Nordecker Burgkapelle
Die Nordecker Burgkapelle ist die Burgkapelle von Burg Nordeck in Allendorf, einer Stadt im Landkreis Gießen (Hessen). Der im Kern romanische Saalbau wurde im 12. Jahrhundert innerhalb der Mauern der Vorburg errichtet. Das hessische Kulturdenkmal[1] ist einer der ältesten Sakralbauten der Region, die noch genutzt werden.[2]
Geschichte
Die Burganlage wurde um 1100 wahrscheinlich von den Grafen zu Gleiberg angelegt und war anschließend Stammsitz der Nordeck zur Rabenau. Die vermutlich bald nach der Erbauung der Burg errichtete Burgkapelle war dem heiligen Wendelin geweiht.[3] Möglicherweise stifteten die Landgrafen Hermann I. von Hessen und Heinrich II. im oder vor dem Jahr 1350 Wendelin einen Altar.[4]
Ein erster Pleban ist für das Jahr 1260 nachgewiesen. Nordeck war 1322 nach Ebsdorf eingepfarrt und gehörte zusammen mit Allendorf ab 1577 zur Pfarrei Winnen.[5]
Im Jahr 1708 erfolgte ein eingreifender Umbau des Gotteshauses. Die Kapelle wurde zur Mauer hin erweitert und erhielt eine neue Decke und ein neues Dach mit oktogonalem Turmaufbau und welscher Haube. Das Westportal und die Fenster wurden verändert und mit Sandsteingewänden versehen und im Inneren eine Empore eingebaut. Eine Wappentafel über dem Eingang ist mit dem Jahr 1708 bezeichnet und weist auf die Umbaumaßnahmen der Rau von Holzhausen.[1] Vermutlich wollten die Patronatsherren die Burgkapelle für regelmäßige Sonntagsgottesdienste umbauen. Zuvor fanden hier nur Gottesdienste für die Bewohner der Burg statt. Aufgrund einer Beschwerde der Familie ordnete das Kirchenkonsistorium in Marburg an, dass zwischen 1733 und 1780 abwechselnd Gottesdienste in Winnen und Nordeck gehalten wurden.[6]
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts verfiel die Kapelle zusehends, bis eine Renovierung im Jahr 1842 sie wiederherstellte. Weitere Restaurierungen folgten 1888 und 1933/1934.[3] Auf die Maßnahmen im Jahr 1888 weist eine Gedenktafel, die in der Burgmauer nahe der Kapelle eingelassen ist: „RESTAURIERT 1888 A NORDECK ZU RABENAU“.[1] Freiwillige Helfer ermöglichten 1933/34 die Renovierung und Instandhaltung des Gebäudes.[7] Der Schriftkünstler Rudolf Koch, der sich 1934 auf der Burg aufhielt, hatte Anteil an der Renovierung und entwarf die Altargeräte und versah den Chor mit zwei Wandsprüchen.[8]
Nachdem die Kapelle über 150 Jahre nicht zum Gottesdienst genutzt wurde, dient sie seit 1952 für Kasualien (Taufen und Trauungen) und besondere Gottesdienste.[9] Gelegentlich werden an besonderen Feiertagen Gottesdienste in Nordeck gefeiert.[7]
Zusammen mit Nordeck und Wermertshausen bildete Winnen bis Ende 2011 eine Pfarrei im äußersten Südwesten der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.[10] Nach 435 Jahren wurde Wermertshausen am 1. Januar 2012 aus dem Kirchspiel Winnen gelöst und mit der evangelischen Kirchengemeinde Dreihausen/Heskem verbunden.[11]
Von 2012 bis 2016 ließen die Eigentümer, Christoph Graf von Schwerin und Anna Dorothea Gräfin von Schwerin, eine Innensanierung durchführen, die die Beseitigung der Hausschwämme, die Sanierung der Fenster und einen Innenanstrich umfasste. Ein zweiter Bauabschnitt für die Außensanierung wird mit € 50.000 veranschlagt. Nach der Bildung eines Trägervereins ist eine zukünftige Nutzung für Gottesdienste und Taufen, für standesamtliche Trauungen und Konzerte geplant.[12]
Architektur
