unter Marcus Sedatius Severianus, dem Statthalter von Kappadokien, auch rasch erfolgte. Dieser schlecht vorbereitete römische Vorstoß konnte aber im Frühsommer oder Spätherbst 161 durch den parthischen Feldherren Chosroes bei Elegeia erfolgreich zurückgeschlagen werden, wobei Severianus im Angesicht der Niederlage Selbstmord beging und sein Heer innerhalb weniger Tage vollständig aufgerieben wurde. Bei dieser Gelegenheit scheint die legio IX Hispana komplett vernichtet worden zu sein. Nach der römischen Niederlage nutzten die Parther die Situation aus und stießen plündernd bis nach Kappadokien vor.

Geopolitische Lage im Jahre 110 n. Chr. vor dem Partherkrieg des Trajans (Regierungszeit 98–117 n. Chr.), es zeigt sich eine ähnliche Situation wie unter Hadrian (Regierungszeit 117–138 n. Chr.) und Antoninus Pius (Regierungszeit 138–161 n. Chr.). Die Osrhoene war zu dieser Zeit nicht Teil des Imperium Romanum, stand allerdings unter römischem Einfluss.

Die römische Gegenoffensive

Denar des Marcus Aurelius, Rückseite mit der gefangenen Armenia

Die römische Gegenoffensive wurde mit starken Verbänden durchgeführt, die aus dem ganzen Imperium zusammengezogen wurden; so bezeugt eine Inschrift aus Rom (ILS 1098), dass die komplette legio I Minervia aus Bonn in den Kaukasusraum verlegt wurde. Das Oberkommando über die römischen Truppen wurde von Marc Aurel dem iunior Augustus Lucius Verus übertragen, der wohl 162 in Rom aufbrach und Anfang 163 sein Hauptquartier in Antiochia am Orontes einrichtete. Noch im selben Jahr eroberte Statius Priscus, ein Feldherr des Lucius Verus, Armenien zurück, woraufhin Lucius Verus sich mit dem Epitheton Armeniacus schmückte. Marcus Claudius Fronto stieß anschließend offenbar vom Kaukasus aus mit starken Kräften nach Süden vor. 164 erzwang dann der römische General Avidius Cassius bei Zeugma den Euphratübergang. In der Folge besetzten verschiedene römische Heeresteile mehrere parthische Gebiete, etwa das Fürstentum Osrhoene in Nordmesopotamien sowie die strategisch wichtigen Städte Dura-Europos und Nisibis. Noch 165 nahm Cassius die parthische Doppelhauptstadt Seleukia-Ktesiphon ein, plünderte Seleukia und brannte in Ktesiphon die parthische Hauptresidenz nieder, bevor er sich wieder zurückzog. Nach diesem Erfolg nahm Lucius Verus auch die Akklamation als Parthicus Maximus entgegen (wohl auf Druck seines Mitkaisers nannte er sich fortan aber nur Parthicus). Da Avidius Cassius 166 noch weiter in das Partherreich eindrang und plündernd bis nach Medien vorstieß, fügte Lucius Verus seiner Siegestitulatur schließlich auch noch den Titel Medicus hinzu.

Infolge der militärischen Niederlagen bat der parthische Großkönig, der sich ins iranische Hochland zurückgezogen hatte, schließlich um Frieden, der ihm gewährt wurde. Avidius Cassius führte die Truppen in das Römische Reich zurück. Allerdings hatten sich einige seiner Leute mit einer Seuche angesteckt, die im verwüsteten Seleukia-Ktesiphon ausgebrochen war. Nun verbreitete sich diese Krankheit epidemisch, wurde ins Imperium eingeschleppt und entwickelte sich zu einer der größten Seuchenkatastrophen des Altertums (die so genannte Antoninische Pest – wahrscheinlich ein sehr virulenter Pockenstamm).

Große dauerhafte territoriale Erwerbungen blieben zwar aus (vielleicht aufgrund der Schwächung der östlichen Provinzen infolge der Ausbreitung der Krankheit), doch hatte sich Rom fähig gezeigt, die Ostgrenze zu halten und zu sichern. Teile Nordmesopotamiens blieben zudem wohl unter indirekter römischer Kontrolle und wurden schließlich von Septimius Severus als die beiden Provinzen Osrhoene und Mesopotamia organisiert und so formal Bestandteil des Imperium Romanum.

Innenpolitisch störte der militärische Erfolg des Lucius Verus die Machtbalance zwischen ihm und dem senior Augustus Marc Aurel. Wohl aus diesem Grund erhob dieser noch 166 seine beiden kleinen Söhne zu Caesares, um den Herrschaftsanspruch seiner Familie zu betonen. Am selben Tag, dem 12. Oktober 166, feierten die beiden Kaiser gemeinsam einen großen Triumph, obwohl Marc Aurel an dem Sieg keinen Anteil gehabt hatte. Gut möglich ist zudem, dass man die Rolle, die der bereits 169 verstorbene Verus bei dem Feldzug spielte, später absichtlich kleinredete.

Literatur

  • Anthony Birley: Mark Aurel. Kaiser und Philosoph. München 1968.
  • Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin. 2. Auflage, München 1992, S. 332–338.
  • Peter Edwell: Between Rome and Persia. The Middle Euphrates, Mesopotamia, and Palmyra under Roman Control. London 2008.
  • Udo Hartmann: Die imperiale Politik des Vologaises III. und das bellum Parthicum des Lucius Verus. In: Anabasis 10, 2019, S. 161–213 (grundlegende Studie).
  • Klaus Schippmann: Grundzüge der parthischen Geschichte. Darmstadt 1980.
  • Karl Strobel: Zeitgeschichte unter den Antoninen. Die Historiker des Partherkrieges des Lucius Verus. In: Wolfgang Haase (Hrsg.): Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung. Teil II: Principat. Band 34, Berlin 1993, S. 1315–1360.
  • Karl-Heinz Ziegler: Die Beziehungen zwischen Rom und dem Partherreich. Ein Beitrag zur Geschichte des Völkerrechts. Wiesbaden 1964.

Zum Partherdenkmal aus Ephesos:

Anmerkungen

  1. Vgl. Strobel, Zeitgeschichte unter den Antoninen, S. 1334ff.
  2. Vgl. Peter Weiß: Militärdiplome und Reichsgeschichte. Der Konsulat des L. Neratius Proculus und die Vorgeschichte des Partherkriegs unter Marc Aurel und Lucius Verus. In: Rudolf Haensch, Johannes Heinrichs (Hrsg.): Herrschen und Verwalten. Der Alltag der römischen Administration in der Hohen Kaiserzeit. Köln 2007, S. 160–172.
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