Otto Hermann Fritzsche
Otto Hermann Fritzsche (* 15. März 1882 in Leipzig; † 4. Juni 1908 in Meine) war ein deutscher Offizier zur See und Konstrukteur des ersten Marineflugzeugs.
Leben
Otto Fritzsche, der Sohn des Leipziger Fabrikanten Hermann Traugott Fritzsche aus dessen zweiter Ehe mit Anna Dorothea Luise Brucker (1854–1903), besuchte von Ostern 1892 bis zum 31. Dezember 1896 das Königliche Gymnasium seiner Vaterstadt, welches er in der Untertertia verließ.[1]
Da er wenig Neigung zum Kaufmannsberuf entwickelte, trat er am 7. April 1900 als Seekadett in die Deckoffiziers-Schule der Kaiserlichen Marine in Kiel ein. Um den jungen Offiziersanwärter, bei dem sich die nonchalante Souveränität eines Sprosses aus vermögendem Hause mit einer entwaffnenden Offenheit und sächsischem Mutterwitz auf das Glücklichste verband, rankten sich bald eine Vielzahl von Bonmots und Anekdoten, die ihn bei Vorgesetzten und Mannschaft gleichermaßen bekannt und beliebt machten.
Sein Interesse und Verständnis für alle technischen Neuerungen führten ihn frühzeitig zum Motorsport und zur Beschäftigung mit dem Bau von Luftfahrzeugen.
Als er im Jahr 1901 von den Flugversuchen der Gebrüder Wright erfuhr, ließ er sich von seinem Bruder Karl, der zu dieser Zeit die amerikanische Niederlassung der väterlichen Firma betreute, Konstruktionszeichnungen und Fotos der Wrightschen Fluggeräte aus Chicago übermitteln und begann eigene Modelle zu entwickeln.
Nachdem er durch den frühzeitigen Tod seines Vaters in den Besitz eines beträchtlichen Vermögens gelangt war, beauftragte er im Winter 1906 die Maschinenbaufirma Mordhorst in Kiel ein Flugzeug nach seinen Plänen herzustellen. Am 28. Juni 1908 wollte er mit dem von ihm konstruierten Eindecker an einem anlässlich der Kieler Woche stattfindenden Flugtag teilnehmen.
Zuvor begab er sich in das Opel-Werk nach Rüsselsheim, um dort den von ihm konstruierten und bestellten Rennwagen abzuholen, mit dem er vom 9. bis 17. Juli 1908 an der Prinz-Heinrich-Fahrt über die Strecke Berlin–Stettin–Kiel–Hamburg–Hannover–Köln–Trier–Frankfurt/a. M. teilnehmen wollte. Auf der Rückfahrt von Rüsselsheim geriet sein Fahrzeug in Meine bei einem Ausweichmanöver ins Schleudern und kippte um. Von den vier Insassen wurden Oberleutnant zur See Otto Fritzsche und ein Begleiter, der Kapitänleutnant Aßmann, aus dem Wagen geschleudert und dabei tödlich verletzt.
Die Beerdigung des populären Offiziers, Motorsportlers und Luftfahrtpioniers fand unter großer Teilnahme der Öffentlichkeit in der Familiengruft auf dem Neuen Johannisfriedhof in Leipzig statt.
Die weitere Entwicklung des Fritzsche-Eindeckers
Durch den plötzlichen Tod seines Konstrukteurs konnte das Fritzsche-Flugzeug auf dem Flugtag in Kiel lediglich ausgestellt werden.
Das Flugzeug besaß drei Tragflächenpaare mit einer Gesamtfläche von 33 m² und einen 70 PS Motor. Die vierblättrige Luftschraube wurde durch eine Fernwelle angetrieben. Für die damalige Zeit besaß der Motor – eine Eigenkonstruktion von Mordhorst – ein sehr günstiges Verhältnis zwischen Gewicht und Leistung: für 1 PS betrug das Gewicht weniger als 1 kg. (...) Der Rumpf hatte 3 Laufräder und war 11 m lang. Das gesamte Flugzeug wog 320 kg.[2]
Ottos älterer Bruder, Karl August Fritzsche, übernahm die Finanzierung der Weiterentwicklung des Fritzsche-Flugzeugs, für die der Marine-Oberingenieur Karl Loew (* 1869) gewonnen werden konnte. Nach dem Einbau eines 70-PS Daimler-Motors mit 4 Zylindern und der Montage von Etrich-Rumpler-Tragflächen erfolgte im Frühjahr 1911 die Abnahme des Flugzeugs auf dem Flugplatz Johannisthal.
Am 18. Juni 1911 startete Karl Loew und sein Fluggast, Kapitänleutnant Busch, mit der Fritzsche-Etrich-Taube von Sonderburg auf der Insel Alsen zum ersten Überseeflug nach Kiel. Dieser 85 km lange Flug, der in Abschnitten von 60 km über die Fördelandschaft der westlichen Ostsee führte, wird seitdem als Beginn der Seefliegerei von den deutschen Marinefliegern für sich reklamiert.[3]
Der durch diesen Flug berühmt gewordene Eindecker wurde im Sommer 1911 durch seinen Besitzer, Karl August Fritzsche, der Kaiserlichen Marine zum Geschenk gemacht. In der Kaiserlichen Werft in Danzig konstruierte man im Sommer 1912 zu den Fahrgestellrädern Notschwimmer und machte somit das Fritzsche-Flugzeug, das das Marinekennzeichen E 1 erhielt, zum ersten Flugzeug der Marine.
Auf dem Seeweg wurde es in die deutsche Kolonie Tsingtau nach China verbracht, wo es als Aufklärungsflugzeug genutzt werden sollte. Bei seinem ersten Start, am 31. Juli 1914, stieß das Flugzeug mit seinem Piloten Müllerkowski gegen einen Berg, wobei es vollständig zerstört wurde. Aufgrund der rasanten technischen Entwicklung wurden keine weiteren Modelle dieses Prototyps in Auftrag gegeben.
Literatur
- Georg-Günther Freiherr von Forstner: Der Luftpionier Otto Fritzsche, E.A. Seemann, Leipzig 1941.
- Jürgen Losch: Die Geschichte der deutschen Seeflieger, Vortrag vor dem Militärhistorischen Arbeitskreis Bonn-Rheinbach, gehalten am 6. August 2007. Onlinefassung als PDF-Dokument
Weblinks
- Bilder des Fritzsche-Eindeckers (PDF; 3,0 MB) auf seeflieger.de
Einzelnachweise
- König Albert-Gymnasium (bis 1900 Königliches Gymnasium) in Leipzig (Hrsg.): Schüler-Album 1880–1904/05, Friedrich Gröber, Leipzig 1905.
- Jürgen Losch, S. 2
- Jürgen Losch, S. 3