Hermelin

Das Hermelin (Mustela erminea), auch Großes Wiesel oder Kurzschwanzwiesel genannt, ist eine Raubtierart aus der Familie der Marder (Mustelidae). Es ist vor allem wegen seines im Winter weißen Fells bekannt und spielte zeitweilig in der Pelzindustrie eine bedeutende Rolle. Das Hermelin wird innerhalb der Gattung Mustela in die Untergattung Mustela eingeordnet und ist damit unter anderem mit dem Maus- und dem Langschwanzwiesel eng verwandt.

Hermelin

Hermelin im Sommerfell

Systematik
Unterordnung: Hundeartige (Caniformia)
Überfamilie: Marderverwandte (Musteloidea)
Familie: Marder (Mustelidae)
Unterfamilie: Mustelinae
Gattung: Mustela
Art: Hermelin
Wissenschaftlicher Name
Mustela erminea
Linnaeus, 1758

Merkmale

Schädel eines Hermelins aus der Sammlung des Museums Wiesbaden

Hermeline haben den für viele Marder typischen langgestreckten, schlanken Körper mit eher kurzen Beinen und kurzem Schwanz. Im Sommerfell zeigen sie die für viele Wiesel typische Färbung mit brauner Oberseite und weißer Unterseite. Im Winterfell ist es gänzlich weiß, mit Ausnahme einer schwarzen Schwanzspitze, die es eindeutig vom Mauswiesel unterscheidbar macht. Dieser Fellwechsel findet allerdings nicht in allen Teilen des Verbreitungsgebiets statt. In den wärmeren Bereichen sind Hermeline ganzjährig braun-weiß, im hohen Norden verlieren sie dagegen nie das weiße Winterfell. Die Tiere erreichen eine Kopf-Rumpf-Länge von 17 bis 33 Zentimetern, der Schwanz wird vier bis zwölf Zentimeter lang und ihr Gewicht beträgt 40 bis 360 Gramm. Männchen sind etwas größer und schwerer als Weibchen. Nach dem Mauswiesel ist das Hermelin das zweitkleinste heimische Raubtier.

Verbreitung und Lebensraum

Verbreitungsgebiet

Das Hermelin ist in den gemäßigten und subarktischen Zonen der Nordhalbkugel verbreitet. Es bewohnt Europa von den Pyrenäen, Alpen und Karpaten nordwärts, Nord- und Zentralasien (einschließlich Japan), Teile Grönlands, Kanada und den Nordrand der Vereinigten Staaten. Eingeschleppt wurde das Hermelin in Neuseeland. In Australien wird vor dem Risiko einer Einschleppung und Etablierung, die jedoch bisher noch nicht erfolgt ist, gewarnt.[1]

Hermeline bewohnen eine Reihe von Landschaftstypen, wobei wassernahe Lebensräume anscheinend bevorzugt werden. Eine Biotopbindung ist nicht erkennbar, stattdessen besteht eine enge Bindung an das Vorkommen von Scher-, Erd- und Feldmäusen. Typisch sind strukturreiche Landschaften z. B. mit Wiesen, Hecken und Feldgehölzen oder Siedlungsgärten. Geschlossene Wälder werden hingegen gemieden.[2] Hermeline sind in Höhen bis zu 3400 Meter anzutreffen.

Lebensweise

Nest in einer Baumhöhle

Hermeline sind hauptsächlich am Tag und in der Dämmerung aktiv, im Winter vor allem dämmerungs- oder nachtaktiv. Längere Ruhephasen (3–5 Stunden) wechseln oft mit knapp einstündigen Aktivitätsphasen.[2] Als Deckung und Unterschlupf bevorzugen sie Felsspalten, hohle Baumstämme, Holz- und Steinhaufen oder verlassene Baue anderer Tiere. Oft haben sie mehrere Nester in ihrem Revier, die sie mit trockener Vegetation, mit Haaren oder Federn auskleiden.

Außerhalb der Paarungs- und Aufzuchtszeit leben sie einzelgängerisch in großen Aktionsräumen (max. 200 Hektar), die im Winter deutlich kleiner sind (min. 2 ha). Im Sommer durchstreifen Männchen täglich oft Areale von etwa 20 ha, die Weibchen nutzen dann etwa 8 ha. Die Reviergrenzen markieren beide Geschlechter mit Analdrüsensekret. Gleichgeschlechtliche Eindringlinge ziehen sich bei Begegnungen meist zurück,[2] ansonsten werden sie vehement vertrieben.

Nahrung und Jagd

Hauptsächlich erjagen Hermeline kleine Säugetiere wie Mäuse, Ratten, Kaninchen, Spitzmäuse und Maulwürfe. Insbesondere bei einem Mangel an Kleinsäugern verzehren sie auch kleinere Vögel sowie selten Reptilien, Fische und Insekten. Ganzjährig als Beute bedeutsam sind i. d. R. Wühlmäuse der Gattungen Arvicola und Microtus wie Schermäuse und Feldmäuse.

