Orientalischer Amberbaum

Der Orientalische Amberbaum[1] (Liquidambar orientalis) ist ein sommergrüner Laubbaum aus der Familie der Altingiaceae mit handförmigen Blattspreiten und Kapselfrüchten. Sein Verbreitungsgebiet liegt in der Südwest-Türkei und auf Rhodos.[2] Die Art wird manchmal als Parkbaum gepflanzt.

Orientalischer Amberbaum

Orientalischer Amberbaum (Liquidambar orientalis), Blätter im Herbst

Systematik
Eudikotyledonen
Kerneudikotyledonen
Ordnung: Steinbrechartige (Saxifragales)
Familie: Altingiaceae
Gattung: Amberbäume (Liquidambar)
Art: Orientalischer Amberbaum
Wissenschaftlicher Name
Liquidambar orientalis
Mill.
Liquidambar orientalis, Illustration
Blätter
Fruchtverbände

Beschreibung

Die Bäume erreichen eine Höhe von 20 (maximal bis 35)[3] Metern, bleiben jedoch häufig niedriger. Der Stammdurchmesser beträgt maximal 1,05 m.[3] Die grau-braune Borke ist im Alter rissig bis furchig.

Die einfachen Laubblätter sind wie bei allen Amberbäumen wechselständig angeordnet. Der Blattstiel ist 2.5 bis 5,[4] nach anderen Angaben 4 bis 6[5] Zentimeter lang. Die Blattspreite ist 5 bis 10 Zentimeter lang, 6 bis 13 Zentimeter breit und hat meist fünf handförmig angeordnete, länglich-eiförmige Lappen. Die drei oberen Lappen bilden oft ein bis zwei weitere, dreieckige und kurz zugespitzte Lappen. Der Blattrand ist meist gesägt. Die Blattober- und -unterseite sind unbehaart.[4]

Die Blüten sind einhäusig monözisch verteilt und ohne Blütenhülle. Die männlichen Blüten, mit einigen (4–8) Staubblättern, stehen zu vielen dicht gedrängt in endständigen, aufrechten und traubig-ährigen Blütenständen. Die weiblichen Blüten, mit einem halbunterständigen Fruchtknoten und meist zwei dicklichen Griffeln mit ausgebogenen Narbenästen sowie ein paar Staminodien (bis 8), stehen in achselständigen, kleinen, hängenden, kugelförmigen, vielblütigen und gestielten Köpfchen zusammen.

Die Fruchtstände bzw. Fruchtverbände sind bis etwa 2,5 Zentimeter groß. Als Früchte werden zweifächrige, holzige, bis 5 bis 6 Millimeter lange Kapseln mit beständigen Griffeln gebildet, die in den Fruchtverbänden zusammenstehen.[6] Die etwas abgeflachten Samen sind einseitig, kurz geflügelt.

Die Blätter der laubwerfenden Art werden im natürlichen Areal im November bis Dezember abgeworfen, Neuaustrieb erfolgt im Februar, die Blüte Anfang März. Früchte sind ab Mitte April erkennbar, sie reifen bis September. Oft verbleiben die trockenen Früchte auf dem Baum, nachdem die Samen ausgefallen sind.[7]

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 32.[3]

Verbreitung und Ökologie

Das natürliche Verbreitungsgebiet liegt im Südwesten der Türkei und auf Rhodos.[2] Vorkommen werden außerdem für Zypern angegeben, sind hier aber vermutlich nicht autochthon.[8] Das kleine Areal hat sein Zentrum in der Provinz Muğla, kleinere Vorkommen existieren in den Provinzen Aydın, Denizli, Isparta, Antalya und Burdur; alles Regionen mit Mittelmeerklima. Auf Rhodos sind etwa fünf Wuchsorte bekannt, von denen das Tal der Schmetterlinge der bekannteste ist.[2]

Die Art wächst in Gebieten mit relativ hohem Jahresniederschlag von 1.000 bis 1.200 Millimetern, in trockeneren Gebieten nur in der direkten Uferzone von Gewässern. Die Art kommt von Meereshöhe bis in etwa 500 Meter, in der Provinz Muğla vereinzelt sogar bis 1.000 Meter Höhe vor. Sie bevorzugt offene, sonnige Standorte und ist etwas frostempfindlich. Standorte sind vor allem wechselfeuchte Flussauen mit kalkhaltigen, sandigen Böden mit pH-Werten zwischen 8,6 und 9,3. Der Orientalische Amberbaum wächst in Reinbeständen oder gemischt mit anderen typischen Gehölzarten der mediterranen Auen wie Alnus orientalis, Fraxinus angustifolia, Laurus nobilis, Nerium oleander und Vitex agnus-castus, pflanzensoziologisch als Verband Platanion orientalis von Kárpáti & Kárpáti 1961 gefasst, benannt nach Platanus orientalis.[7] Ähnliche Standorte werden auch auf Rhodos besiedelt.[2]

