Nischmat
Nischmat[1] (hebräisch נִשְׁמַת כָּל-חַי תְּבָרֵךְ אֶת-שִׁמְךָ; dt. „Die Seele von allem Lebendigen segne Deinen Namen“) ist Teil des jüdischen Morgengebets.
Beschreibung
Es wird nach dem Lied am Schilfmeer (Schirat HaJam) während des Psuke desimra, aber vor dem Jischtabach am Schabbat und am Jom Tow gesungen. Es wird in manchen Traditionen auch während des Seders vorgetragen.[2] Nischmat und Jischtabach werden in gewisser Weise als einheitliches langes Gebet angesehen, das werktags auf Jischtabach gekürzt wird, wenn es keine Zeit gibt, das gesamte Gebet vorzutragen.[3] Die im Lied dargelegten Prinzipien stammen aus der Halacha.[4][5]
Das Wort Nischmat (נִשְׁמַת) geht zurück auf neshama (נְשָׁמָה Seele), womit auf die Seele als Teil des Atems eines jeden Lebewesens angespielt wird.[6][7]
Vermutlich bestand dieses Gebet von Anfang an. Der Talmud (Bavli P’sachim 118a) schreibt es Jochanan bar Nappacha zu.[4] Danach sei dieses Gebet während des Seder nach dem Hallel vorzutragen. Das „Nischmat-Lied“ wurde Pflichtbestandteil der jüdischen Liturgie in der Zeit von Saadia Gaon.[8][9] Es gibt aber auch Meinungen, dass es älter sei.[4] Der Autor des Gebetes ist nicht bekannt. Einige Wissenschaftler haben angegeben, dass es von einem Mann namens Jitzchak (יִצְחָק, Isaak) verfasst worden sei, der mit einer Frau Riwka (רִבְקָה, Rebekka) verheiratet war. Die Grundlage für diese Vermutung lieferte das akrostiche Arrangement (Akrostichon) der Verse.[7]
Einige Gelehrte meinen, dass der Name des Autors aufgrund des Arrangements der Verse innerhalb des Gebets Schimon (שמעון) gewesen sein könnte und erklärten, dass es möglicherweise Schimon ben Schetach gewesen sein könnte. Andere meinen, dass das Nischmat von Simon Petrus stammen könnte, dessen ursprünglicher Name auch Schimon (שמעון) lautete.[10]
Text und Übersetzung
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„Die Seele alles Lebenden segne Deinen Namen, Gott unser Gott, und der Geist alles Fleisches verherrliche und erhebe immerwährend Dein Andenken, unser König. Von aller Vergangenheit bis in alle Zukunft bist Du Gott.“ | ||
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„außer Dir haben wir keinen König, Annehmer, Helfer, Erlöser, Erretter, Ernährer und Erbarmer, in jeder Zeit der Not und der Drangsal haben wir keinen König außer Dir.“ | ||
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„Gott der Ersten und der Letzten, Gott aller Geschöpfe, Herr aller Erzeugten, dessen Thatenlob in der Fülle aller Preisungen ausgesprochen wird, der seine Welt in Liebe und seine Geschöpfe in Erbarmen leitet.“ | ||
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„Und Gott schlummert nicht und schläft nicht, er ists vielmehr, der Schlafende wach macht, der Betäubte weckt, der Stummen Sprache giebt, der Gebundene löst, der Fallende stützt und der Gebeugte aufrichtet, Dir, Dir allein bekennen wir uns mit Dank.“ | ||
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„Wäre unser Mund Gesanges voll wie das Meer, und unsere Zunge voller Gefühlserguß wie das Wogen seiner Wellen, und unsere Lippen voller Preis wie des Himmels Weiten, und leuchtend unsere Augen wie Sonne und Mond, unser Hände, ausgebreitet wie des Himmels Adler und leicht unsere Füße wie die Rehe: so würden wir nicht ausreichen, Dir, Gott, unserm Gott und Gott unserer Väter, zu danken und Deinen Namen für ein Tausendstel der Millionen und Milliarden mal an unseren Vätern und an uns geübten Wohltaten zu segnen.“ | ||