Der geostete Saalbau auf rechteckigem Grundriss ist aus Basalt-Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung aus Lungstein nordöstlich der Hauptburg als eigenständiger Baukörper und südlich der nördlichen Burgmauer errichtet. Die Mauer, dessen Wehrgang teilweise noch erhalten ist, umschloss ursprünglich einen Teil des Dorfes am südlichen Hang. Die Maße der Kapelle entsprechen dem römischen Fuß, was auf eine Entstehung vor oder um 1100 hinweist. Die Kapelle ist 28 Fuß breit und die Mauern 3½ Fuß stark.[4]
Der rechteckige Grundriss des 12. Jahrhunderts ist aufgeteilt in ein Viereck für Chor und eins für den Gemeinderaum, der nur unwesentlich größer als der Chor ist. Die Größe des Altar- und Priesterraums weist auf die Bedeutung des östlichen Teils.[4] Ein Satteldach, dem im Westen ein achtseitiger, verschieferter Dachreiter aufgesetzt ist, schließt die Kapelle ab. Über dem achtseitigen Schaft erhebt sich das Glockengeschoss mit acht rundbogigen Schalllöchern, das von einer welschen Haube bekrönt wird. Der Dachreiter beherbergt ein Zweiergeläut aus Bronze. Eine Glocke von 1955 wurde als Ersatz für eine 1942 beschlagnahmte Glocke gegossen. Die andere aus dem 14. Jahrhundert trägt die Inschrift MARIA im Kordelstreifen am Hals und zeigt ein Kruzifix zwischen Maria und Johannes.[8]
In der Südmauer belichten drei rundbogige Fenster und in der Ostseite ein Rundbogenfenster den Innenraum. Die westliche Giebelseite ist fensterlos. An dieser Seite erschließt ein rechteckiges Portal mit einem geraden Sturz und einem lünettenförmigen Oberlicht in schlichter Umrahmung aus rotem Sandstein die Kapelle. Die südliche Chorwand wird durch einen Strebepfeiler abgestützt, der wahrscheinlich in gotischer Zeit stumpf angesetzt wurde.[1]
Seit der Erweiterung von 1708 sind Kapelle und Burgmauer durch einen etwa drei Meter breiten, querschiffartigen Anbau nach Norden miteinander verbunden, der in der Burgmauer seine Außenwand gefunden hat. Die Kapelle hat hierdurch einen annähernd winkelförmigen Grundriss erhalten. Der Anbau mit Satteldach hat an der Westseite eine rundbogige Eingangstür und im Osten ein Rundbogenfenster sowie Fenster im nördlichen Giebeldreieck.
Im Inneren werden Chor und Gemeinderaum durch einen Chorbogen verbunden, der ursprünglich vielleicht rundbogig war und in gotischer Zeit nach oben spitzbogig erhöht wurde. Während der Gemeinderaum flachgedeckt ist, hat der Chor ein Kreuzgratgewölbe, das auf Eckvorlagen ruht.[1]
Ausstattung
Der flachgedeckte Gemeinderaum ist schlicht gestaltet. An einer Eckvorlage im Chor wurden Anfang der 1950er Jahre Reste eines gotischen Freskos freigelegt, die zur Konservierung wieder übertüncht wurden. Ein Schädel trägt zwischen den Hörnern eine kleinzackige Krone. Augen stechen aus tiefen Höhlen hervor und ein offener Mund zeigt zwei spitze Eberhauer. Der englischrote Teufelskopf hatte eine apotropäische Funktion und wies auf die heilsrelevante Dimension der Altarhandlungen.[13]
Die 1708 eingebaute, hölzerne Westempore ruht auf drei Rundsäulen, die auch den Dachreiter stützen.[8] Der Boden ist seit den 1930er Jahren mit Sandsteinplatten belegt, die das alte Kopfsteinpflaster ersetzen.[7]