Die auf Rhodos endemische Unterart des Russischen Bären (Callimorpha quadripunctaria rhodosensis) wandert von Juni bis September zur Paarung in das von einem großen Amberbaum-Bestand besiedelte Tal der Schmetterlinge. Der Harzgeruch des Orientalischen Amberbaums spielt möglicherweise bei der Anlockung der Schmetterlinge eine Rolle; Nahrungsbeziehungen zwischen Schmetterling und Baum bestehen nicht; die Raupen sind polyphag und zeigen keine Bindung an den Orientalischen Amberbaum.[9]

Gefährdung

Der Bestand des Orientalischen Amberbaums wird auf aktuell etwa 1.658 Hektar abgeschätzt; vor 200 Jahren lassen sich noch Bestände von 7.000 Hektar erschließen[10]. Während früher die Harzernte die wesentliche Bedrohung darstellte, ist heute intensivierte Landnutzung, vor allem auch Tourismus und der Bau von Sommerhäusern und Zweitwohnsitzen die wesentliche Bedrohung. In der Roten Liste des IUCN ist die Art als "gefährdet" (vulnerable, VU) aufgeführt.[11] Euforgen, das European Forest Genetic Resources Programme, hat eine technische Anleitung für Förster zum Erhalt der Art herausgegeben[12].

Systematik und Forschungsgeschichte

Der Orientalische Amberbaum (Liquidambar orientalis) ist eine Art aus der Gattung der Amberbäume (Liquidambar) innerhalb der Familie Altingiaceae. Die Gattung wird manchmal auch den Zaubernussgewächsen (Hamamelidaceae) zugeordnet.[13] Die Art wurde von Philip Miller 1768[14] wissenschaftlich erstbeschrieben.[15] Ein Synonym der Art ist Liquidambar imberbis Aiton.[16] Molekulargenetische Untersuchungen haben gezeigt, dass Liquidambar orientalis mit der nordamerikanischen Liquidambar styraciflua näher verwandt ist als mit den beiden ostasiatischen Arten Liquidambar acalycina und Liquidambar formosana.[17]

Von der typischen Varietät (Liquidambar orientalis var. orientalis) wird die Varietät Liquidambar orientalis var. integriloba Fiori abgetrennt. Diese unterscheidet sich durch ihre mehr ganzen, ungelappten Blattlappen. Sie ist eher östlicher und südlicher verbreitet als die typischen Varietät.[18] Ihre Eigenständigkeit wurde durch molekulargenetische Untersuchungen bestätigt.[17]

Verwendung

Die Art wurde viele Jahrhunderte lang als Quelle des Styrax, eines aromatischen Baumharzes, verwendet. Dieses ist ähnlich demjenigen einer weiteren, mehr in der Vegetation der Macchie verbreiteten Strauchart, des Storaxbaums (Styrax officinalis). Das Harz des Storaxbaums wird „Storax“, das des Amberbaums meist „Styrax“, türkisch „gunluk“ oder „sigla“ genannt. Es wird nach Verletzung der Rinde gebildet. Es wurde von März bis September von Bäumen mit einem Umfang von etwa 15 Zentimetern, dann etwa 10 Jahre alt, abgeerntet. Man unterschied rotes halbfestes (Styrax rubea), schwarzes festes (Styrax nigra) und weißes frisches und flüssiges (Styrax alba) Harz. Antike Berichte von Theophrast und Herodot über das Styrax sind auf den Amberbaum zu beziehen.[10] Als Thymiana wurde (bei Valerius Cordus) die ausgekochte Rinde von Liquidambar officinalis bezeichnet.[19]

Der Orientalische Amberbaum wird – heute eher selten – wegen seiner bemerkenswerten Herbstfärbung als Park- oder Gartenbaum verwendet.[4] In Gebieten mit kühlem Klima ist er frostempfindlicher und weniger wüchsig als Liquidambar styraciflua.[3]

