Otto Kühne

Otto Kühne (Pseudonym Friedrich Kuhlmann; * 12. Mai 1893 in Berlin; † 8. Dezember 1955 in Brandenburg an der Havel) war ein deutscher Politiker, Gewerkschaftsfunktionär und Widerstandskämpfer. Er war Mitglied des Zentralkomitees der KPD, während des Spanischen Bürgerkrieges Interbrigadist, Kommandeur (Oberstleutnant) in der französischen Widerstandsbewegung Résistance, Leiter der Hauptverwaltung Verkehr in der Deutschen Wirtschaftskommission und Oberbürgermeister von Brandenburg/Havel.

Ausbildung und Gewerkschaftsfunktionär

Als Sohn eines Arbeiters erlernte er den Beruf eines Maschinenarbeiters, in dem er bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 arbeitete. In die Gewerkschaft war er bereits 1912 eingetreten. Während des Ersten Weltkrieges diente er aktiv in der Armee bis 1916 und war daraufhin – abkommandiert – in einem Betrieb des Eisenbahnwesens beschäftigt. Als Mitglied der USPD, der er im Jahr 1919 beigetreten war, wechselte er mit dem linken Flügel der Partei Ende 1920 zur KPD.

Nach der Entlassung aus dem Militärdienst im Jahre 1918 nahm er bis 1925 eine Stelle im Bahnbetriebswerk Pankow ein. Ab 1922 übernahm er eine hauptamtliche Position bei einer kommunistischen Gewerkschaft, die sich vom freigewerkschaftlichen Deutschen Eisenbahner-Verband abgespalten hatte und sich Freier Eisenbahnerverband nannte. Als Vorsitzender leitete Kühne den Gesamtbetriebsrat der Reichsbahn in Berlin. Im Reichsverkehrsministerium war er Mitglied im Hauptbetriebsrat. Seit 1925 gehörte er der Bezirksleitung der KPD in Berlin an und wurde auf dem X. Parteitag der KPD als Kandidat in das ZK der KPD gewählt. Die 1. Parteikonferenz der KPD wählte ihn im Oktober 1925 zum Vollmitglied des ZK.

Gewerkschaftsfrage, Komintern und Emigration

Kühne nahm in der Frage der Selbständigkeit und Einheit der Gewerkschaften eine schwankende Stellung ein. Zuerst befürwortete er die Mitarbeit in den freien Gewerkschaften, dann schloss er sich den „Linken“ um Ruth Fischer (1895–1961) an, welche 1924/25 die Gewerkschaftsspaltung und die Gründung „roter Verbände“ propagierten. Im Oktober 1925 wurde er zur Komintern nach Moskau für die KPD entsandt. Als er 1927 zurückkehrte, hatte er seinen Posten im ZK auf dem XI. Parteitag in Essen verloren, da er nicht mehr nominiert wurde. Von 1931 bis 1933 wirkte er als Sekretär der Reichstagsfraktion der KPD.

Im Zuge der Verfolgungen nach dem Reichstagsbrand wurde er am 28. Februar 1933 verhaftet. Als Folge eines Fehlers der Behörden kam er am 13. März 1933 frei und tauchte unter dem Pseudonym Friedrich Kuhlmann unter. Im Juli 1933 gelang ihm die Flucht nach Dänemark. Von dort aus reiste er nach Norwegen, wo er die Leitung der deutschen Flüchtlinge übernahm, die nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 Deutschland verlassen mussten.

Internationale Brigaden, Résistance und Widerstandskampf

Mehrere Reisen führten ihn nach seiner Emigration in verschiedene Länder Europas. In England trat er als Zeuge in einem Untersuchungsprozess über den Reichstagsbrand auf. Ab Mai 1937 bis August 1938 kämpfte er während des Spanischen Bürgerkrieges in den Reihen der XI. Internationalen Brigade, wobei er zuletzt die Aufgaben eines Brigadekommissars wahrnahm. Im Dezember 1938 flüchtete er nach Paris und wurde später in La Rochelle interniert.

Im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde Otto Kühne im Lager Libourne interniert; 1940 gelang ihm die Flucht nach Marseille. Er wurde jedoch erneut verhaftet und ins Internierungslager Chanac überstellt. Als Zwangsarbeiter gehörte er dort einer Groupe de Travailleurs Étrangers (GTE; Gruppe ausländischer Arbeiter) an und wurde im Stahlwerk von Saint-Chély-d’Apcher eingesetzt.[1]

Kühne gründete in Saint-Chély eine aus ehemaligen deutschen Mitgliedern der Internationalen Brigaden bestehende fünfköpfige Widerstandsgruppe, die Mitte März 1943 aufgrund einer Warnung nach Marvejols in Sicherheit gebracht wurde. Die Männer versteckten sich dann in den Wäldern zwischen La Blatte und dem Col de Bonnecombe und gründeten den ersten Maquis im Lozère.[1]

Im Herbst 1943 ging Kühne in die Cevennen und baute dort mit anderen zusammen eine Widerstandsbewegung gegen die nationalsozialistisch-deutsche Okkupation auf.[2]

Kühne übernahm später die Leitung der Interregion Nîmes[3] der M.O.I („Mouvement Ouvriers International“). Otto Kühne kommandierte eine Gruppe von 2700 Kämpfern, mit denen er an der Befreiung der Departements Gard, Ardèche und Lozère beteiligt war. Im Juni 1943 wurde er zum Oberstleutnant (Lieutenant-Colonel) befördert.

