Gebirgsbildung

Die Gebirgsbildung oder Orogenese (zusammengesetzt aus den griechischen Wörtern ὄρος óros ‚Berg‘ und γένεσις génesis ‚Entstehen, Zeugung, Geburt‘) wird durch tektonische Vorgänge verursacht, die durch die Kollision von Lithosphärenplatten erzeugt werden.

Stark vereinfachte Darstellung des Zusammenstoßes der Kontinentalblöcke jeweils zweier verschiedener tektonischer Platten mit Faltengebirge über der Kollisionszone.

Spezialfälle der Orogenese betreffen die Bruchtektonik (Bildung von Bruchschollengebirgen und Bruchfaltengebirgen), die nur indirekt durch die Verschiebung von Kontinentalplatten verursacht wird.

Gebirgsbildungsarten

Kollision von Kontinentalblöcken

Die Erdoberfläche setzt sich nach der Theorie der Plattentektonik aus größeren und kleineren Lithosphärenplatten (Kontinentalplatten) zusammen, die sich mit einigen Zentimetern pro Jahr gegeneinander verschieben. An einigen Stellen bewegen sich diese Platten aufeinander zu oder vielmehr schiebt sich eine Platte über die andere. Dies wird als Konvergenz bezeichnet. Kontinente sind, geotektonisch gesehen, Krustenbereiche mit relativ starkem Auftrieb. Lithosphärenplatten tragen in der Regel nicht nur kontinentale Kruste, jedoch stoßen im Laufe vieler Jahrmillionen regelmäßig Kontinentalblöcke im Zuge der Plattenkonvergenz aufeinander. Dies führt zu intensiven Stauchungs­vorgängen an den Rändern der miteinander kollidierenden Kontinentalblöcke. Infolgedessen bildet sich entlang der Kollisionszone eine Gebirgskette. So entstand der Himalaya durch das Auftreffen des Kontinentalblocks der Indischen auf den der Eurasischen Platte. Etwa im selben Zeitraum, vor ca. 50–30 Millionen Jahren (Eozän), vollzog sich auch die Auffaltung der Alpen durch die Kollision des Kontinentalblockes der Afrikanischen Platte mit dem der Eurasischen Platte. Solche Gebirge werden als Kollisionsgebirge bezeichnet.

Subduktion von ozeanischen Platten

Trifft eine Kontinentalplatte auf eine ozeanische Platte, so taucht die ozeanische Platte wegen der höheren Dichte in den Erdmantel ab. Dies wird als Subduktion bezeichnet. In den Subduktionszonen treten häufig Erdbeben auf. Die ozeanischen Platte kann Inselbögen oder gar ganze Terrane enthalten, die an den Rand der Oberplatte „angeschweißt“ werden, dies nennt man Akkretion, dadurch entstehen Gebirge. In der Kruste des Oberplattenrandes selbst kommt es durch die Subduktion der rein ozeanischen Anteile der Platte aber auch zum Aufstieg von Magma, das aufgrund der Entwässerung der absinkenden ozeanischen Platte im Erdmantel entstanden ist. Über den Subduktionszonen befinden sich deshalb meist explosive Schichtvulkane. Die Anden sind eine Folge des Aufeinandertreffens der Nazca-Platte mit der Südamerikanischen Platte. Weitere Beispiele hierfür sind das nordamerikanische Kaskadengebirge und die Japanischen Inseln.

Sonderfall: Obduktion von ozeanischen Platten

Bei der Kollision von ozeanischen Platten mit anderen kommt es in manchen Fällen nicht zu einer vollständigen Subduktion der ozeanischen Kruste. Teile der ozeanischen Platte werden dann kleinräumig von ihrem Unterlager abgeschürft und auf die obere Platte aufgeschoben (Obduktion). Solche Gesteinskörper finden sich in vielen Gebirgen, meist als linsenförmige und wenig ausgedehnte Vorkommen. Die dort aufgeschlossenen Gesteine werden Ophiolithe genannt und besitzen eine sehr charakteristische Ausbildung, welche sich von den umgebenden Gesteinen deutlich unterscheidet. In seltenen Fällen werden größere Teile der Ozeankruste obduziert, so etwa im Ophiolithkomplex von Oman.[1]

Geomorphologische Prozesse der Gebirgsbildung

Nach heutigem Verständnis ist die Gebirgsbildung mit wenigen Ausnahmen auf plattentektonische Vorgänge zurückzuführen. Die Art des Gesteins, sein inneres Gefüge und der Wassergehalt der beteiligten Sedimente beeinflussen den Vorgang, ebenso äußere Einflüsse wie klimatische Faktoren und Erosionsprozesse. Sie bestimmen darüber, welche Form ein Gebirge (Orogen) annimmt, wie hoch es bei einer bestimmten Hebungsrate wird, und wie lange sein Aufbau oder seine allmähliche Einebnung dauern.