Literatur

  • Andreas Roloff, Andreas Bärtels: Flora der Gehölze. Bestimmung, Eigenschaften und Verwendung. 3., korrigierte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2008, ISBN 978-3-8001-5614-6, S. 374–375.
  • Franz H. Meyer, Ulrich Hecker, Hans R. Höster, Fred G. Schroeder: Gehölzflora. Ein Buch zum Bestimmen der in Mitteleuropa wild wachsenden und angepflanzten Bäume und Sträucher. Mit Knospen- und Früchteschlüssel. Begründet von Jost Fitschen (= Quelle & Meyer Bestimmungsbücher). 12., überarbeitete und ergänzte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2007, ISBN 3-494-01422-1, S. 568.
  • Marilena Idzojtic: Dendrology. Academic Press, 2019, ISBN 978-0-12-819644-1, S. 394.
Commons: Orientalischer Amberbaum (Liquidambar orientalis) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Deutscher Name nach Fitschen: Gehölzflora. S. 568 und Roloff, Bärtels: Flora der Gehölze, S. 374.
  2. Krystyna Boratyńska, Adam Boratyński: Distribution of Liquidambar orientalis Miller on Rodhos island. In: Arboretum Kórnickie. Band 29, 1985, S. 3–11.
  3. Faik Yaltirik, Asuman Efe: Liquidambar orientalis (Hamamelidaceae). In: Curtis's Botanical Magazine. Band 17, Nr. 2, 2000, S. 66–71, doi:10.1111/1467-8748.00249.
  4. Roloff, Bärtels: Flora der Gehölze. S. 374.
  5. Fitschen: Gehölzflora. S. 859.
  6. Roloff, Bärtels: Flora der Gehölze. S. 375.
  7. Münir Öztürk, Ali Çelik, Aykut Güvensen, Ergin Hamzaoğlu: Ecology of tertiary relict endemic Liquidambar orientalis Mill. forests. In: Forest Ecology and Management. Band 256, Nr. 4, 10. August 2008, S. 510–518, doi:10.1016/j.foreco.2008.01.027.
  8. Ralf Hand, Georgios N. Hadjikyriakou, Charalambos S. Christodoulou (Hrsg.): Flora of Cyprus — a dynamic checklist. Liquidambar orientalis. Zuletzt eingesehen am 2. September 2016.
  9. Reinhard Elger: Freilandstudien zur Biologie und Ökologie von Panaxia quadripunctaria (Lepidoptera, Arctiidae) auf der Insel Rhodos. In: Oecologia. Band 2, Nr. 2, 1969, S. 169–197, doi:10.1007/BF00379158.
  10. M. Özturk, C. R. Parks, F. Coskun, G. Görk, O. Seçmen: Vanishing Tertiary Genetic Heritage in the East Mediterranean Liquidambe orientalis Mill. In: Environews. Band 10, 2004, S. 6–8 (online [abgerufen am 27. September 2014]).
  11. A. Güner: Liquidambar orientalis var. orientalis. The IUCN Red List of Threatened Species. Version 2014.2, 1998 (online).
  12. M. Alan, Z. Kaya: Oriental sweet gum (Liquidambar orientalis). In: EUFORGEN Technical Guidelines for genetic conservation and use for. Bioversity International, 2003, ISBN 92-9043-605-0 (download).
  13. Liquidambar orientalis im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland.
  14. Philip Miller: The Gardeners Dictionary. 8. Auflage. John & Francis Rivington, London 1768 (online).
  15. Liquidambar orientalis. In: The International Plant Name Index. Abgerufen am 26. September 2014 (englisch).
  16. Liquidambar orientalis. In: The Plant List. Abgerufen am 26. September 2014.
  17. Aslı Ozdilek, Burcu Cengel, Gaye Kandemir, Yasemin Tayanc, Ercan Velioglu, Zeki Kaya: Molecular phylogeny of relict-endemic Liquidambar orientalis Mill. based on sequence diversity of the chloroplast-encoded matK gene. In: Plant Systematics and Evolution. Band 298, Nr. 2, S. 337–349, doi:10.1007/s00606-011-0548-6.
  18. Hasan Peşmen: Liquidambar. In: Peter Hadland Davis (Hrsg.): Flora of Turkey and the East Aegean Islands. Vol. 4 (Rosaceae to Dipsacaceae). Edinburgh University Press, Edinburgh 1972, ISBN 0-85224-208-5, S. 264–265 (englisch).
  19. Vgl. Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 156 (Styrax calamita: Liquidambar orientalis Mill., Harz […].) und 157 (Thymiana).
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