Funktionen in der SBZ/DDR und Abberufung

Grabstätte

In Marseille leitete er ab Oktober 1944 die deutsche Sektion der KP in der Provence. Nach Deutschland kehrte er im Mai 1945 zurück, um im Raum Trier und Koblenz Strukturen der KP aufzubauen. Nach Berlin kam er im Juli 1945, um dort die Position des Vizepräsidenten der Deutschen Zentralverwaltung (DZW) für Verkehr zu übernehmen. In der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) wirkte er als Leiter der Hauptverwaltung für Verkehr.

Im Zuge der politischen Überprüfungen wurde er 1949 seiner Aufgaben enthoben, da man offensichtlich seine hohe Stellung in der Résistance als politische Belastung ansah. Diese Hindernisse stellten sich aber bald nicht mehr, als er im Dezember 1949 zum Oberbürgermeister von Brandenburg an der Havel eingesetzt wurde.

Nach dem Volksaufstand im Juni 1953 musste Otto Kühne als Oberbürgermeister zurücktreten, weil er nach Ansicht der SED nicht entschlossen genug gegen die Demonstranten aufgetreten war. Man warf ihm kapitulantenhaftes Verhalten vor und er erhielt daraufhin eine Strenge Rüge.

Nach seinem Tod 1955 wurde er innerhalb des Berliner Zentralfriedhofs Friedrichsfelde am Pergolenweg beigesetzt.[4]

Gedenkort

Nahe dem Col de Bonnecombe befindet sich das Mémorial du Maquis de Bonnecombe. (Lage) Es ist Otto Kühne und seinen Kameraden gewidmet:

Mémorial du Maquis de Bonnecombe
  • Fred Bucher Bucher (* 26. Januar 1898 in Pauschwitz) wurde am 29. Mai 1944 als Mitglied des Maquis Bir-Hakeim beim Massaker von La Borie/Lozère ermordet.[5]:S. 38
  • Werner Feiler (* 19. Oktober 1913 in Chemnitz – † 9. Februar 1979) ging im Februar 1938 nach Spanien, um in der XI. Internationalen Brigade zu kämpfen. Im Zuge der Retirada kam er im Februar 1939 nach Frankreich und durchlief mehrere Internierungslager, bevor er sich der Résistance anschloss.[5]:S. 54
  • Karl Klausing (* 11. Februar 1902 in Berlin) war kommunistischer Stadtverordneter in Berlin und emigrierte 1934 in die Tschechoslowakei. Vom Februar 1937 bis September 1938 kämpfte er in der XI. Internationalen Brigade und begab sich im September 1938 nach Frankreich, wo er über das Internierungslager Chanac den Weg in die Résistance fand. Auch er war Angehöriger der Gruppe Bir Hakeim und arbeitete für das Komitee Freies Deutschland für den Westen (CALPO) im Département Gard.[5]:S. 102
  • Willi Müller (* 25.4.1899) war seit 1923 KPD-Mitglied und ebenfalls Kämpfer in der Gruppe Bir Hakeim.[5]:S. 149

Eine weitere Gedenktafel dort erzählt ausführlich die „Geschichte des Maquis de Bonnecombe“, der anfangs nur aus diesen fünf Deutschen bestand.[6]

Literatur

Einzelnachweise

  1. L’Association « Pour le Souvenir du Camp de Rieucros »: Le groupe départemental de travailleurs étrangers N° 321 à Chanac
  2. Ausführlich hierzu und Kühnes Rolle dort: Brès Éveline, Brès Yvan: Des maquisards allemands dans les Cévennes, in: Hommes et Migrations, n°1276, Novembre-décembre 2008. Soldats de France. pp. 60–69 (Online auf Persée.fr)
  3. Événements Otto Kühne (Memento des Originals vom 22. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.resistance-gard.fr franz.
  4. Grabstätte auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde (Memento des Originals vom 19. September 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sozialistenfriedhof.de
  5. Gottfried Hamacher et al.: Gegen Hitler. Deutsche in der Résistance
  6. Eine besser lesbare Variante der in französischer Sprache verfassten Gedenktafel befindet sich auf der Webseite von Henri Paturel: le Maquis de BONNECOMBE , les résistants allemands en France, 3. Mai 2019
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