Die Rolle der Abtragung

Schon während der Entstehung eines Gebirges werden erosive Kräfte wirksam, sobald der Gebirgskörper sich über seine Umgebung erhebt. Hier spielen physikalische Faktoren (Sonneneinstrahlung, Auftauen und Wiedergefrieren des Gesteins), chemische Prozesse und mechanische Faktoren (v. a. durch Gletscher und fließendes Wasser) die entscheidende Rolle. In Abhängigkeit von der Hebungsrate eines Gebirges im Verhältnis zur Abtragungsrate ergibt sich, ob ein Gebirge weiter an Höhe gewinnt oder schneller abgetragen wird. Im Grundsatz gilt, dass höhere Gebirge höhere Abtragungsraten aufweisen, da die Reliefenergie eines Hochgebirges höher ist als die eines Mittelgebirges und diese wiederum höher ist als im Flachland. Die höhere erosive Wirkung eines reißenden Gebirgsbaches im Vergleich zu einem Wiesenmäander in der Ebene ist leicht vorstellbar. Es wirken die flächenhafte Denudation, also die Abtragung z. B. durch Frost, und die linienhafte Erosion von Flüssen, oder Gletscher.

Simulationen von Gebirgsbildungsprozessen ergaben, dass die Abtragung unter Umständen einen steuernden Einfluss auf den Ablauf der Gebirgsbildung haben kann.[2][3]

Isostasie

Ärathem System Beginn
(mya)
Orogenese
Känozoikum
Erdneuzeit
Dauer: 66 Ma
Quartär 2,588 alpidische
Orogenese
Neogen 23,03
Paläogen 66
Mesozoikum
Erdmittelalter
Dauer: 186,2 Ma
Kreide 145
Jura 201,3
Trias 251,9 variszische
Orogenese
Paläozoikum
Erdfrühzeit
Dauer: 288,8 Ma
Perm 298,9
Karbon 358,9
Devon 419,2
Silur 443,4 kaledonische
Orogenese
Ordovizium 485,4
Kambrium 541 cadomische
Orogenese
Neoproterozoikum
Jung­proterozoikum
Dauer: 459 Ma
Ediacarium 635
Cryogenium 720 diverse
prä­kam­brische
Gebirgsbildungen
Tonium 1000
Mesoproterozoikum
Mittel­proterozoikum
Dauer: 600 Ma
Stenium 1200
Ectasium 1400
Calymmium 1600
Paläoproterozoikum
Alt­proterozoikum
Dauer: 900 Ma
Statherium 1800
Orosirium 2050
Rhyacium 2300
Siderium 2500
Neoarchaikum
Dauer: 300 Ma
2800
Mesoarchaikum
Dauer: 400 Ma
3200
Paläoarchaikum
Dauer: 400 Ma
3600
Eoarchaikum
Dauer: 400 Ma
4000
Hadaikum
Dauer: 600 Ma
4600
Es ist zu beachten, dass diese Tabelle nur einen groben
Überblick geben soll. Angaben in der Fachliteratur zu Beginn
und Ende einer bestimmten Orogenese können von denen in
der Tabelle abweichen, u. a. weil je nach Region und Autor
unterschiedliche Konzepte und Definitionen existieren.

Gebirge befinden sich mit dem darunter liegenden zähplastischen Erdmantel in einer Art Schwimmgleichgewicht (Isostasie). Dabei taucht der Gebirgsblock so tief in den Mantel ein, dass die Masse des verdrängten Mantelgesteins seiner eigenen Masse entspricht. Dies ist vergleichbar mit Schiffen, die gemäß dem Archimedischen Prinzip umso tiefer ins Wasser eintauchen, je schwerer sie sind.

Ein Gebirgsmassiv ragt etwa um das 5- bis 6-fache seiner Höhe über dem Meeresspiegel in den Erdmantel hinein. Wird durch Erosion an der Oberfläche Gestein abgetragen, so hebt sich die gesamte Gebirgskette so weit an, bis ungefähr 80 % der entfernten Gesteinsmasse ersetzt sind. Auch wenn die tektonische Aufwärtsbewegung längst zum Stillstand gekommen ist, können sich Bergregionen dadurch für viele Millionen Jahre auf ihrem Höhenniveau halten, bevor die Erosion Oberhand gewinnt.

