Sommerwurzen
Sommerwurzen (Orobanche) sind eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Sommerwurzgewächse (Orobanchaceae). Die nur noch etwa 100 Arten sind holoparasitische Blütenpflanzen, also Vollschmarotzer.
Sommerwurzen | ||||||||||||
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Thymian-Sommerwurz (Orobanche alba) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Orobanche | ||||||||||||
L. |
Beschreibung und Ökologie
Vegetative Merkmale
Sommerwurz-Arten sind einjährige oder ausdauernde krautige Pflanzen und Vollschmarotzer. Die bleichen Sprosse werden erst nach Ausbildung der Speicherknolle entwickelt. Sommerwurzpflanzen besitzen keine Chloroplasten und können keine Photosynthese betreiben, sie sind daher vollständig auf die Ernährung durch ihre Wirte angewiesen (Holoparasit). Ihr schnelles Wachstum wird durch die in der Wurzelknolle gespeicherten Reservestoffe ermöglicht. Die Sprosse tragen nur reduzierte Schuppenblätter, in deren Achseln im oberen Teil die Blüten stehen.
Generative Merkmale
Die zwittrigen Blüten sind zygomorph. Die Kronblätter sind zu einer Röhre verwachsen. Pro Blüte gibt es vier Staubblätter.
Die Kapselfrüchte können einige Tausend Samen enthalten und eine Sommerwurzpflanze kann über 300.000 Samen bilden, die später mit dem Wind ausgebreitet werden. Samen der Sommerwurz-Arten gehören mit 0,3 bis 0,5 Millimetern Länge zu den kleinsten aller Pflanzensamen. Die Samen können mehrere Jahre im Boden ausdauern, ohne ihre Keimfähigkeit zu verlieren. Ihre Keimung wird von Substanzen, sogenannten Keimungsinduktoren, ausgelöst, die von Wurzeln der Wirtspflanze ausgeschieden werden. Diese Stoffe werden unter dem Begriff Strigolactone zusammengefasst. Ihre unterschiedliche Struktur trägt zur Wirtsspezifität verschiedener Orobanche-Arten bei. Erreicht die Keimwurzel eine geeignete Wirtswurzel, dringt sie in diese ein und bildet ein spezielles Kontaktorgan, das Haustorium. Nach Anschluss an die Leitbündel des Wirtes entwickelt die Sommerwurzpflanze zunächst auf der Wurzeloberfläche ihres Wirtes ein Speicherorgan (Tuberkelstadium), an dem sich der spätere Spross bildet. Ihre Wurzeln sind nicht zur Nährstoffaufnahme aus dem Boden befähigt, können aber bei Kontakt mit Wurzeln des ersten oder eines anderen Wirtes weitere Haustorien bilden. Gelegentlich dringen diese auch in die Wurzeln der eigenen oder einer anderen Sommerwurzpflanze ein.
Orobanche als Schädling
Sommerwurz-Arten parasitieren nur auf zweikeimblättrigen Wirtspflanzen. Ihre Wirtsselektivität ist unterschiedlich ausgeprägt.[1] Während manche Arten Wirte bestimmter Familien bevorzugen (zum Beispiel Orobanche ramosa u. a Solanaceae), besitzen andere ein sehr enges Wirtsspektrum (zum Beispiel Orobanche cumana auf Sonnenblume). Die verursachten Schäden an den Wirtspflanzen sind auf den Entzug von Wasser und Nährstoffen zurückzuführen. In bewässerten und gedüngten Kulturen sind die Schäden wesentlich geringer, wirtschaftliche Bedeutung hat der Sommerwurzbefall daher vor allem in den ärmeren Ländern Afrikas und Westasiens. Neben zahlreichen, nur punktuell oder ± begrenzt verbreiteten Arten spielen fünf Arten als Schädlinge in landwirtschaftlichen Kulturen eine besondere Rolle:
- Orobanche cernua auf Sonnenblumen, Tomaten, Auberginen und Tabak;
- Orobanche crenata auf Ackerbohnen, Kichererbsen, Linsen, Erbsen, Futterwicken, Möhren, Salat und Sonnenblumen;
- Orobanche minor auf Klee, Luzerne und Tabak.
Die Samen werden durch landwirtschaftliche Maschinen, verunreinigtes Erntegut, Bewässerungssysteme und Erosion verbreitet. Auch Tiere können die Samen äußerlich und nach Aufnahme mit dem Futter durch ihre Ausscheidungen verschleppen. Die Schäden durch Sommerwurzbefall können durch Bodenbehandlung, Düngung, Bewässerung und Zeitpunkt der Saat beeinflusst werden. Die Bekämpfung der Sommerwurzpflanzen nach dem Auftreten erfolgt in wenig entwickelten Ländern durch Entfernen der Blütensprosse von Hand.