Das Hermelin geht bevorzugt am Tag und während der Dämmerung auf Nahrungssuche, es orientiert sich dabei vor allem über Geruch und Gehör, oft macht es dabei „Männchen“. Ist die Beute erkannt, schleicht es sich an, um sie schnell und überraschend mit einem Biss in den Nacken zu töten und sie anschließend in den Bau zu tragen. Es wird berichtet, dass Hermeline Kaninchen durch allerlei Schauspielerei derart verwirren, dass diese nicht fliehen.[3]

Die früher verbreitete Annahme, dass Hermeline ihren Beutetieren das Blut aussaugen, ist falsch.

Fortpflanzung und Lebenserwartung

Jungtier

Die Paarung findet im Spätfrühling oder Sommer statt. Danach kommt es allerdings zur Keimruhe, die befruchteten Eizellen nisten sich erst im März des folgenden Jahres ein. Die tatsächliche Tragzeit beträgt nur rund einen Monat, im April oder Mai kommen 3 bis 18 (meistens 6 bis 9) Jungtiere zur Welt. Sie wiegen etwa zwei bis drei Gramm, sind blind und hilflos; versorgt werden sie allein von ihrer Mutter, die sie ebenso verteidigt. Sechs Wochen lang werden sie gesäugt und in dieser Zeitspanne schon im Aussehen den Alttieren ähnlich. Weibchen (Fähen) können sich noch in ihrem ersten Lebensjahr fortpflanzen; Männchen (Rüden) erreichen die Geschlechtsreife hingegen erst nach einem Jahr.

Bemerkenswert ist die Säuglingsträchtigkeit – Fähen können bereits im Säuglingsalter begattet werden. Oft erfolgt dies durch den biologischen Vater. Das Verhalten beziehungsweise die Fähigkeit sollen sichern, dass auch in bestandsarmen Jahren alle Fähen begattet sind.[4]

Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Hermelins beträgt zwischen ein und zwei Jahren. Das liegt an den vielen Fressfeinden, wozu unter anderem Greifvögel, Eulen, Füchse und Dachse gehören. Ohne sie können Hermeline ein Alter von über sieben Jahren erreichen.

Viele Hermeline leiden an den parasitischen Fadenwürmern (Skrjabingylus nasicola), die von Spitzmäusen übertragen werden und im Nasenraum leben; dringen solche von dort bis ins Gehirn vor, so verursacht dies den Tod ihres Wirtes.

Systematik

Das Hermelin erhielt seinen wissenschaftlichen Namen schon im Jahr 1758 durch den schwedischen Naturforscher Carl von Linné, den Begründer der bis heute verwendeten biologischen Nomenklatur. Es ist die Typusart der Gattung Mustela. Aufgrund des großen Verbreitungsgebietes wurden zahlreiche Unterarten beschrieben, von denen 34 heute noch anerkannt werden. 14 dieser Unterarten sind Inselendemiten. Die Unterarten bildeten sich wahrscheinlich durch Isolierung einzelner Populationen während der Letzten Kaltzeiten. Ein Team amerikanischer Wissenschaftler spaltete das Hermelin im Februar 2021 in drei Arten auf. Die Bezeichnung Mustela erminea soll nur noch für die Hermeline Europas, Asiens und der Arktis gelten, während die im größten Teil Nordamerikas vorkommenden Hermeline die Bezeichnung Mustela richardsonii erhalten. Eine dritte Hermelinart (Mustela haidarum) kommt auf einigen Inseln der nordamerikanischen Pazifikküste vor.[5]

Mustela erminea ferghanae
Mustela erminea kadiacensis
Mustela richardsonii invicta
Mustela haidarum im Winterfell

Die folgende Liste zeigt die Unterarten aller drei Hermelinarten.[5]

Hermeline und Menschen

Ludwig XI. im Kreis der Ritter des Michaelsordens; Titelminiatur des für den König bestimmten Exemplars der Ordensstatuten von Jean Fouquet (1470), König und Ordensritter sind uniform mit Hermelinmänteln bekleidet

Nutztier

Hermeline ernähren sich vorwiegend von kleinen Nagetieren; sie waren vor der großflächigen Ausbreitung der Hauskatze auf vielen Bauernhöfen als Mäusefänger beliebt. Nicht erst seit heute hält man sie auch als Heimtiere. Hermeline werden nur selten für Pelzzwecke gezüchtet, meist werden sie (u. a. in Osteuropa, aber auch in Deutschland) gejagt. Für die Fellnutzung: siehe Hermelinfell.

Symbolik

Eine Legende, nach der ein Hermelin lieber sterben wollte als sein weißes Winterfell im Schlamm schmutzig zu machen, bildet den Hintergrund für den Wahlspruch „malo mori quam foedari“ („lieber sterben als besudelt werden“) des neapolitanischen Hermelinordens. Wo und wann die Legende ihren Ursprung hat, ist unbekannt, doch galt das weiße Hermelinfell in weiten Teilen des mittelalterlichen Europas als Symbol für – moralische – Reinheit (Keuschheit) und Unschuld.

