Nostoc

Nostoc (gelegentlich deutsch auch „Zitteralge“ genannt[1]) ist eine Gattung von Cyanobakterien[2] (herkömmlich „Blaualgen“ ge­nannt), die kugelige oder hautartige Kolonien aus langen, un­ver­zweig­ten Zellschnüren in einer gelatinösen Hülle bilden. Sie ent­halten im Zytoplasma grüne Farbstoffe und betreiben Photo­synthese. Spezialisierte Hetero­cysten innerhalb der Zellketten sind für die Stickstoffbindung zuständig. Nostoc wurde von der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie zur „Mikrobe des Jahres 2014“ gekürt.[3]

Nostoc

Nostoc commune

Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Stamm: Cyanobakterien s. l. (Cyanobacteriota)
Klasse: Cyanobakterien s. s. (Cyanophyceae)
Ordnung: Nostocales
Familie: Nostocaceae
Gattung: Nostoc
Wissenschaftlicher Name
Nostoc
Vaucher ex Bornet & Flahault

Etymologie

Der Name Nostoc wurde von Paracelsus geprägt. Es ist eine Kombination von Englisch nostril „Nasenloch“ und Deutsch Nasenloch, wahrscheinlich wegen der ähnlichen Erscheinung zu Nasensekret.[4]

Vorkommen

Es gibt Nostoc-Arten, die in Gewässern leben, zum Beispiel am Grund von Süßwasserteichen und Quellen (siehe etwa Teichpflaume). Sehr selten kommen sie auch in Salzwasser vor. Nostoc-Kolonien sind aber auch außerhalb von Gewässern anzutreffen, unter anderem auf Wegen und Steinen. In trockenem Zustand sind die Kolonien papierdünn. Durch Wasserzufuhr, etwa nach einem Regenschauer, quellen sie zu einer gallertartigen Masse auf.

Viele Nostoc-Arten leben in Symbiose mit Pflanzen oder Pilzen. So kommen sie zum Beispiel als Phytobiont in Flechten vor. Des Weiteren können sie innerhalb des Wasserfarns Azolla und in Hornmoosen leben. Verschiedene Nostoc-Stämme leben in Symbiose mit Vertretern der tropischen Pflanzengattung Gunnera[5]. Die Symbiosepartner profitieren dabei von der Fähigkeit der Cyanobakterien, atmosphärischen Stickstoff zu Ammonium zu reduzieren.

Systematik

Teichpflaumen (Nostoc pruniforme)
Nostoc verrucosum, links Kolonie, rechts zwei Ketten (Filamente); sp: Sporen, h: Heterocyste

Nostoc gehört zur Familie der Nostocaceae; hier eine Auswahl einiger Arten:

  • Nostoc azollae
  • Nostoc caeruleum
  • Nostoc carneum
  • Nostoc comminutum
  • Nostoc commune – Engelsschnäutze[6] oder Sternschneuzer[7]
  • Nostoc ellipsosporum
  • Nostoc flagelliforme
  • Nostoc linckia
  • Nostoc longstaffi
  • Nostoc microscopicum
  • Nostoc paludosum
  • Nostoc pruniformeTeichpflaume
  • Nostoc punctiforme
  • Nostoc sphaericum
  • Nostoc spongiaeforme
  • Nostoc verrucosum
  • Nostoc zetterstedtii

Verschiebungen:

  • Nostoc muscorumDesmonostoc muscorum[8] – Moos-Zitteralge[1]

Geschichte

Abbildung von «Sterngeschütz» im Kleinen Destillierbuch

Hieronymus Brunschwig

In der ersten Ausgabe (1500) seines Kleinen Destillierbuchs beschrieb Hieronymus Brunschwig «Sterngeschütz» als

„... ein gewechß glich einer geſtanden galreyen[9] oder ſultzen wachſen / glottern[10] ligend vff eychnem holtz dz ab gehouwen iſt vnd fulen will. Des glichen ander holtz me vff den verlegenden alten ackern oder egerden[11] do vil weckolter ſtond eyner grüenen farben ſchweben etwan vff dem erdtrich glich einer galrey.“

Das aus «Sterngeschütz» destillierte Wasser empfahl Brunschwig als besonders erprobtes Mittel zur äußerlichen Wundbehandlung. Hermann Fischer sah in Brunschwigs Beschreibung eine erste Erwähnung der Lohblüte und von Nostoc commune.[12][13] In späteren Ausgaben des Kleinen Destillierbuchs wurde das Kapitel über Sterngeschütz ausgelassen.

