Neutsch

Neutsch ist ein Ortsteil der Gemeinde Modautal im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg und liegt ca. 15 Kilometer südlich von Darmstadt im vorderen Odenwald. Neutsch liegt etwa 320 Meter über dem Meeresspiegel. Die rund 280[3] Einwohner leben in etwa 90 Haushalten.

Neutsch
Gemeinde Modautal
Wappen von Neutsch
Koordinaten: 49° 47′ N,  43′ O
Höhe: 320 m ü. NHN
Fläche: 3,4 km²[1]
Einwohner: 285 (30. Jun. 2023)[2]
Bevölkerungsdichte: 84 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. Januar 1977
Postleitzahl: 64397
Vorwahl: 06167
Neutsch
Neutsch

Geschichte

Ortsgeschichte

Die Geschichte des Ortes geht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Die erste urkundliche Erwähnung ist aus dem Jahr 1347 bekannt. 1370 verkauft Konrad von Reckershausen mit Einwilligung seines Sohnes Wolf die Vogtei wiedereinlöslich seinem Lehnsherrn Graf Wilhelm von Katzenelnbogen. Im Jahr 1500 belehnte Landgraf Wilhelm von Hessen die von Wallbrunn mit Neutsch.[1] 1722 verkaufen die Brüder Johann Moritz Friedrich von Wallbrunn dem Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen Schloss und Gut zu Ernsthofen mit den dazugehörigen Dörfern, nämlich Ernsthofen, Asbach, Hoxhohl, Klein-Bieberau und Neutsch, nebst Gefällen in zwölf weiteren Orten, darunter Ober-Modau, Rodau, Waldhausen, Billings und Meßbach.[4]

Neutsch lag im Gerichtsbezirk der Zent Oberramstadt. Die Zent war in sogenannte „Reiswagen“ eingeteilt, denen jeweils ein Oberschultheiß vorstand, die dem Zentgrafen unterstellt waren. Dieser Bezirk hatte einen Frachtwagen (Reiswagen) einschließlich Zugtieren und Knechten für Feldzüge bereitzustellen. Neutsch gehörte zum „Brandauer Reiswagen“, dem auch noch die Orte Brandau, Neunkirchen, Allertshofen, Hoxhohl, Herchenrod, Lützelbach, Ernsthofen, Klein-Bieberau und Webern angehörten. Die gesamte Zent Oberramstadt war dem Amt Lichtenberg zugeteilt. Diese Einteilung bestand noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts.[5]

In den historischen Dokumenten ist der Ort im Laufe der Jahrhunderte unter wechselnden Ortsnamen belegt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1] Nitz (1370), Nyts (1388), Nytz (1420), Nytze (1457), Nytzs (1488), Neytz (1545), Neitz (1559), Nytze (1602), Neitz (1670) und Neutsch (1722)

Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Neutsch:

»Neutsch (L. Bez. Reinheim) luth. Filialdorf; liegt 3 St. von Reinheim, besteht aus 10 Häusern und hat 94 Einw., die bis auf 8 Kath. lutherisch sind. Der Ort gehörte den Herrn von Wallbrunn und kam 1722 durch Kauf an Hessen. Auf der Höhe bei Neutsch neben der Straße stand früher eine Kapelle.«[6]

Um 1865 gehörte Neutsch zu Ober-Modau.[7]

Hessische Gebietsreform (1970–1977)

Zum 1. Januar 1977 wurden im Zuge der hessischen Gebietsreform die bis dahin selbstständigen Gemeinden Neutsch, Asbach, Brandau, Ernsthofen, Klein-Bieberau und Modautal kraft Landesgesetz zur heutigen Gemeinde Modautal zusammengeschlossen.[8][9] Für Neutsch wurde ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[10]

Verwaltungsgeschichte im Überblick

Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Neutsch angehört(e):[1][11][12]

Gerichte

Neutsch gehörte zum Zentgericht Oberramstadt. In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für das Fürstentum Starkenburg wurde das „Hofgericht Darmstadt“ als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen. Damit war für Neutsch das Amt Lichtenberg zuständig. Das Hofgericht war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt. Die Zentgerichte hatten damit ihre Funktion verloren.

Mit Bildung der Landgerichte im Großherzogtum Hessen war ab 1821 das Landgericht Lichtenberg das Gericht erster Instanz, zweite Instanz war das Hofgericht Darmstadt. Es folgten:[1]

Bevölkerung

Einwohnerentwicklung

 1629:010 Hausgesesse[1]
 1806:085 Einwohner, 11 Häuser[13]
 1829:094 Einwohner, 10 Häuser[6]
 1867:133 Einwohner, 16 Häuser[15]
Neutsch: Einwohnerzahlen von 1791 bis 2020
Jahr  Einwohner
1791
 
66
1800
 
81
1806
 
85
1829
 
94
1834
 
98
1840
 
98
1846
 
87
1852
 
105
1858
 
120
1864
 
131
1871
 
130
1875
 
133
1885
 
153
1895
 
158
1905
 
140
1910
 
137
1925
 
148
1939
 
104
1946
 
252
1950
 
249
1956
 
190
1961
 
205
1967
 
190
1970
 
177
1980
 
?
1990
 
?
2000
 
?
2007
 
247
2010
 
245
2011
 
246
2015
 
247
2020
 
277
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: LAGIS[1]; 1791[16]; 1800[17]; Gemeinde Modautal:[18]; Zensus 2011[19]