Das weiße Winterfell des Hermelins wurde – auch und gerade wegen der ihm innewohnenden Symbolik – als besonders wertvoll erachtet. Ein Hermelinmantel war zeitweilig das Vorrecht adeliger Familien. Das Hermelin ist bis heute als heraldische Tinktur oder in natürlicher Darstellung ein Bestandteil von Wappen ehemals hochadeliger Residenzen und Gebiete. Kaiser, Könige, Fürsten und der Papst trugen mit weißen Winterfellen besetzte oder gefütterte Kleidung, auf die als besonderes Kennzeichen die schwarzen Schwänze oder Schwanzspitzen aufgenäht waren.

Aufgrund der Tatsache, dass nur hohe weltliche und kirchliche Würdenträger einen kostbaren Hermelinmantel tragen durften, wurde ein solcher Mantel bereits im ausgehenden Mittelalter, vor allem in der Zeit des Absolutismus (Ludwigs XIV.), zu einem Herrschaftszeichen der Macht.

Wandteppich des „Meisters der New Yorker Einhornjagd“, im Vordergrund ein Hermelin

Das Wiesel, insbesondere der Hermelin, galt seit der Antike[6] als Tier, das nach dem Genuss von Weinraute, ein Gegengift auch in der christologischen Symbolik, besondere Kräfte gegen Schlangen (und Basilisken) und deren Gift erhält.[7]

Ritterorden

In der Ordenskunde sind zwei weltliche Ritterorden nach dem Tier benannt worden:

  • der vom bretonischen Herzog Johann V. im Jahr 1381 gegründete Hermelinorden, der im 16. Jahrhundert – im Zusammenhang mit der Eingliederung der Bretagne in die französische Krone – unter die Hoheit des französischen Königs kam und in der Bedeutungslosigkeit versank.
  • der im Jahr 1464 von König Ferdinand I. gestiftete neapolitanische Hermelinorden.

Wappen

Wappen der finnischen Region Nordösterbotten

Als Tinktur ist das Hermelin auch in die Wappen gekommen – zuerst wohl im Jahre 1213 im Wappen des zur damaligen Zeit noch unabhängigen Herzogtums Bretagne, wo es (in veränderter Form und als Symbol der Eigenständigkeit) bis heute überlebt hat; auch die bretonischen Departements-Wappen zeigen Hermelintinkturen. Das Wappen der Region Limousin schmückt sich – vor dem Hintergrund dynastischer Beziehungen zur Bretagne (Guy de Penthièvre) – ebenfalls mit dem heraldischen Hermelin.

Wappenmäntel und Hüte sind als wichtige heraldische Wappenelemente mit realistischen oder mit stilisierten Fellen des Tieres geschmückt.

Literatur

  • Ronald M. Nowak: Walker’s mammals of the world. 6. Auflage. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999, ISBN 0-8018-5789-9 (englisch).
Commons: Hermelin (Mustela erminea) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Kleidung aus Hermelinfell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Hermelin – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Risk Assessement for Australia – Stoat (Mustela erminea) (Linnaeus, 1758). Department of Agriculture and Food, Juli 2008. (PDF) Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 2. Mai 2020.@1@2Vorlage:Toter Link/www.pestsmart.org.au (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  2. Rainer Allgöwer: Hermelin (Großes Wiesel) Mustela erminea Linnaeus, 1758. In: Monika Braun (Hrsg.): Die Säugetiere Baden-Württembergs, Bd. 2. Ulmer Verlag, Stuttgart 2005, S. 451–458. ISBN 3-8001-4246-5.
  3. Das Hermelin ist ein Hypnosekünstler | Tierwelt. Abgerufen am 5. April 2021.
  4. Jens Kleinekuhle: Unsere heimischen Raubsäuger. Abgerufen am 5. April 2021.
  5. Jocelyn P. Colella, Lindsey M. Frederick, Sandra L. Talbot, Joseph A. Cook: Extrinsically reinforced hybrid speciation within Holarctic ermine (Mustela spp.) produces an insular endemic. Diversity and Distributions, 27 (4): 747–762. Februar 2021, doi: 10.1111/ddi.13234
  6. So bei Plinius, bestätigt bei Leonardo da Vinci und in dem Emblembuch Symbolorum et emblematum ex animalibus quadrupedibus desumtorum centuria altera collecta (Nürnberg 1595) von Camerarius.
  7. Christina Becela-Deller: Ruta graveolens L. Eine Heilpflanze in kunst- und kulturhistorischer Bedeutung. (Mathematisch-naturwissenschaftliche Dissertation Würzburg 1994) Königshausen & Neumann, Würzburg 1998 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 65). ISBN 3-8260-1667-X, S. 199, 208 f. und 211.
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