Ollier-Syndrom
Die Ollier-Krankheit ist eine seltene Skelettdysplasie mit zahlreichen, überwiegend halbseitig zu findenden Enchondromen in den Metaphysen langer Röhrenknochen.[1][2][3]
Klassifikation nach ICD-10 | |
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Q78.4 | Enchondromatose |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die Assoziation mit multiplen Weichteil-Hämangiomen wird als Maffucci-Syndrom bezeichnet.
Eine Kombination mit Osteochondromen besteht bei der Metachondromatose.
Synonyme sind: Dyschondroplasie; Ollier-Syndrom; Hemichondrodysplasia Typ Ollier; Morbus Ollier; Enchondromatose Ollier; Multiple Enchondromatose
Der Begriff „Enchondromatose“ wird häufig (auch bei beidseitiger Beteiligung) als Synonym für Ollier-Krankheit verwendet. Bei weiter gefasster Definition einer Enchondromatose entspricht die (einseitig auftretende) Ollier-Krankheit dem Typ I nach Spranger.[4][5]
Die Namensbezeichnung bezieht sich auf den Autoren der Erstbeschreibung aus dem Jahre 1898 durch den französischen Chirurgen Louis Léopold Ollier (1830–1900).[6][7]
Verbreitung
Die Häufigkeit wird auf 1 zu 100 000 geschätzt.[3]
Die Erkrankung tritt sporadisch auf ohne familiäre Häufung. Beide Geschlechter und beide Körperhälften sind gleichmäßig betroffen.[8]
Ursache
Die Ursache ist nicht bekannt. Bei familiären Formen werden Mosaik-Mutationen im IDH1-Gen auf Chromosom 2 Genort q34 und im IDH2-Gen auf Chromosom 15 Genort q26.1 vermutet, die für die Isocitrat-Dehydrogenase kodieren. Ein Vererbungsmodus ist nicht bekannt.[9][10]
Bei etwa 10 % finden sich Mutationen im PTH1R-Gen auf Chromosom 3 Genort p21.31, das für den Parathyroid hormone 1 receptor kodiert.[8]
Klinische Erscheinungen
Klinische Kriterien sind:[3][1][2][8]
- sehr variables Ausmaß der Veränderungen
- Manifestation in jedem Lebensalter, meist zwischen dem 2. und 10. Lebensjahr
- einseitige, asymmetrische Veränderungen
- multiple Enchondrome in Nähe der Epiphysenfuge mit Verbreiterung der Metaphysen, in die Diaphyse hineinwachsend
- Enchondrome sind auch am Beckenring möglich
- umschriebene Wachstumsstörung mit Deformierung und Verkürzung der langen Röhrenknochen, besonders Beinverkürzung mit Genua vara
Gelegentlich kann es zu Spontanfrakturen und Kyphoskoliose kommen. Mit Ende des Körperwachstums hören im Normalfall auch die Enchondrome auf, größer zu werden.[11]
Besonders bei körperstammnahen oder großen Enchondromen besteht ein erhöhtes Risiko (von etwa 30 bis zu 40 %) einer malignen Transformation meist zum Chondrosarkom, mitunter auch zum Osteosarkom und entdifferenziertem Chondrosarkom. Hauptsächlich sind davon lange Röhrenknochen und flache Knochen betroffen.[8]
Anscheinend ist das Risiko erhöht, Gliome, Pankreastumor oder Granulosazelltumor zu entwickeln.[11][12][8]
Diagnose
Die Diagnose beruht auf den Befunden der klinischen Untersuchung und den (konventionellen) Röntgenaufnahmen.[3] Typisch sind zentral gelegene Knochenläsionen mit ausgedünnter Kortikalis meist meta- oder diaphysär mit unregelmäßigen Verkalkungen (variabel).[2]
Differentialdiagnostik
Abzugrenzen sind Multiple kartilaginäre Exostosen.
Therapie
Die Behandlung zielt auf Korrektur von Beinlängendifferenz und Beinachsenfehlstellung, Behandlung von Pathologischen Frakturen und Kontrolle malignitätsverdächtiger Regionen.
Literatur
- Caroline Silve, Harald Jüppner: Ollier disease. In: Orphanet Journal of Rare Diseases, 1, 2006, doi:10.1186/1750-1172-1-37.
- F. Hefti: Kinderorthopädie in der Praxis. Springer 1998, ISBN 3-540-61480-X.
Weblinks
Einzelnachweise
- Bernfried Leiber (Begründer): Die klinischen Syndrome. Syndrome, Sequenzen und Symptomenkomplexe. Hrsg.: G. Burg, J. Kunze, D. Pongratz, P. G. Scheurlen, A. Schinzel, J. Spranger. 7., völlig neu bearb. Auflage. Band 2: Symptome. Urban & Schwarzenberg, München u. a. 1990, ISBN 3-541-01727-9.
- Pschyrembel online
- Ollier-Krankheit. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten).
- J. Spranger, H. Kemperdieck, H. Bakowski, J. M. Opitz: Two peculiar types of enchondromatosis. In: Pediatric radiology, Band 7, Nummer 4, Dezember 1978, S. 215–219, doi:10.1007/BF02386711, PMID 733398.
- W. Schuster, D. Färber (Hrsg.): Kinderradiologie. Bildgebende Diagnostik. 2. Auflage. 1996, ISBN 3-540-60224-0, Band I, S. 342.
- L. X. E. L. Ollier: Dyschondroplasie. In: Lyon médical, Band 88, S. 484–492, 1898
- Who named it
- T. C. Pansuriya, H. M. Kroon, J. V. Bovée: Enchondromatosis: insights on the different subtypes. In: International journal of clinical and experimental pathology, Band 3, Nummer 6, Juni 2010, S. 557–569, PMID 20661403, PMC 2907117 (freier Volltext) (Review).
- Enchondromatosis, Multiple, Ollier Type. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)
- T. C. Pansuriya, R. van Eijk, P. d’Adamo et al.: Somatic mosaic IDH1 and IDH2 mutations are associated with enchondroma and spindle cell hemangioma in Ollier disease and Maffucci syndrome. In: Nature genetics. Band 43, Nummer 12, November 2011, S. 1256–1261, doi:10.1038/ng.1004, PMID 22057234, PMC 3427908 (freier Volltext).
- Radiopaedia
- L. Rietveld, T. E. Nieboer, K. B. Kluivers, H. W. Schreuder, J. Bulten, L. F. Massuger: First case of juvenile granulosa cell tumor in an adult with Ollier disease. In: International journal of gynecological pathology: official journal of the International Society of Gynecological Pathologists. Band 28, Nummer 5, September 2009, S. 464–467, doi:10.1097/PGP.0b013e3181a05af4, PMID 19696617.