Ovoid (Gestaltungselement)

Als Ovoid werden eiförmige dreidimensionale Körper bezeichnet. Auch abgerundete Rechtecke oder Trapeze, die in zweidimensionalen Tierdarstellungen oder Darstellungen humanoider Formen der Völker der Nordwestküste Nordamerikas, z. B. der Kwakiutl, Haida und Tlingit eine große Rolle spielen, werden so genannt. Diese auf die Kunst der Nordwestküstenvölker bezogene Begriffsverwendung wurde von Bill Holm geprägt.

Darstellung eines Raben mittels Ovoiden durch einen Künstler der Tlingit, ca. 1810

Ovoide in der Kunst der Völker der amerikanischen Nordwestküste

Brett mit Webmustervorlagen, Tlingit, ca. 1880

Ovoide sind oben häufig mit dickerem Strich (formline) gezeichnet und konvex, unten häufig dünner und gerade oder konkav. Sie können mit Gesichtern, Gesichtselementen wie Augen oder auch mit anderen Ovoiden gefüllt sein. Tierkörper werden häufig zu einer nichtlinearen Ansammlung von Ovoiden mit einem kompakten Außenumriss dekomponiert (siehe Abbildung).

Umgekehrt werden Ovoide zu komplexen Mustern zusammengesetzt, die eine Simultanperspektive auf verschiedene Aspekte eines Lebewesens oder einer mythischen Figur erzeugen. Negative Aussparungen in Ovoiden ergeben oft neue Formen. In der Webkunst werden diese Muster z. T. mit Hilfe von Schablonen erzeugt.

Grabzeichen der Kwakiutl in Form eines Kupferschilds, spätes 19. Jahrhundert, heute im Brooklyn Museum

Ovoide und die anderen typischen Elemente der Nordwestküstenkultur wie Formlinien, gefüllte oder gespaltene U-förmige Flächen oder dicke S- und T-förmige Elemente werden auch als Nordwestküstenalphabet bezeichnet. Die kunstvolle Variation von Ovoid-Darstellungen hat sich in der Malerei der Nordwestküstenvölker bis heute erhalten und stellt eines ihrer „Markenzeichen“ dar.

Andere Verwendungen des Ovoids in der Kunst

Altarbild des Piero della Francesca mit dem Abbild des Stifters Federico da Montefeltro (um 1472)

Viel diskutiert wurde die Bedeutung des Ovoids auf dem Altarbild Pala Montefeltro des Piero della Francesca. Dabei handelt es sich vermutlich um ein Straußenei. Der Brauch, Straußeneier in Sakralbauten aufzuhängen, ist in der koptischen Kirche seit dem 13. Jahrhundert und ebenfalls bei armenischen, griechisch-orthodoxen, lateinischen und nestorianischen Christen sowie im Islam nachweisbar. Im alten Ägypten diente das Straußenei als Symbol für die Einheit der Welt. Die symbolische Bedeutung im Mittelalter bezog sich wohl auf das Verhalten des Straußenvogels zu seinen Eiern, was als Sinnbild für das Verhältnis des Menschen zu Gott aufgefasst wurde.[1] Das Straußenei wurde auch für Eierorakel verwendet. Später symbolisierte es Geburt, Leben und Auferstehung und fand so Einzug in österliche Bräuche.

Constantin Brâncuși: Porträt von Mademoiselle Pogany (1912)

Der rumänische Bildhauer Constantin Brâncuși (1876–1957) arbeitete wie andere expressionistische Künstler häufig mit ovoiden Grundformen.

Die Skulptur Komposition aus dem Ovoid von Georges Vantongerloo (1918) besteht aus rechteckigen Holzklötzern und hat nicht die Form eines Ovoids.

Literatur

  • Bill Holm: Northwest Coast Indian Art: An Analysis of Forms. Seattle. University of Washington Press 1965. ISBN 978-0295951027
  • Audrey Hawthorn: Kwakiutl Art. University of Washington Presse 1979.
  • Daina Augaitis, Marianne Jones, Peter L. Macnair: Raven Travelling: Two Centuries of Haida Art. Greystone Books Canada / Seattle: University of Washington Press 2008.

Einzelnachweise

  1. Sebastian Bock: The “Egg” of the Pala Montefeltro by Piero della Francesca and its symbolic meaning. Freiburg i.Br./Heidelberg 2002. Online (PDF; 6,0 MB)
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