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„Aus Mizrajim hast Du, Gott unser Gott, uns erlöst, aus der Sklavenheimat uns freigemacht, hast in Hungersnot uns gespeist und in Sättigung uns versorgt, hast vom Schwert uns gerettet, von Pest uns befreit und bösen und anhaltenden Krankheiten uns enthoben. Bis hierher hat uns Dein Erbarmen geholfen und haben Deine Liebesthaten uns nicht verlassen, wollest Du, Gott unser Gott, auf ewig uns nicht verlassen.“ | ||
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„Darum sollen die Glieder, die du uns eingegliedert, Geist und Seele, die Du unserm Antlitz eingehaucht,und die Zunge, die Du in unsern Mund gegeben, sie sollen huldigen, segnen, preisen, verherrlichen, erheben und die Macht, Heiligkeit und Herrschaft deines Namens, unser König, aussprechen.“ | ||
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„Denn jeder Mund huldigt Dir, jede Zunge schwört Dir, jedes Knie beugt sich Dir und alles was aufrecht steht, wirft vor Dir sich hin, alle Herzen fürchten Dich, und alle Eingeweide und Nieren lobsingen deinen Namen, wie es geschrieben steht. Alle meine Glieder sagen: Gott, wer ist wie Du ein Retter des Armen von dem ihm zu Starken, des Armen und Wehrlosen von seinem Räuber. Wer ähnelt Dir, wer gleicht Dir, wer kann sich Dir gleichordnen, großer, starker und furchtbarer Gott, höchster Gott, Eigner von Himmel und Erde. Dein Thatenlob wollen wir sprechen, Dich preisen, Dich verherrlichen, Deinen heiligen Namen segne wie von David gesagt ist.“ | ||
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„Segne meine Seele Gott und all mein Inneres seinen heiligen Namen! Gott, in der Machtfülle Deiner Stärke, groß in der Herrlichkeit Deines Namens, allmächtig in Ewigkeit und zu fürchten in Deinen Fruchtbarkeiten, hoch erhaben auf seinem Thron thronender König!“ | ||
Quelle: Samson Raphael Hirsch: סדור תפלות ישראל (Siddûr tefillôt Yiśrāʾēl). Israels Gebete.[11] |
Einzelnachweise
- Edouard Selig, Josef Scheuer, Albert Richter: Siddur schma kolenu. Verlag Morascha, Basel 2011, OCLC 781822600, S. 328.
- Kerry M. Olitzky: Preparing your heart for Passover: a guide for spiritual readiness. Jewish Publication Society, Philadelphia 2002, OCLC 47930521, S. 82.
- Joseph Dov Soloveitchik, Joel B. Wolowelsky, Reuven Ziegler: Festival of freedom: essays on Pesah and the Haggadah. KTAV, Jersey City (NJ) 2006, OCLC 62728456, S. 112.
- Lawrence A. Hoffman: My People’s Prayer Book: Shabbat morning. Shacharit and Musaf., Vermont Jewish Lights Publ., Woodstock 2007, OCLC 612993748, S. 45, 58, 59.
- J. David Bleich: Contemporary halakhic problems. Band 4, KTAV, New York 1977, OCLC 2817984, S. 310, S. 314.
- Marcia Falk: The book of blessings. New Jewish prayers for daily life, the Sabbath, and the new moon festival (he: ספר הברכות : סדור בגרסה חדשה לימות החל, לשבת ולראש חדש). Harper, San Francisco 1996, OCLC 34191830, S. 490.
- Jeffrey M. Cohen: 1,001 Questions and Answers on Rosh Hashanah and Yom Kippur. Jason Aronson, Northvale (N.J.) 1997, OCLC 36648489, S. 166, 167.
- Adena Tanenbaum: The contemplative soul: Hebrew poetry and philosophical theory in medieval Spain. Brill, Leiden/Boston 2002, OCLC 191935939, S. 17–18.
- Rabbi Dr. Barry Freundel: Why we pray what we pray. The remarkable history of Jewish prayer. Urim, Jerusalem/New York 2010, OCLC 650220792, S. 84.
- Ronald L. Eisenberg: The JPS guide to Jewish traditions. Jewish Publication Society, Philadelphia 2004, OCLC 647931994, S. 411.
- Samson Raphael Hirsch: Siddûr tefillôt Yiśrāʾēl / übers. u. erl., 3. Aufl., I. Kauffmann, Frankfurt a. M. 1921, OCLC 18389019, S. 299f.