Oberstes Rückerstattungsgericht

Das Oberste Rückerstattungsgericht (ORG) war ein internationales Gericht, das als oberste Rechtsmittelinstanz über Streitigkeiten bei Anträgen nach dem Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG) auf Rückerstattung der zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 einem Eigentümer unter politischem Zwang entzogenen, identifizierbaren Vermögensobjekte entschied. Es bestand von 1955 bis 1990 und hatte seinen Sitz zunächst in Herford und von 1984 bis 1990 in München .

Das Rathaus in Herford, erster Sitz des Obersten Rückerstattungsgerichts

Geschichte

1949 wurde in den drei westlichen Besatzungszonen je ein Oberster Rückerstattungs-Gerichtshof als oberste Instanz errichtet: in der amerikanischen Besatzungszone der Court of Restitutional Appeals (CORA) mit Sitz in Nürnberg, in der britischen Besatzungszone das Board of Review (BOR) in Herford sowie in der französischen Besatzungszone die Cour Supérieure pour les Restitutions (CSR) in Rastatt. Das Herforder Gericht wurde erst auf Druck der anderen Siegermächte eingerichtet. Erster vorsitzender Richter in Herford wurde R. H. Parker, der der Direktor der Property Control in der britischen Besatzungszone war und intensiv an der Entwicklung des Rückerstattungsgesetzes für die britische Zone beteiligt war.[1]

Die Gerichte der drei Besatzungszonen wurden im Dezember 1955 als internationales Gericht zum Obersten Rückerstattungsgericht mit Sitz in Herford zusammengefasst,[2] das 1984 nach München verlegt wurde.[3] Das mit Gesetz Nr. 25 der Alliierten Kommandantur Berlin vom 25. April 1953 errichtete Oberste Rückerstattungsgericht für Berlin blieb wegen der Sonderstellung Berlins daneben bestehen.

Im Dezember 1990 wurden die Rückerstattungsgerichte in München und Berlin aufgelöst und die Zuständigkeiten auf den Bundesgerichtshof verlagert.[4][5] Die Akten aus Berlin, Herford und München befinden sich nun im Public Record Office bzw. The National Archives in London[4] sowie im Bundesarchiv.[6]

Organisation

Das ORG in Herford wurde gebildet aus dem Präsidenten des Gerichts, dem Präsidium und drei Senaten mit je fünf Richtern (ein Senatspräsident, zwei Richter der betroffenen Macht und zwei deutsche Richter). Die Verwaltung des Gerichts war dem Bundesminister der Justiz nachgeordnet. Letzter Präsident des ORG vor der Überleitung an den BGH war der schwedische Richter Gunnar Lagergren.[7] Der letzte deutsche Bundesrichter beim Obersten Rückerstattungsgericht in Herford war Heinrich Gulatz.[8]

Zunächst hatte der 1. Senat weiter seinen Sitz in Rastatt, der 2. Senat in Herford und der 3. Senat in Nürnberg. Zum 1. Juli 1961 wurde zunächst der 3. Senat,[9] mit Wirkung vom 1. April 1968 auch der 1. Senat[10] ebenfalls nach Herford verlegt.

Siehe auch

Entscheidungssammlungen

  • Decisions of the Supreme Restitution Court for the British Zone (ObREG BrZ), 1954/1955.
  • Ausgewählte Entscheidungen des Obersten Rückerstattungsgerichts, Zweiter Senat, 1956–1971.

Weitere Entscheidungen sind in der Zeitschrift Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht (RzW) abgedruckt.

Literatur

  • Thorsten Kurtz: Das Oberste Rückerstattungsgericht in Herford: Eine Untersuchung zu Vorgeschichte, Errichtung und Einrichtung eines internationalen Revisionsgerichts in Deutschland. Walter de Gruyter, 2014, ISBN 978-3-11-031675-9.
  • Edward A. Marsden: Das Oberste Rückerstattungsgericht in Herford. In: Friedrich Biella u. a. (Hrsg.): Das Bundesrückerstattungsgesetz. (Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland. Band 2). Beck, München 1981, ISBN 3-406-03666-X, S. 611 ff
  • Hermann, Hans-Joachim: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht, Band 1, Tübingen. Mohr, 1982. (Digitalisiert bei Google-Books)
  • Überleitung der obersten Rückerstattungsgerichte auf den BGH. In: Neue Juristische Wochenschrift. (NJW), 1991, Heft 30, S. 1875.
  • Eva Balz, Christoph Kreutzmüller: In letzter Instanz. Jüdische Unternehmen vor dem Obersten Rückerstattungsgericht in Berlin 1953-1957. Forum historiae iuris, 16. April 2013. PDF.

Einzelnachweise

  1. Jürgen Lillteicher: Die Rückerstattung jüdischen Eigentums in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg: eine Studie über Verfolgungserfahrung, Rechtsstaatlichkeit und Vergangenheitspolitik 1945–1971. Dissertation. Freiburg (Breisgau) 2002, S. 95. (PDF; 3,3 MB)
  2. Hans-Joachim Hermann: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht, Band 1, Mohr, Tübingen 1982, S. 87–89. (Digitalisiert bei Google-Books)
  3. Bekanntmachung über die Verlegung des Sitzes des Obersten Rückerstattungsgerichts von Herford nach München. 29. Dezember 1984, In: BGBl. 1985 II S. 95
  4. Susanne Meinl, Jutta Zwilling: Legalisierter Raub - Die Ausplünderung der Juden im Nationalsozialismus durch die Reichsfinanzverwaltung in Hessen. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2004, S. 530, 712. (Digitalisiert bei Google-Books)
  5. § 1 des Gesetzes zur Überleitung der Zuständigkeit der Obersten Rückerstattungsgerichte auf den BGH (ZustÜblG) vom 17. Dezember 1990 (BGBl I, 2847 [2862]; das ZustÜblG wurde als Art. 9 des Rechtspflege-Vereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1990 verkündet); siehe auch NJW 1991, 1875.
  6. Legalisierter Raub : die Ausplünderung der Juden im Nationalsozialismus durch die Reichsfinanzverwaltung in Hessen / Susanne Meinl ; Jutta Zwilling. - Bestandsübersicht des Bundesarchivs, abgerufen am 25. Mai 2012
  7. NJW 1991, 1875.
  8. Thorsten Kurtz, „Das Oberste Rückerstattungsgericht in Herford. Eine Untersuchung zu Vorgeschichte, Errichtung und Einrichtung eines internationalen Revisionsgerichts in Deutschland“, Band 23 der Reihe Juristische Zeitgeschichte, Verlag De Gruyter, 2014, S. 140 und Endnote 342
  9. Bekanntmachung über die Verlegung des Dritten Senats des Obersten Rückerstattungsgerichts von Nürnberg nach Herford vom 1. Juni 1961, BGBl II, 1961, 564.
  10. Bekanntmachung über die Verlegung des Ersten Senats des Obersten Rückerstattungsgerichts von Rastatt nach Herford. In: BGBl. II, 13. Februar 1968, 108.
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