Paracelsus

Im 16. Jh. wurden Nostoc- und Fuligo-Arten als «Sterngeschoz» oder «Sterngeschütz» bezeichnet.[14] Die Beobachtung, dass vor allem die Nostoc-Arten nach einem Gewitterregen aufquellen und plötzlich sichtbar werden, bewog Paracelsus zu der Interpretation, dass sie feurige Körper seien, die von den Sternen abgeworfen werden, und dass sie, sobald sie die Erde berühren,

„... jrdiſch ſind vnd kein fewr mehr / ſondern ein ſultze[15] vnd ein ſchleim / wie rott farben oder gelbfarben froschleich.“[16]

Paracelsus gab diesen «Sterngeschützen» den Namen «Nostoch».[17][18][19][20]

China

Im 20. Jahrhundert wurden Nostoc-Arten von der chinesischen Landbevölkerung als Lebensmittel gesammelt und „Himmelsgemüse“ genannt.[21] Zu den essbaren Nostoc-Arten gehören Nostoc flagelliforme, Nostoc commune, Nostoc ellipsosporum, Nostoc verrucosum und Teichpflaume (Nostoc pruniforme).[22]

Literatur

  • Heiko Bellmann/Klaus Hausmann/Klaus Janke/Bruno P. Kremer/Heinz Schneider: Einzeller und Wirbellose. Ohne Weichtiere und Gliederfüßer. Steinbachs Naturführer, Mosaik-Verlag, München 1991. ISBN 3-576-06495-8
  • Walter K. Dodds, Dolly A. Gudder, Dieter Mollenhauer The Ecology of Nostoc. In: Journal of Phycology. Band 31, Nr. 1, 1995, S. 2–18
Commons: Nostoc – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. W. K. Hofbauer, K. Breuer, K. Sedlbauer: Algen, Flechten, Moose und Farne auf Fassaden. Auf: Mexico Documents (vdocuments.mx), 30. März 2017.
  2. NCBI: Nostoc (genus, heterotypic synonym: Amorphonostoc); graphisch: Nostoc, auf: Lifemap, NCBI Version.
  3. MALCOLMYR 1997 POTTS: Etymology of the Genus Name Nostoc (Cyanobacteria). In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 47, Nr. 2, ISSN 1466-5034, S. 584–584, doi:10.1099/00207713-47-2-584 (microbiologyresearch.org [abgerufen am 20. März 2022]).
  4. Genetic diversity of Nostoc microsymbionts from Gunnera tinctoria revealed by PCR-STRR fingerprinting R Guevara, JJ Armesto, M Caru - Microbial ecology, 2002 - Springer (eng) (pdf)@1@2Vorlage:Toter Link/www.socbotanica.cl (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  5. Georg Fuchs, Thomas Eitinger, Hans Günter Schlegel: Allgemeine Mikrobiologie. Georg Thieme Verlag, 2007. ISBN 9783134446081. S. 413.
  6. Suche: Sternschneuzer. Auf: Algendatenbank (aquamax.de).
  7. LPSN: Species Nostoc muscorum.
  8. Deutsches Wörterbuch. Galrei
  9. Deutsches Wörterbuch. Glottern
  10. Deutsches Wörterbuch. Egert
  11. Hieronymus Brunschwig. Liber de arte distillandi de simplicibus. Straßburg 1500, Blatt 100r-v (Digitalisat)
  12. Hermann Fischer. Mittelalterliche Pflanzenkunde. Verlag der Münchner Drucke, München 1929, S. 112, Nr. 27
  13. Deutsches Wörterbuch. Sterngeschoz
  14. Deutsches Wörterbuch. Sulze 3)
  15. Paracelsus: Das Buch Meteorum. Köln 1566, S. 63: Caput X. De exhalationibus (Digitalisat).
  16. Dazu auch: Heinrich Marzell: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen. Hirzel, Leipzig 1943–1958, Bd. II, Sp. 504–505: Fuligo septica und Bd. III, S. 335–338: Nostoc commune.
  17. Malcom Potts: Etymology of the Genus Name Nostoc (Cyanobacteria). In: International Journal of Systematic Bacteriology, April 1997, S. 584.
  18. Philipp Lorenz Geiger: Handbuch der Pharmacie zum Gebrauche bei Vorlesungen & zum Selbstunterrichte für Ärzte, Apotheker & Droguisten. Wolters, Stuttgart, 2. Band, 2. Hälfte 1830, S. 1658: Nostoc commune (Digitalisat)
  19. Wolfgang Schneider: Lexikon zur Arzneimittelgeschichte. Sachwörterbuch zur Geschichte der pharmazeutischen Botanik, Chemie, Mineralogie, Pharmakologie, Zoologie. Govi-Verlag, Frankfurt a. M. Band 5/2 (1968), S. 364–365: Nostoc (Digitalisat)
  20. W. M. Porterfield, Jr.: References to the Algae in the Chinese Classics. In: Bulletin of the Torrey Botanical Club. Band 49, Nr. 10, Oktober 1922, S. 299, doi:10.2307/2480100 (englisch).
  21. Green Deane: Nostoc Num Nums. In: Eat The Weeds. Abgerufen am 3. November 2020 (englisch).
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