Ospedale degli Innocenti
Das Ospedale degli Innocenti (dt.: Hospital der Unschuldigen [Kinder]) ist ein Findelkinder- bzw. Waisenhaus in Florenz, das zwischen 1419 und 1445 nach Plänen von Filippo Brunelleschi errichtet wurde.[1] Der Komplex befindet sich an der Piazza Santissima Annunziata und beherbergt heute ein Museum, einen Kindergarten, eine Grundschule und ein Forschungsinstitut der UNICEF. Die Initiative zum Bau verdankt sich der testamentarischen Stiftung von 1000 Goldflorin durch den Prateser Kaufmann Francesco di Marco Datini an das große Florentiner Hospital Santa Maria Nuova. Das Patronat übernahm auf Datinis Wunsch hin die Florentiner Zunft der Seidenmacher und Goldschmiede (Arte di Por Santa Maria). Bis 1875 konnten hier noch anonym Neugeborene abgegeben werden.
Architektur
Der auf Grundlage eines einheitlichen Konzepts errichtete Komplex zeichnet sich durch einen funktionale Anordnung der Gebäudeteile und Innenhöfe aus. Die lange Front zur Piazza Santissima Annunziata besitzt im Erdgeschoss eine Loggia, eine für Hospitäler und karitative Einrichtungen in Italien übliche Bauform. Neu sind hier jedoch die vorgelagerte Freitreppe und vor allem die Verwendung von Vollsäulen aus einem nördlich von Florenz gewonnenem grauen Sandstein (Macigno) mit antikisierenden Kapitellen und halbrunden Bögen. Die rechteckigen Fensteröffnungen im Obergeschoss erhielten eine profilierte Rahmung mit einer tympanonartigen Verdachung. Die antikisierenden Formen haben ihr Vorbild in Baudetails des Anfang des 11. Jahrhunderts erbauten Florentiner Baptisteriums, das nicht nur der angesehenste Sakralbau der Stadt war, sondern als christianisierter Mars-Tempel, also antikes Bauwerk galt. Die Orientierung am Baptisterium belegt insbesondere der in der römisch-antiken Architektur nicht anzutreffende, rahmenartig umgebrochene Architrav – ein "Fehler", den der Gelehrte Antonio di Tuccio Manetti in seiner Vita di Filippo Brunelleschi (um 1480) einem angeblichen Stellvertreter auf der Baustelle zuschreibt. Laut Giorgio Vasaris Lebensbeschreibung des Filippo Brunelleschi soll es sich hierbei um den Kaufmann und Seidenfabrikanten Francesco della Luna gehandelt haben ("Filippo Brunelleschi fu condotto a Milano per fare al Duca Filippo Maria il modello d'una fortezza, [...] a Francesco della Luna, amicissimo suo, lasciò la cura di questa fabbrica degl'Innocenti; il quale Francesco fece il ricignimento d'uno architrave, che corre a basso di sopra, il quale secondo l'architettura è falso: onde tornato Filippo, e sgridatolo perché tal cosa avesse fatto, rispose averlo cavato dal tempio di San Giovanni, che è antico. Disse Filippo: 'Un error solo è in quello edifìzio, e tu l'hai messo in opera'").[2] Auch die Kapitelle erweisen sich bei genauerer Untersuchung nicht als Kopien antiker Kapitelle korinthischer Ordnung, sondern als eigenständige Entwürfe Filippo Brunelleschis.[3]
Die Zwickelflächen zwischen den Bögen wurden 1487 mit Tondi geschmückt, für die Andrea della Robbia variantenreiche Darstellungen von stehenden Wickelkindern schuf. Die Reliefs bestehen aus blau und weiß glasierter Terrakotta.
Museo degli Innocenti
Das 2016 nach einer umfassenden Neugestaltung eröffnete Museum informiert über die Geschichte des Ospedale und zeigt unter anderem Arbeiten von Luca della Robbia, Andrea della Robbia, Sandro Botticelli und Piero di Cosimo. Ausgestellt sind auch die Haupttafel mit einer Anbetung der Könige des ehemaligen Hochaltars der Kirche des Waisenhauses. Sie wurde 1485–1488 von Domenico Ghirlandaio und seiner Werkstatt geschaffen. Die zugehörige Predella stammt von Bartolomeo di Giovanni; die Rahmung des Retabels ist verloren.
Literatur
- Cornelius von Fabriczy: Filippo Brunelleschi, sein Leben und seine Werke. Cotta, Stuttgart 1892, S. 245–259., (archive.org)
- Christoph Bertsch, Philine Helas (Hrsg.): Florenz in der frühen Neuzeit. Stadt der guten Augen und bösen Zungen. Gebrüder Mann Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-7861-2691-1.
- Heinrich Klotz: Filippo Brunelleschi. Seine Frühwerke und die mittelalterliche Tradition. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1990, ISBN 3-421-02989-X.
Einzelnachweise
- Philine Helas: "Non si truova in alchuna parte maggore quantità di spedali, nè ttanto dengni...". Bildprogramme der Sozialfürsorge und karitative Topographie. In: Philine Helas, Christoph Bertsch (Hrsg.): Florenz in der frühen Neuzeit. Stadt der guten Augen und bösen Zungen. Gebrüder Mann Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-7861-2691-1, S. 9–48, hier S. 28 f.
- Giorgio Vasari: Vita di Filippo Brunelleschi scultore et architetto. In: Le vite de’ più eccellenti pittori, scultori e architettori. Giunti, Florenz 1568, S. 676.
- Martin Gosebruch: Florentinische Kapitelle von Brunelleschi bis zum Tempio Malatestiano und der Eigenstil der Frührenaissance. In: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte. Nr. 8, 1958, S. 63–193, hier S. 69–82.