Oberbozen
Oberbozen (italienisch Soprabolzano) ist eine Fraktion der Gemeinde Ritten in Südtirol (Italien). Das Dorf, zu dem auch der südwestlich anschließende Ortsteil Maria Himmelfahrt gehört, befindet sich auf dem Hochplateau des Ritten in 1220 m Höhe. Aufgrund des Höhenunterschiedes zur Landeshauptstadt Bozen sind die beiden Orte mit der Rittner Seilbahn verbunden, welche den Personentransport auf dem ehemaligen Zahnradabschnitt der Rittner Bahn übernommen hat.
Geschichte
Der Ortsname, der auf die unmittelbare Höhenlage oberhalb Bozen Bezug nimmt, ist ersturkundlich in den Notarsbüchern von Jakob Haas von 1237 und 1242 als „Oberpoazen“ bezeugt;[1] bereits 1302 erscheint die modernere Variante „Oberbotzen“.[2] 1408 fungiert ein Lüdwicus de Oberpoczen als Amtsrichter am Ritten.[3] Die italienische Namensform ist eine wörtliche Übersetzung jüngeren Datums, die von der faschistischen Administration 1923 eingeführt wurde.
Sehenswertes
- Die Oberbozener Erdpyramiden im Katzenbachtal unterhalb Oberbozens (Piramidi di roccia del Renon).
- Die St.-Georgs-und-Jakobs-Kirche stammt aus dem späten 13. Jahrhundert und zeigt im Inneren mittelalterliche Fresken.
- Die Kapelle Maria Schnee in der Ortsmitte, ursprünglich ein Privatoratorium der Familien von Zeno und Menz aus dem frühen 18. Jahrhundert.[4]
- Im Ortsteil Maria Himmelfahrt haben sich Bozener Patrizier und Aristokraten im 17. Jahrhundert Sommerfrischhäuser, einen Schießstand und eine Gloriette gebaut.
- Die Pfarrkirche Oberbozen (erbaut von 1989 bis 1991) ist dem seliggesprochenen Pater Rupert Mayer (1876–1945) geweiht.
- Die sogenannte „Rittner Bahn“ verbindet Oberbozen mit Klobenstein und Maria Himmelfahrt auf der anderen Seite. Während der Fahrt hat man panoramaartige Aussichten auf den Schlern, den Rosengarten und andere Berge der Südtiroler Dolomiten[5].
- Kirchtags-Umzug am 15. August (Mariä Himmelfahrt): üblicherweise um 14:00 Uhr Umzug mit vielen Trachtengruppen, Musikkapellen und Darstellern traditioneller Berufe und Bräuche. Anschließend eines der schönsten Kirchtagsfeste Südtirols.
- Das Bienenmuseum im Plattnerhof in unmittelbarer Nähe von Oberbozen bietet einen Überblick über die Imkerei in Südtirol.[6]
- Der Wolfsgrubner See befindet sich ebenfalls in der Nähe von Oberbozen.
Wirtschaft
Landwirtschaft, Tourismus aber auch das Handwerk bilden die Haupteinnahmequellen der Fraktion Oberbozen.
Größere Tourismus-Betriebe sind das 1905/07 im Stil der Tiroler Alpenhotels im Auftrag der Rittnerbahn-Akltiengesellschaft von Musch & Lun errichtete Parkhotel Holzner (ehemals Hotel Oberbozen)[7] sowie das Hotel Post-Victoria. Der größte Handwerksbetrieb ist Elektro Rottensteiner.
Die Rittner Seilbahn
Der Tourismus war auch der Auslöser für den Bau der Rittner Seilbahn. Am 13. August 1907 wurde Oberbozen erstmals durch den öffentlichen Nahverkehr erschlossen und zwar durch eine Schmalspurbahn samt einer Zahnradlokomotive, um die Steigung zu bewältigen (vgl. Demar 2016)[8]. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur einen Karrenweg. Vom Ausgangspunkt, dem Bozner Waltherplatz, fuhr die Bahn über Maria Himmelfahrt nach Oberbozen und schlussendlich zur Endhaltestelle Klobenstein. Grund für die Errichtung einer solchen Fortbewegungsmöglichkeit war vor allem der Fremdenverkehr am Ritten. Nach dem Zweiten Weltkrieg, und somit mehrere Jahrzehnte nach dem Bau der Bahn, traten erste technische Mängel gehäuft auf. 1969 sollte außerdem eine neue Straße auf den Ritten eröffnet werden, weshalb eine Reparatur der alten Zahnradbahn nicht profitabel gewesen wäre. Es wurde angedacht, eine Seilbahn zu errichten. Am 3. Dezember 1964 ereignete sich ein schwerer Unfall, bei dem ein talwärts fahrender Zug entgleiste, vier Personen in den Tod riss und mehrere Schwerverletzte zurückließ. Durch diesen Unfall wurde der Bau der Seilbahn beschleunigt, und am 16. Juli 1966 ging diese in Betrieb (vgl. Demar 2016)[8]. Die Bahnstrecke von Maria Himmelfahrt nach Klobenstein sollte eigentlich auch geschlossen, konnte aber doch noch erhalten werden.[9] Heute ist sie eine der wichtigsten touristischen Attraktionen am Ritten. Am 23. Mai 2009 wurde die Pendelbahn von der neuen Umlaufbahn abgelöst.
