Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation

Die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) war eine betriebsbezogene Organisationsform der Arbeitnehmer unter Regie der NSDAP. Es war als Gegenmodell zu freien Gewerkschaften konstruiert.

Geschichte

Ab 1927 schlossen sich auf Anregung des späteren Reichstagsmitgliedes Johannes Engel vornehmlich in Berliner Großbetrieben NSDAP-Mitglieder zu Betriebsgruppen zusammen, nach dem Vorbild der betriebsbezogenen Organisationsstruktur der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition der KPD. Die NSBO bildete sich 1928 aus diesen Gruppen und wurde am 15. Januar 1931 zur Reichsbetriebszellenabteilung der NSDAP erklärt. Die offensive Mitgliederwerbung auch unter Anwendung von Propaganda und Gewalt fand statt unter dem Schlagwort „Hinein in die Betriebe“ und dessen Abkürzung „Hib“.

Bis zum Ende des Jahres wuchs die Mitgliederzahl auf circa 300.000, während die Freien und Christlichen Gewerkschaften nach wie vor weit über 5 Millionen Mitglieder aufweisen konnten. Die NSBO konnte insgesamt nur geringen Erfolg unter den bislang organisierten Arbeitern verzeichnen. Lediglich in einigen Regionen, wo sie spektakulär Streiks unterstützte, wie etwa den Streik bei der Berliner Verkehrsgesellschaft 1932, gelangen in der propagandistischen Darstellung größere Erfolge. Die NSBO-Verbände erreichten aber aufgrund ihrer vergleichsweise niedrigen Mitgliedszahlen nirgendwo die Tariffähigkeit, Tarifpolitik gehörte nicht zu ihrem Betätigungsfeld.[1] Obwohl die Partei-Führung der NSBO keine gewerkschaftliche Arbeit erlaubte[2], engagierten sich die Mitglieder zunehmend auch auf gewerkschaftlichen Tätigkeitsfeldern wie der Teilnahme an Betriebsratswahlen oder der Organisation von Lohnstreiks.[3] Verschiedene Historiker wie zum Beispiel Hans-Ulrich Wehler erkennen ihr deswegen durchaus den Charakter einer Gewerkschaft zu.[4][5] Da die von den Mitgliedern aufgebrachten Beiträge nicht ausreichten, um die Teilnehmer an Streiks finanziell zu unterstützen, wurden sie von Spenden oder eigens eingerichteten Streikkassen der NSDAP unterstützt, wie sie etwa der Gau Süd-Hannover-Braunschweig bereits im Sommer 1931 eingerichtet hatte. In den Genuss dieser Zahlungen kamen nicht nur Parteimitglieder der NSDAP, sondern auch NSBO-Mitglieder, die nicht in der Partei waren, die so genannten Sympathisanten. Parteimitglieder, die erst während eines Streiks in die NSBO eintraten, erhielten keine Unterstützung.[6]

Reichsweit bekannt wurden die NSBO mit dem 2. Mai 1933, als sie unmittelbar nach dem „Tag der nationalen Arbeit“ zusammen mit SA und SS die Gewerkschaftshäuser besetzten. Das zu diesem Zweck gebildete Aktionskomitee zum Schutze der deutschen Arbeit wurde von Robert Ley geleitet, der zu diesem Zeitpunkt noch Stabsleiter der Politischen Organisation der NSDAP war; die NSBO waren durch Reinhold Muchow vertreten. Wenige Tage nach der Zerschlagung der Gewerkschaften wurde die Deutsche Arbeitsfront (DAF) gegründet. Die Hoffnung ihrer Mitglieder, die NSBO würde nun zum „Kern einer parteigebundenen Einheitsgewerkschaft“ werden,[7] erfüllten sich nicht: Ihre Funktion beschränkte sich künftig auf weltanschauliche Schulungen in den Betrieben.[8] Mit der Ermordung Gregor Strassers und weiterer Organisationsmitglieder 1934 reduzierte sich der Einfluss der NSBO weiterhin, die schließlich 1935 in der DAF aufgingen.

Während der Mitglieder-Aufnahmesperre der NSDAP ab dem 1. Mai 1933 wurden NSBO-Mitglieder weiterhin in die Partei aufgenommen. Insofern war die Organisation der Hitlerjugend, SA und SS gleichgestellt.

Literatur

  • Reinhard Giersch: Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation (NSBO) 1930 (1931)–1934 (1935). In: Dieter Fricke u. a. (Hrsg.): Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789–1945). Band 3: Gesamtverband deutscher Angestelltengewerkschaften – Reichs- und freikonservative Partei. Bibliographisches Institut, Leipzig 1985, S. 454–459.
  • Volker Kratzenberg: Arbeiter auf dem Weg zu Hitler? Die Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation. Ihre Entstehung, ihre Programmatik, ihr Scheitern 1927–1934 (= Sozialwissenschaftliche Studien. 4). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1987, ISBN 3-8204-8984-3 (Zugleich: Gießen, Universität, Dissertation, 1985).
  • Reinhard Kühnl: Die nationalsozialistische Linke. 1925–1930 (= Marburger Abhandlungen zur Politischen Wissenschaft. 6, ISSN 0542-6480). Hain, Meisenheim am Glan 1966.
  • Helmut Lensing: Die Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation und die NS-Machtergreifung in der Grafschaft Bentheim. In: Bentheimer Jahrbuch. 1993 = Das Bentheimer Land. Bd. 125, ISSN 0720-5481, S. 167–194.
  • Gunther Mai: Die Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation. Zum Verhältnis von Arbeiterschaft und Nationalsozialismus. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Bd. 31, Nr. 4, 1983, S. 573–613, (Digitalisat (PDF; 7,87 MB)).

Einzelnachweise

  1. Helga Grebing: Arbeiterbewegung und Faschismus. Essen 1990.
  2. Zwischen Volksgemeinschaft und Klassenkampf. Die Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation (Memento des Originals vom 21. August 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.agrexive.de pdf
  3. Christian Striefler, Kampf um die Macht. Kommunisten und Nationalsozialisten am Ende der Weimarer Republik, Propyläen, Berlin 1993, S. 152–155
  4. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949 C.H. Beck Verlag, München 2003, S. 306
  5. Hans-Ulrich Thamer, Verführung und Gewalt. Deutschland 1933–1945. Siedler Verlag, Berlin 1994, S. 174
  6. Gunther Mai, Die Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation. Zum Verhältnis von Arbeiterschaft und Nationalsozialismus, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 31 (1983), S. 587–589 (PDF)
  7. Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 3. Auflage, Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 600 f.
  8. Deutsches Historisches Museum
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.