Neunheit von Heliopolis

Unter dem Begriff Neunheit (oder Enneade) von Heliopolis (von griechisch ennea „neun“), altägyptisch Pesdjet (psḏt), werden die neun Schöpfergottheiten der heliopolitanisch-kosmologischen Kratogonie („kosmologische Entstehung der weltlichen Herrschaft“) zusammengefasst. In der antiken Philosophie und Theologie werden diese Schöpfergottheiten auch Demiurgen genannt. Nun, die kosmologische Verkörperung des Urwassers, aus dem die Welt entstanden sei, gehört nach der altägyptischen Mythologie nicht zu den „weltlichen Schöpfergottheiten“. Das Prinzip des Nun verkörperte auf weltlicher Ebene die Gottheit Atum, der als Schöpfungsgott die „Dreiheit“ des „irdischen Nichts“ sowie die Zweigeschlechtlichkeit symbolisierte.

Abwiegen des Herzens im Totenbuch des Papyrus des Ani: in der oberen Götterreihe bei insgesamt 12 abgebildeten Gottheiten, nur 7 Götter der Neunheit: Isis und Nephthys (4. v. l.); Nut (5. v. l.); Geb (6. v. l.); Tefnut (7. v. l.); Schu (8. v. l.) und Atum (9. v. l.)[1][2]

Die heliopolitanische Kosmogenie der weltlichen Schöpfung versteht Atum daher als Lichtgott, der als Sonne während seines ersten Sonnenaufgangs das irdische Leben noch in sich trug. Aus ihm heraus entstanden durch Trennung die göttlichen zwei Geschlechter Schu und Tefnut.

Schöpfungsmythos

Die Schöpfungsgeschichte von Heliopolis ist eine der ältesten ägyptischen Mythen zur Entstehung der Welt. Er nimmt ein präexistentes, chaotisches Urgewässer (Nun) an, aus dem der Schöpfergott Atum entstieg. Atum ließ im Nun einen Urhügel entstehen – der später mit Heliopolis gleichgesetzt wurde – und ließ sich auf diesem nieder. Nachdem nun das Wasser und der Schöpfergott existierten, begann Atum aus sich selbst die Elemente der Schöpfung hervorzubringen: die Luft (Schu), das Feuer (Tefnut), das Himmelsgewölbe, die Erde und die Zeit.

Schu und Tefnut bildeten das erste Götterpaar der Enneade von Heliopolis. Sie wurden durch Nun, das präexistente Urgewässer, aufgezogen und von Atums Stirnauge beobachtet, welches er an seiner Stirn platzierte. Das Götterpaar zeugte den Erdgott Geb und die Himmelsgöttin Nut, die wiederum Osiris, Isis, Seth und Nephthys zeugten.

Die Schöpfergottheiten

Obwohl der Begriff „Neunheit“ aus Heliopolis stammt, gehören die dortigen Götter Re und Horus nicht dazu. Für Re ist erstmals eine Verbindung zu Heliopolis in den Pyramidentexten unter König Unas am Ende der 5. Dynastie belegt.[3] In den Pyramidentexten ist Atum bereits als „Vorderster der großen Neunheit“ genannt.[4]

 
 
Atum
Licht, Ur-Nichts
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Schu
Leben, Luft
 
Tefnut
Wahrheit, Feuer
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Geb
Erde
 
Nut
Himmel
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Osiris
Wasser, Duat
 
Isis
Thron
 
Nephthys
 
Seth

Siehe auch

Literatur

  • Horst Beinlich: 5. Ägyptologische Tempeltagung: Würzburg, 23. – 26. September 1999. Harrassowitz, Wiesbaden 2002, ISBN 3-447-04544-2.
  • Hans Bonnet: Neunheit. In: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Nikol, Hamburg 2000, ISBN 3-937872-08-6, S. 521–525.
  • Wolfgang Helck, Eberhard Otto: Neunheit. In: Wolfgang Helck, Eberhard Otto, Rosemarie Drenkhahn: Kleines Lexikon der Ägyptologie. 4., überarbeitete Auflage, Harrassowitz, Wiesbaden 1999, ISBN 3-447-04027-0, S. 202f.
  • Jochem Kahl, Nicole Kloth, Ursula Zimmermann: Die Inschriften der 3. Dynastie: Eine Bestandsaufnahme. Harrassowitz, Wiesbaden 1996, ISBN 3-447-03733-4.
  • Mircea Eliade: Die Schöpfungsmythen. Albatros, Düsseldorf 2002, ISBN 3-491-96063-0.
Commons: Neunheit von Heliopolis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Totenbuch des Papyrus des Ani: Digitalisat.
  2. Abbildung auf: commons.wikimedia.org mit graphischer Anzeige der Götternamen.
  3. PJ1553.A1 1908 cop3. Die Altaegyptischen Pyramidentexte nach den Papierabdrucken und Photographien des Berliner Museums. - Spruch 307, PT 482a-483b Auf: lib.uchicago.edu; zuletzt abgerufen am 14. Februar 2021.
  4. Pyramidentextspruch 1660; gemäß Manfred Görg: 3. Ägyptische Religion: Wurzeln – Wege – Wirkungen (= Religionen in der Umwelt des Alten Testaments. Band 3). Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-17-014448-4, S. 49.
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