Historische Religionszugehörigkeit

 1829:86 lutheranische (= 91,49 %) und 8 katholische (= 8,51 %) Einwohner[6]
 1961:155 evangelische (= 75,61 %), 46 katholische (= 22,44 %) Einwohner[1]

Politik

Für Neutsch besteht ein Ortsbezirk (Gebiete der ehemaligen Gemeinde Neutsch) mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung.[10] Der Ortsbeirat besteht aus fünf Mitgliedern. Seit den Kommunalwahlen 2016 ist Corinne Böckstiegel Ortsvorsteherin.[20]

Wappen

Im Dezember 1950 wurde der Gemeinde Neutsch durch das Hessische Staatsministerium das Recht zur Führung eines Wappens verliehen.[21]

Regelmäßige Veranstaltungen

  • Juli: Kerb (Am zweiten Juliwochenende)[22]

Ortsansichten

Siehe auch

Anmerkungen und Einzelnachweise

Anmerkungen

  1. Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung waren die Ämter und frühen Gerichte sowohl Gericht als auch Verwaltungsorgan.
  2. Infolge der Rheinbundakte.
  3. Das Großherzogtum Hessen war von 1815 bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes. Ein Staatenbund ehemaliger Territorien des Heiligen Römischen Reichs. Er gilt als gescheiterter Versuch einer erneuten Reichsgründung.
  4. Trennung zwischen Justiz (Landgericht Lichtenberg) und Verwaltung.
  5. Im Zuge der Gebietsreform 1938 wurde die Provinz Starkenburg aufgelöst.
  6. Infolge des Zweiten Weltkriegs.
  7. Am 1. Januar 1977 als Ortsbezirk zur Gemeinde Modautal.

Einzelnachweise

  1. Neutsch, Landkreis Darmstadt-Dieburg. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 24. August 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. Zahlen und Fakten. In: Webauftritt. Gemeinde Modautal, abgerufen im November 2023.
  3. Zahlen und Fakten aus der Gemeinde Modautal. Abgerufen am 28. November 2023.
  4. Ernsthofen, Landkreis Darmstadt-Dieburg. Historisches Ortslexikon für Hessen (Stand: 23. Juli 2012). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 1. Oktober 2012.
  5. Ferdinand Dieffenbach: Das Großherzogthum Hessen in Vergangenheit und Gegenwart. Literarische Anstalt, Darmstadt 1877, S. 254 (online bei Google Books).
  6. Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Starkenburg. Band 1. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt Oktober 1829, OCLC 312528080, S. 168 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Bürgermeisterei Ober-Modau, bestehend aus den Gemeinden Ober-Modau und Neutsch. In: Anzeige-Blatt für die Kreise Dieburg u. Neustadt. Nr. 27/1865.
  8. Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Darmstadt und Dieburg und der Stadt Darmstadt (GVBl. II 330–334) vom 26. Juli 1974. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1974 Nr. 22, S. 318, § 9 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,5 MB]).
  9. Karl-Heinz Gerstemeier, Karl Reinhard Hinkel: Hessen. Gemeinden und Landkreise nach der Gebietsreform. Eine Dokumentation. Hrsg.: Hessischer Minister des Inneren. Bernecker, Melsungen 1977, OCLC 180532844, S. 234.
  10. Hauptsatzung. (PDF; 36 kB) §; 6. In: Webauftritt. Gemeinde Modautal, abgerufen im Februar 2019.
  11. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  12. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 1. Großherzoglicher Staatsverlag, Darmstadt 1862, OCLC 894925483, S. 43 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. Verzeichnis der Ämter, Orte, Häuser, Einwohnerzahl. (1806)HStAD Bestand E 8 A Nr. 352/4. In: Archivinformationssystem Hessen (Arcinsys Hessen), Stand: 6. Februar 1806.
  14. Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr. 8, S. 121 ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2 MB]).
  15. Ph. A. F. Walther: Alphabetisches Verzeichniss der Wohnplätze im Grossherzogtum Hessen. G. Jonghaus, Darmstadt 1869, OCLC 162355422, S. 62 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  16. Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1791. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1791, S. 122 (Online in der HathiTrust digital library).
  17. Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1800. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1800, S. 124 (Online in der HathiTrust digital library).
  18. Haushaltspläne 2017 bis 2019 (Vorbericht: Einwohner – Statistik). (PDF) In: Webauftritt. Gemeinde Modautal, S. 30 ff, abgerufen im Juli 2019.
  19. Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,8 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Juli 2021;.
  20. Ortsvorsteher. In: Webauftritt. Gemeinde Modautal, abgerufen im November 2019.
  21. Verleihung des Rechts zur Führung eines Wappens an die Gemeinde Neutsch im Landkreis Darmstadt, Regierungsbezirk Darmstadt vom 7. Dezember 1950. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1950 Nr. 51, S. 529, Punkt 972 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 9,5 MB]).
  22. gme. In: Darmstädter Echo, Samstag, 1. Juli 2023, S. 23.
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