Sommerwurz-Arten lassen sich nur schwierig bekämpfen, da sie kein Chlorophyll besitzen und die Samen äußerst widerstandsfähig sind.[2] Nur wenige Herbizide sind gegen sie wirksam.[3]
Verschiedene biologische Bekämpfungsverfahren werden noch erprobt, die bisher keine wirksame und wirtschaftliche Bekämpfung der Sommerwurzarten ermöglichen:
- In Sonnenblumen-Kulturen sollen Maispflanzen als „Fangpflanzen“ dienen, die den Samen von Orobanche cumana zur Keimung bringen. Da die Keimlinge auf Mais nicht überleben können, sterben diese ab.[4]
- Auf längere Sicht erscheint die Züchtung von resistenten Kulturpflanzensorten die sinnvollste Lösung zu sein.
Systematik, botanische Geschichte und Verbreitung
Die Gattung Orobanche wurde 1753 durch Carl von Linné aufgestellt.[5] Günther Beck von Mannagetta und Lerchenau veröffentlichte 1890 eine Monographie der Gattung Orobanche. Theodor Fischer, Cassel. Als Lektotypusart wurde Orobanche major L. festgelegt.[5] Ein Synonym von Orobanche L. ist Orobanche C.A.Mey.[6]
Die Gattung Orobanche wurde in die Familie der Braunwurzgewächse (Scrophulariaceae) gestellt. Sie wird nach molekulargenetischen Daten in die Familie der Sommerwurzgewächse (Orobanchaceae) eingeordnet. Die Unterscheidung der einzelnen Arten anhand morphologischer Eigenschaften ist schwierig. Es erfolgte nach molekulargenetischen Untersuchungen eine Aufspaltung der Gattung Orobanche s. l. (bis zu 200 Arten) in einige Gattungen. Bei Joel 2009 sind die beiden Gattungen Orobanche s. str. (Chromosomengrundzahl x = 19) und Phelipanche Pomel (Chromosomengrundzahl x = 12) getrennt.[7] Schneider stellt 2016 weitere Arten in die reaktivierte Gattung Aphyllon Mitch.[8] Damit werden in der Gattung Orobanche s. str. (nur noch bis zu 100 Arten) keine Untergattungen, Sektionen oder Untersektionen akzeptiert.[6]
Die Orobanche-Arten gedeihen meist in den warmen bis gemäßigten Gebieten der Nordhalbkugel. In Europa kommen etwa 40 Arten vor.
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Nicht mehr zur Gattung Orobanche s. str. gehören:[6] |
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Einzelnachweise
- C. A. J. Kreutz: Orobanche. Die Sommerwurzarten Europas / The European Broomrape Species. Stichting Naturpublikaties Limburg, Maastricht 1995, ISBN 90-74508-05-7.
- Mónica Fernández-Aparicio, Xavier Reboud, Stephanie Gibot-Leclerc: Broomrape Weeds. Underground Mechanisms of Parasitism and Associated Strategies for their Control: A Review. In: Crop Science and Horticulture. Band 7, Februar 2016, S. 1–23, doi:10.3389/fpls.2016.00135, PMC 4759268 (freier Volltext).
- Uni Hohenheim: Various chemical control measures for controlling phytoparasites.
- Fangpflanzen treiben Schmarotzer in den Selbstmord. In: pflanzenforschung.de, 17. Januar 2013 – nach Yongqing Ma, Jinnan Jiab, Yu Anc, Zhong Wangb, Jianchang Maod: Potential of Some Hybrid Maize Lines to Induce Germination of Sunflower Broomrape. In: Crop Science Abstract – Crop Ecology, Management & Quality, Volume 53, Issue 1, 2012, S. 260–270, doi:10.2135/cropsci2012.03.0197
- Orobanche bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis, abgerufen am 28. Januar 2018.
- Óscar Sánchez Pedraja, Gonzalo Moreno Moral, Luis Carlón, Renata Piwowarczyk, Manuel Laínz, Gerald M. Schneeweiss: Index of Orobanchaceae. ISSN 2386-9666. (September 2005 „onwards, last updated“ 22. Januar 2018, PDF 2,6 MB) online.
- Daniel M. Joel: The new Nomenclature of Orobanche and Phelipanche. In: Weed Research, Volume 49 (Supplement 1), November 2009, S. 6–7. doi:10.1111/j.1365-3180.2009.00748.x
- Adam C. Schneider: Resurrection of the genus Aphyllon for New World broomrapes (Orobanche s.l., Orobanchaceae). In: PhytoKeys, Volume 75, 2016, S. 107–118. doi:10.3897/phytokeys.75.10473
- G. Domina, E. von Raab-Straube (2010+): Orobanchaceae. Datenblatt Orobanche L. – In: Euro+Med = Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
- Orobanche im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 9. September 2020.