Das Taufbecken, das Altarkreuz, und andere Altargeräte wurden 1934 von Rudolf Koch entworfen, der die Schriftzüge an der Chorwand ohne Vorzeichnung in weniger als 20 Minuten in gotischen Buchstaben aufmalte. Links vom Ostfenster ist der Bibelvers aus Ps 103,13 zu lesen, rechts Jes 40,31a .[7] Der hölzerne Altartisch und der Patronatsstuhl auf der Empore, der die Wappen von Schwerin und Eulenburg trägt, stammen ebenfalls aus diesem Renovierungsjahr. Die Emporenbrüstung trägt die Wappen derer von Nordeck und von Schwerin. Der vergitterte Pfarrstuhl an der nördlichen Chorwand dient auch als Sakristei. Über ihr ist ein Kruzifix aus dem 18. Jahrhundert angebracht.[6]
Das Altarkreuz nach einem Entwurf von Koch wurde 1934 von der hiesigen Goldschmiede Schönwandt ausgeführt. Es besteht aus Holz, das mit goldglänzendem Messing ummantelt ist und so zum Triumphkreuz wird. Die Balken sind mit runden Nieten verziert. Die vier Balkenenden tragen die Namen der vier Evangelisten, in der Mitte ist das Christusmonogramm angebracht. Den Sockel bildet eine vierstufige Pyramide, auf der Wasserwellen und die Namen der Paradiesströme (Gen 2,10–14 ) eingraviert sind.[14]
Literatur
- Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen I: Regierungsbezirke Gießen und Kassel. Bearbeitet von Folkhard Cremer und anderen. Deutscher Kunstverlag, München / Berlin 2008, ISBN 978-3-422-03092-3, S. 706 f.
- Heimat- und Verkehrsverein Allendorf (Lumda) e.V. (Hrsg.): Allendorf an der Lumda. Die Mitte des Tales. Deissmann, Allendorf 1987.
- Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.), Karlheinz Lang (Bearb.): Kulturdenkmäler in Hessen. Landkreis Gießen III. Die Gemeinden Allendorf (Lumda), Biebertal, Heuchelheim, Lollar, Staufenberg und Wettenberg. (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland). Theiss, Stuttgart 2010, ISBN 3-8062-2179-0, S. 75.
- Peter Weyrauch: Die Kirchen des Altkreises Gießen. Mittelhessische Druck- und Verlagsgesellschaft, Gießen 1979, S. 138 f.
- Markus Zink; Evangelische Kirchengemeinde (Hrsg.): Die Pfarrei Winnen. Kirchen Kunst Geschichte. Ein Kirchenführer. Evangelischer Medienverband, Kassel 2004.
Weblinks
- Nordeck. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 30. Juni 2014.
- Webseite der Kirchengemeinde Winnen
- www.burgen-und-schloesser.net: Geschichte von Burg Nordeck
Einzelnachweise
- Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Hessen. 2010, S. 75.
- Zink; Evangelische Kirchengemeinde (Hrsg.): Die Pfarrei Winnen. 2004, S. 5.
- Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. 2008, S. 707.
- Weyrauch: Die Kirchen des Altkreises Gießen. 1979, S. 138.
- Nordeck. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 30. Juni 2014.
- Zink; Evangelische Kirchengemeinde (Hrsg.): Die Pfarrei Winnen. 2004, S. 48.
- Zink; Evangelische Kirchengemeinde (Hrsg.): Die Pfarrei Winnen. 2004, S. 49.
- Weyrauch: Die Kirchen des Altkreises Gießen. 1979, S. 139.
- burgen-und-schloesser.net: Geschichte von Burg Nordeck, abgerufen am 6. April 2018.
- Heimat- und Verkehrsverein Allendorf (Hrsg.): Allendorf an der Lumda. 1987, S. 233.
- Oberhessische Presse vom 13. April 2012: Nach 435 Jahren endet gemeinsamer Weg (Memento des vom 27. September 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 6. April 2018.
- Gießener Allgemeine Zeitung: Burg Nordeck: So soll die alte Kapelle gerettet werden, abgerufen am 6. April 2018.
- Zink; Evangelische Kirchengemeinde (Hrsg.): Die Pfarrei Winnen. 2004, S. 47.
- Zink; Evangelische Kirchengemeinde (Hrsg.): Die Pfarrei Winnen. 2004, S. 50.