Dorfgestaltung
Das Dorfzentrum befindet sich gegenüber der Bergstation der Seilbahn. Dort haben sich mehrere Läden an der Nordseite der Hauptstraße angesiedelt. Die Wohngebäude erstrecken sich vor allem leicht erhöht im Norden der Hauptstraße. Die ‚Hofer Lun‘, eine unverbaute Graswiese in der Ortsmitte, minimiert die Verdichtung des Dorfes. Am Dorfrand befinden sich das Feuerwehrhaus, das Schwimmbad und der Eislaufplatz, der im Sommer zu einem Fußballplatz wird. Das Dorf befindet sich in einer Schräglage. Ist man von der Hauptstraße Richtung Norden (Gstrahler Moor) unterwegs, muss man eine Geländestufe mit einer erheblichen Steigung überwinden.[10]
Bildung
In Oberbozen gibt es eine Grundschule für die deutsche Sprachgruppe.
Personen
Neben den zum Teil auch außerhalb Südtirols prominenten „Herrischen“ (den Besitzern der Sommerfrischhäuser) und deren Gästen haben sich in Oberbozen aufgehalten:
- Bronisław Malinowski, ein britisch-polnischer Anthropologe, der in den 1920er-Jahren mit seiner Familie mehrere Sommer in Oberbozen verbrachte. Am Malinowski-Haus erinnert eine Gedenktafel an ihn.
- Der Theologe Eberhard Arnold hielt sich mit seiner Familie von April 1913 bis zum Kriegsausbruch 1914 im Pichler-Hof auf und war damit der Heimat der Tiroler Täufer nahe.
- Im September 1930 wollte Lion Feuchtwanger (mit Frau Marta) bei der Literatin Eva Boy Station machen, die sich in der „Villa Reißig“ aufhielt.
In Oberbozen geboren wurden 1877 Hans von Hoffensthal, 1896 der österreichische Politiker Robert Scheuch. Oftmals haben sich in Oberbozen urlaubshalber prominente deutsche Politiker wie Hans-Jochen Vogel und Frank-Walter Steinmeier aufgehalten.
Weblinks
Literatur
- Hans von Hoffensthal: Abschied von Oberbozen. Verl.-Anst. Athesia, Bozen 1989, ISBN 88-7014-538-7 (Erstveröffentlichung: 1907).
- Carl von Braitenberg: 300 Jahre Schießstand in der Oberbozner „Sommerfrisch“. Bozen 1968 (wiederaufgelegt als: Die Schützenscheiben von Oberbozen. Stuttgart 1994).
- Klaus Demar: Rittner Bahn: Die Eisenbahn am Berg. Tourismusverein Ritten, 2016 (PDF; 587 kB)
- Christine Wanker, Alexander Dusleag: Ritten: Geschichtliche Entwicklung der Gemeinde auf der Webseite des Forschungsprojekts „Kulturlandschaftswandel in Südtirol seit 1950“
Quellen
- Egon Kühebacher: Die Ortsnamen Südtirols und ihre Geschichte. Band 1, Bozen: Athesia 1995. ISBN 88-7014-634-0, S. 281.
- Hannes Obermair: Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen bis 1500. Band 1. Stadtgemeinde Bozen, Bozen 2005, ISBN 88-901870-0-X, S. 147, Nr. 169.
- Hannes Obermair: Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen bis 1500. Band 2. Stadtgemeinde Bozen, Bozen 2008, ISBN 978-88-901870-1-8, S. 44, Nr. 920.
- Josef Weingartner: Die Kunstdenkmäler Südtirols. Band 3. T. 1: Ritten, Sarntal, Tschöggelberg. Hözel: Wien-Augsburg 1929, S. 38–39 und 44–45.
- http://www.rittnerbahn.suedtirol-reisen.com/
- http://www.ritten.org/sehenswert/bienenmuseum.htm
- Hotel Oberbozen (Hotel Holzner) für die Aktiengesellschaft Rittner Bahn. In: Bettina Schlorhaufer: Berghotels 1890–1930. Südtirol, Nordtirol und Trentino: Bauten und Projekte von Musch & Lun und Otto Schmid. Band 2, Birkhäuser, Basel 2021, ISBN 978-3-0356-2269-0, S. 234–245.
- Klaus Demar: Rittner Bahn: Die Eisenbahn am Berg. Abgerufen am 12. April 2019.
- Christine Wanker, Alexander Dusleag: Kulturlandschaftswandel in Südtirol seit 1950. Abgerufen am 12. April 2019.
- Lorenz Zenleser: Das suburbane Dorf. Oberbozen im Wandel. Bachelorarbeit, Universität Innsbruck 2017.