- Xi Li, Tae-Soo Jang, Eva M. Temsch, Hidetoshi Kato, Koji Takayama, Gerald M. Schneeweiss: Molecular and karyological data confirm that the enigmatic genus Platypholis from Bonin-Islands (SE Japan) is phylogenetically nested within Orobanche (Orobanchaceae). In: Journal of Plant Research, 130, 2017, Issue 2, S. 273–280. doi:10.1007/s10265-016-0888-y, PMC 5318490 (freier Volltext).
- Zázvorka, Jiří & Pedraja, Óscar & Moral, Gonzalo & Carlón Ruiz, Luis & Domina, Gianniantonio & Gallo, Manuel & Piwowarczyk, Renata. (2019). Orobanche centaurina Bertol. the correct name for O. kochii F.W. Schultz (Orobanchaceae). 75. 52–56.
- Datenblatt Orobanche bei POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science.
- Andreas Fleischmann: Orobanche. In: Schmeil-Fitschen: Die Flora Deutschlands und angrenzender Länder. 97. Auflage. Verlag Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2019. ISBN 978-3-494-01700-6. S. 772.
- Orobanche in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2017. Abgerufen am 31. Januar 2018.
- Wen-Bin Yu: Nomenclatural clarifications for names in Boschniakia, Kopsiopsis and Xylanche (Orobanchaceae). In: Phytotaxa, Volume 77, Issue 3, S. 40–42, Januar 2013. ISSN 1179-3163. online doi:10.11646/phytotaxa.77.3.1
- Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9.
- G. Domina, E. von Raab-Straube (2010+): Orobanchaceae. Datenblatt Phelipanche Pomel – In: Euro+Med = Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
Literatur
- Óscar Sánchez Pedraja, Gonzalo Moreno Moral, Luis Carlón, Renata Piwowarczyk, Manuel Laínz, Gerald M. Schneeweiss: Index of Orobanchaceae. ISSN 2386-9666. (September 2005 "onwards, last updated" 22. Januar 2018 – PDF 2,6 MB) online.
- Adam C. Schneider: Resurrection of the genus Aphyllon for New World broomrapes (Orobanche s.l., Orobanchaceae). In: PhytoKeys, Volume 75, 2016, S. 107–118. doi:10.3897/phytokeys.75.10473
- Gerald M. Schneeweiss: Phylogenetic relationships and evolutionary trends in Orobanchaceae. In: Daniel M. Joel, J. Gressel, L. J. Musselman (Hrsg.): Parasitic Orobanchaceae. Berlin Heidelberg: Springer, 2013, S. 243–265. doi:10.1007/978-3-642-38146-1_14
- Daniel M. Joel: The new Nomenclature of Orobanche and Phelipanche. In: Weed Research, Volume 49 (Supplement 1), November 2009, S. 6–7. doi:10.1111/j.1365-3180.2009.00748.x
- D. Philcox: Orobanche. In: Flora Zambesiaca, Band 8, Teil 2, Scrophulariaceae., Royal Botanic Gardens, Kew. textgleich online wie gedrucktes Werk.
- Daniel L. Nickrent, Lytton J. Musselman: Introduction to Parasitic Flowering Plants. In: The Plant Health Instructor, 2004. doi:10.1094/PHI-I-2004-0330-01
- Hans Christian Weber: Parasitismus von Blütenpflanzen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-10529-X.
- Hans Christian Weber: Schmarotzer: Pflanzen, die von anderen leben. Belser, Stuttgart 1978, ISBN 3-7630-1834-4.
- R. Piwowarczyk, J. Madeja, M. Nobis: Pollen morphology of the Central European broomrapes (Orobanchaceae: Orobanche, Phelipanche and Orobanchella) and its taxonomical implications. In: Plant Systematic and Evolution, Volume 301, 2015, S. 795–808.
- Gerhard Wagenitz (Hrsg.) Jürgen Pusch, Karl-Friedrich Günther: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Begründet von Gustav Hegi. 2. Auflage. Band VI, Teil 1A: Spermatophyta: Angiospermae: Dicotyledones 4 (1). Lieferung 1. Orobanchaceae (Sommerwurzgewächse). Weißdorn, Jena 2009, ISBN 978-3-936055-33-7, S. 1–99.
- C. A. J. Kreutz: Orobanche. Die Sommerwurzarten Europas / The European Broomrape Species. Stichting Naturpublikaties Limburg, Maastricht 1995, ISBN 90-74508-05-7.
- C. A. J. Kreutz: Orobanche. The European broomrape species. Central and northern Europe. Natuurhistorisch Genootschap, Limburg, 1995, S. 1–159.
- C. A. J. Kreutz: Orobanche: die Sommerwurzarten Europas : ein Bestimmungsbuch. Band 1. CRC Press, 1995, ISBN 978-90-74508-05-6 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).