Motard

Die Firma A. Motard & Co. produzierte von 1838 bis 1979 Stearinkerzen und andere chemische Produkte in Berlin. Der genaue Firmenname wurde mehrfach verändert.

Der französische Chemiker und Mediziner Adolphe Motard[1] entwickelte 1831 in Paris gemeinsam mit Adolphe de Milly ein Verfahren, aus Talg Kerzen zu produzieren, die von der Qualität her vergleichbar mit Wachskerzen, jedoch wesentlich billiger waren.[2][3] Nachdem sie zuerst gemeinsam in Paris eine Stearinkerzenfabrik aufgebaut hatten,[4] zog Motard 1838 nach Berlin[1] und gründete hier eine Filiale.[5] Zur Erweiterung wurde bereits 1839 die Produktion von Vor dem Halleschen Thor 6 in die Gitschiner Straße 15 verlegt, beides im heutigen Ortsteil Kreuzberg. Mit einem von Motard 1853 entwickelten neuen Destillationsverfahren nahm die Firma A. Motard & Co einen raschen Aufschwung,[1] 1879 produzierten 200 Arbeiter etwa 150.000 Kerzen täglich.[6] Die Herstellung von Kerzen aus Tierprodukten führte allerdings zu einer erheblichen Geruchsbelästigung, was zu Differenzen mit der immer rascher besiedelten Nachbarschaft führte. Außerdem konnte die Fabrik an diesem Standort nicht mehr erweitert werden.

Sein Sohn Charles Eugene Motard kaufte deshalb 1886 im abgelegenen Ort Sternfeld zwischen Berlin und Spandau ein großes unerschlossenes Grundstück in sumpfigem Gebiet direkt an der Spree mit einem überdimensionierten, seit zehn Jahren stillgelegten Dampfsägewerk. Als Transportmittel wurde ein eigener Dampfer angeschafft, der viele Jahre die Fabriken mit einer kleinen Ladestelle der Lehrter Eisenbahn auf der südlichen Spreeseite verband. Da diese chemische Fabrik Gerüche verbreitete und Abwässer ableitete, war für sie die abseitige Lage an der Spree durchaus vorteilhaft. Außerdem ließ sich ein Teil der Belegschaft in dem dort vorhandenen und später erweiterten Familienhaus unterbringen.[7][8]

Um 1900 waren bei der A. Motard & Co. AG in Sternfeld über 400 Personen beschäftigt. Der Motardsche Besitz erstreckte sich beiderseits der späteren Sternfelder Straße sowie zwischen dem heutigen Großen Spreering, der Nonnendammallee, dem Rohrdamm und der Faulen Spree. Motard hatte hier auch große Obstplantagen angelegt und in einigem Abstand zu den Fabriken zwei Villen errichtet, die den späteren Motard-Direktoren als Wohnung dienten.[1] Die durch dieses Gelände führende Straße ist seit 1907 als Motardstraße benannt.

Die Gegend entwickelte sich zum Industriegebiet, 1917 bekam die Firma einen Gleisanschluss an die Siemens-Güterbahn. Fast die gesamte Fläche wurde stückweise verkauft, schließlich blieb nur noch ein etwa 20.000 m² großes Anwesen an der Nonnendammallee 32–36 übrig.[1]

Ab 1937 firmierte Motard nach einer Übernahme als Scheidemandel-Motard-Werke AG, 1970 verkürzt zu Scheidemandel AG. 1979 erwarb die Deutsche Gelatine-Fabriken Stoess & Co. GmbH die Firma und stellte die Produktion in Berlin ein.[4]

Einzelnachweise

  1. Karl H. P. Bienek: Motard (Memento vom 5. Oktober 2013 im Internet Archive)
  2. Gustav Hefter: Technologie der Fette und Öle: 3. Band - Manuldruck 1921, S. 516 (Google-Vorschau)
  3. Bericht des Hrn. Payen über die Stearinkerzen der HH. Motard und Milly. Bulletin de la Société d'encouragement, Mai 1833, S. 156 f. (französisch)
  4. Tania Estler-Ziegler: Motard, nicht Motorrad – die Scheidemandel-Motard-Werke AG am 3. April 2017 auf archivspiegel.de
  5. Ilja Mieck: Preussische Gewerbepolitik in Berlin 1806–1844, Buch 1965, Reprint 2013 (Google-Vorschau)
  6. Die chemische Industrie auf der Gewerbeausstellung, 1879, S. 283 (Google-Vorschau)
  7. Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 12/1961 (Landesgeschichtliche Vereinigung Berlin, 1961)
  8. Karl H. P. Bienek: Paulstern (Sternfeld) (Memento vom 4. Oktober 2013 im Internet Archive)

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