Modelle der Landschaftsentwicklung

Walther Penck, William M. Davis und John Hack entwickelten aufgrund dieser bekannten Umstände zum Teil erst konkurrierende, aber nach heutigen Kenntnisstand drei sich ergänzende Modelle zur Landschaftsentwicklung. Die nach ihnen benannten Modelle gehen von unterschiedlichen starken und zeitlich anders andauernden Hebungsphasen aus. Auf den Zeitskalen von Jahrmillionen sind klimatische Parameter unerheblich, sodass ausschließlich Zeit und Hebungsrate in die Überlegungen als Parameter einfließt.

  • Davis’ Zyklentheorie geht von einer kurz andauernden starken Hebungsphase mit einer relativ zügigen Einebnung aus.
  • Pencks Theorie geht von einer langsam in ihrer Intensität zunehmenden, langanhaltenden aber auch wieder in ihrer Intensität abnehmenden Hebungsphase aus, bei der eine Einebnung erst sehr langsam und deutlich schwächer ausgeprägt einsetzt.
  • Hacks Theorie geht von einer fast stabilen Hebungsrate bei gleichzeitiger Abtragung aus, bei der keine Einebnung stattfindet und die Täler durch die Erosion sich immer weiter einschneiden.[4]

Gebirgsbildungsphasen in der Erdgeschichte

Auf Hans Stille geht die Unterteilung des geologischen Werdegangs von Europa in vier wesentliche Gebirgsbildungsphasen zurück:

Fast alle „jungen“ Faltengebirge der Erde sind in den letzten 20 bis 40 Millionen Jahren in der alpinen Gebirgsbildung, der letzten dieser Phasen, entstanden:

In der heutigen Alpenregion wurden die Ausgangsgesteine in mehreren Meeresräumen abgelagert; die damals gebildeten Meeressedimente waren bis zu einigen Kilometern dick und wurden in einem komplizierten Prozess, dessen Hauptphase vor etwa 70 Millionen Jahren begann, zu einem Gebirge aufgefaltet. Nach der stärksten Hebungsphase (vor etwa 25 Millionen Jahren) furchte die Erosion das weiträumig gehobene Gebiet an tektonischen Schwächezonen durch lange und kürzere Täler ein. Die Hebung der Alpen hält bis heute an (mit 1–3 mm pro Jahr), sie wird durch etwa gleich starke Erosion wettgemacht.

Aus historischen Gründen werden die Bezeichnungen von Hans Stille heute noch benutzt, zum Teil nicht nur in Europa, sondern auch auf anderen Kontinenten. Daneben existiert eine Vielzahl von Bezeichnungen für Orogenesen, die sich von den Gebirgen der jeweiligen Region ableiten. Charakteristische Bezeichnungen meist mehr oder minder großflächiger oder als bedeutend eingestufter Orogenesen der Erdgeschichte sind in der folgenden Tabelle aufgeführt.

Orogenese-Zeitalter Anfangsphase
Angaben in mya
Höhepunkt oder Ende Derzeitige Phase Wo? Kontinent?
alpidisch;

Kreide, Känozoikum

100 50 rezent wachsend Alpen, Himalaya, Karpaten, Rocky Mountains

Kontinent Eurasien und Subkontinent Indien

variskisch, alleghenisch;

mittleres Paläozoikum

400 300 Erosion Südliche Appalachen, die pre-Rocky Mountains und Anden, Ural, Schwarzwald, Harz, Rheinisches Schiefergebirge

Superkontinent Pangaea

kaledonisch;

frühes Paläozoikum

510 410 Erosion Nördliche Appalachen, Schottland, Norwegen

Alte Großkontinente Laurussia, Laurasia

cadomisch (oder Assyntische Orogenese);

Neoproterozoikum

650 545 Durch Plattentektonik, Sedimentation, Vulkanismus überlagert. Dobra-Gneis (1377 mya) der Böhmischen Masse, im Waldviertel in Österreich

Superkontinent Pannotia oder Großkontinent Gondwana

Pan-Afrikanische Orogenese;

Neoproterozoikum

1.000 530 Erosion Superkontinent Pannotia oder Großkontinent Gondwana, Kontinent Afrika
Grenville, svekonorwegisch;

Mesoproterozoikum

1.200 1.100 Ehemals überlagert, durch eiszeitliche Abschleifung teilweise freigelegt. Im östlichen Kanadischen Schild, Südwestliches Schweden, Südliches Norwegen, Nord-Australien

Superkontinent Rodinia

dano-polonisch;

Mesoproterozoikum

1.500 1.400 überlagert durch Plattentektonik, Sedimentation In Polen, Ukraine, Süden von Blekinge und Norden von Bornholm

Zusammenschluss der Kontinente Nena und Atlantika

Wopmay, svekofennisch;

Paläoproterozoikum

2.000 1.700 Ehemals überlagert, durch eiszeitliche Abschleifung teilweise freigelegt. Im westlichen Kanadischen Schild, auf Grönland, im Nordwesten Australiens, in Südafrika und im westlichen Baltischen Schild

Kontinente Nena, Atlantika, am Ende Superkontinent Columbia

Beispiel: loopisch;

Neoarchaikum, Paläoproterozoikum

2.700 2.300 Ehemals überlagert, durch eiszeitliche Abschleifung teilweise freigelegt. Im nordwestlichen Baltischen Schild

Kleinkontinente Fennoscandia, Sarmatia, Volgo-Uralia, am Ende Superkontinent Kenorland?

archaische Orogene ca. 4.000  ? Überlagert, in kleinsten Gebieten der Kratone durch eiszeitliche Gletscher freigelegt. Acasta-Gneis in der Sklavenprovinz und Nuvvuagittuq-Grünsteingürtel in der Superior-Provinz in Kanada, Isua-Gneis in Grönland und andere Gesteinseinheiten in den Schilden der Kontinente –

Superkontinent „Erste Erde“?

Forschungsgeschichte

Eine Orogenese wurde früher als ein zeitlich begrenzter Vorgang verstanden, da nur das Gefüge der betroffenen Gesteine bestimmenden Vorgänge betrachtet wurden.[5][6] Die Untersuchung aktiver Orogene wie etwa der Gebirge an der pazifischen Küste Amerikas zeigt jedoch, dass es sich um oft zeitlich ausgedehnte und andauernde Vorgänge handelt.

Nach früheren Vorstellungen ist einer Orogenese die Bildung einer Geosynklinale vorausgegangen: einer großen Einsenkung, in der sich mächtige Schichten von Tiefsee- und anderen Sedimenten ablagerten, bevor die Senkung durch großtektonische Vorgänge zu einem Hebungs­gebiet wurde. Diese Gesteine wurden später umgewandelt und teilweise über hunderte Kilometer verschoben, sodass sie sich heute in den Gebirgen finden.

Nach heutigen Vorstellungen entspricht die „Geosynklinale“ dem bei plattentektonischen Vorgängen zwischen den beteiligten Kontinentalplatten befindlichen Ozean oder Randmeer.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Frisch, Martin Meschede: Plattentektonik. Kontinentalverschiebung und Gebirgsbildung. Primus Verlag, Darmstadt 2005, ISBN 3-89678-525-7.
  • Andreas Heitkamp: Gebirgsbildung – Wenn Berge in den Himmel wachsen. In: Nadja Podbregar; Dieter Lohmann: Im Fokus: Geowissen. Wie funktioniert unser Planet? Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-34791-7, S. 105–119.
  • Florian Neukirchen: Bewegte Bergwelt. Gebirge und wie sie entstehen. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2011, ISBN 978-3-8274-2753-3.
  • Miyashiro, Akiho, Keiiti Aki: Orogenese. Grundzüge der Gebirgsbildung Deuticke, Wien 1985, ISBN 3-7005-4552-5.
Commons: Orogenese – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Gebirgsbildung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Oman: ein Obduktions-Orogen, Vorlesungen zur Strukturgeologie, Jean-Pierre Burg, ETH Zürich (PDF; 3,8 MB).
  2. Mark T. Brandon, Nicholas Pinter: Der Beitrag der Erosion zur Gebirgsbildung. Spektrum der Wissenschaft, September 1997. Zusammenfassung.
  3. Djordje Grujic, Christof Lindenbeck: Geologische Expedition in das Königreich Bhutan. Feldbeobachtungen und Modellvorstellungen zur Entstehung des Himalaya – Das Zusammenspiel von Erosion und Klima. Geologisches Institut der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg im Breisgau.
  4. J. Grotzinger, T. H. Jordan, F. Press, R. Siever: Allgemeine Geologie. Press/Siever 2008.
  5. Hans Murawski, Wilhelm Meyer: Geologisches Wörterbuch. 11. Auflage. Elsevier bzw. Spektrum, Heidelberg 2004, ISBN 3-8274-1445-8, S. 262.
  6. Hans Stille: Das Leitmotiv der geotektonischen Erdentwicklung. Vorträge und Schriften der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, H. 32, 1949.
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