Morde im Zirve-Verlag
Die Morde im Zirve-Verlag (türkisch Zirve Yayınevi katliamı) fanden am 18. April 2007 beim Zirve-Verlag in der türkischen Großstadt Malatya statt. Der türkische Pastor Necati Aydın, der Christ Uğur Yüksel und der Deutsche Tilmann Geske, Angestellte des Bibel-Verlagshauses, wurden von fünf radikalislamischen Tätern getötet.[1][2]
Tathergang
Emre Günaydın, Cuma Özdemir (20), Hamit Çeker (19), Salih Gürler (20) und Abuzer Yıldırım (19) überfielen das Büro des Zirve-Verlags im Stadtteil Niyazi Mısri von Malatya am 18. April 2007 gegen 13.30 Uhr. Die Attentäter verschlossen die Tür von innen, bedrohten Tilman Ekkehart Geske und Necati Aydın (35) mit Messern, fesselten sie an Händen und Füßen und knebelten sie. Als Uğur Yüksel (32) unwissend am Büro eintraf, wurde er hineingezogen und ebenfalls gefesselt, geknebelt und gefoltert.[3] Sie töteten alle drei Personen, indem sie ihnen die Kehle durchschnitten. Als die Polizei zum Tatort kam, geriet der Attentäter Emre Günaydın in Panik und sprang aus dem Fenster.[4] Die anderen vier Attentäter wurden im Büro von der Polizei festgenommen. Geske und Aydın starben am Tatort, Yüksel im Krankenhaus.[5]
Opfer
Necati Aydın und Uğur Yüksel, waren türkische Konvertiten aus dem Islam. Tilmann Geske war deutscher Missionar. Necati Aydın war ein Schauspieler, der Jesus Christus in einer Theaterproduktion spielte, die das TURK-7-Netzwerk über die Osterfeiertage ausstrahlte.[6][7]
Reaktionen
- Außenminister Frank-Walter Steinmeier verurteilte die Tat. Man werde alles tun, um dieses Verbrechen vollständig aufzuklären und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.
- „Missionarsarbeit ist sogar noch gefährlicher als Terrorismus und gilt leider nicht als ein Verbrechen in der Türkei“, sagte Niyazi Güney, damals Abteilungsleiter im Justizministerium.[8]
- Gegen das Massaker wurde von Fans in einem Match zwischen Malatyaspor und Gençlerbirliği protestiert.[9]
Gerichtsverhandlungen
In den Tagen nach dem Attentat wurden elf Verdächtige im Alter von 19 bis 20 Jahren festgenommen.[4][10]
Am 13. Februar 2008 gab Amnesty International ein Urgent Action (UA) für den Rechtsanwalt Orhan Kemal Cengiz heraus, der wegen seiner juristischen Arbeit bedroht wurde. Die Menschenrechtsorganisation konstatierte, dass Drohungen gegen den Menschenrechtsverteidiger sich seit November 2007, als die Gerichtsverhandlung gegen die Verdächtigen begann, steigerten.[11] Die Aktionen wurden beendet, als die Behörden für den Rechtsanwalt einen Bodyguard zur Verfügung stellten.[12]
Im Jahre 2011 begannen weitere Ermittlungen. In einer neuen, 761-seitigen Anklageschrift wurden nun insgesamt 19 Angeklagte beschuldigt. Die 3. Kammer für schwere Straftaten in Malatya nahm die Anklageschrift am 22. Juni 2012 an und verband beide Verfahren.[13] Da zwischenzeitlich die maximale Dauer einer U-Haft auf 5 Jahre beschränkt worden war, wurden Emre Günaydın, Salih Gürler, Abuzer Yıldırım, Hamit Çeker und Cuma Özdemir am 7. März 2014 aus der Untersuchungshaft entlassen.[14] Bis dahin hatten 92 Verhandlungstage stattgefunden, zuletzt am 24. Februar 2014 mit dem Plädoyer der Anklage.[15]
Am 28. September 2016 verurteilte das Gericht fünf der Täter zu jeweils dreimal lebenslanger Haft. Außerdem wurden zwei Militärs, darunter Emre Günaydın, zu 13 bzw. 14 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sprach 14 Mitangeklagte frei, da es bei ihnen trotz ihrer Mitwisserschaft den Tatbestand der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ als nicht erfüllt ansah.[16]
Literatur
- Jonathan Carswell, Joanna Wright: Married to a Martyr – A Story of tragedy and Hope. Authentic Media, 2008, ISBN 978-1-85078-785-3.
- Jonathan Carswell, Joanna Wright, Markus Baum: Susanne Geske: „Ich will keine Rache“ – Das Drama von Malatya. Brunnen-Verlag, Gießen 2008, ISBN 978-3-7655-1985-7.
- İsmail Saymaz: Nefret – Malatya: Bir Milli Mutabakat Cinayeti (“Hate – Malatya: A Murder of National Consensus”). Kalkedon Yayıncılık, 2011.
- Frank Nordhausen: Die Fremden. In: Berliner Zeitung, 29. Juni 2007.
Weblinks
- Michael Martens: Christenmorde in der Türkei. Der Tod in Anatolien. FAZ, 15. Januar 2011.
- Yassin Musharbash: Christenmord in der Türkei. „Tilman war kein aggressiver Missionar.“. Spiegel Online, 20. April 2007.
Einzelnachweise
- Attack on Christians in Turkey – Three Killed at Bible Publishing Firm. In: Der Spiegel, 18. April 2007.
- Christians Killed in Turkey. (Memento vom 23. August 2007 im Internet Archive) BBC World Service, 19. April 2007.
- Witwe des getöteten Deutschen vergibt Mördern. Süddeutsche Zeitung, abgerufen am 18. April 2022.
- Soner Arikanoğlu: Bütün suç Emre'nin. (Memento vom 2. Juli 2007 im Internet Archive) In: Radikal, 24. April 2007 (türkisch).
- Die Schilderung ist dem Wochenbericht 16/2007 des Demokratischen Türkeiforums (DTF) entnommen. Hierbei wurden Berichte aus den Tageszeitungen Hürriyet und Sabah übersetzt; abgerufen am 10. März 2014.
- Group of young Muslims murders 3 Christians in Turkey. (Memento vom 3. Januar 2014 im Internet Archive)
- Laura King: 3 men slain at Bible publishing firm in Turkey. In: Los Angeles Times. 29. April 2007, abgerufen am 20. Mai 2009.
- Mehmet Ali Birand: If the statutes chairman thinks like this... In: Turkish Daily News, 21. April 2007.
- Emre Günaydın azmettirici iddiası, 23. April 2007 (türkisch).
- Nick Birch: Three murdered at Turkish bible publishing house. In: The Guardian, 19. April 2007.
- UA 40/08 Fear for safety TURKEY: Orhan Kemal Cengiz. Urgent Action auf amnesty.org, 13. Februar 2008.
- Further Information on UA 40/08. Amnesty International, 3. März 2008.
- Monatsbericht Juni 2012 des DTF; abgerufen am 10. März 2014.
- Entlassung aus U-Haft (Memento vom 20. Dezember 2016 im Internet Archive)
- Monatsbericht des DTF im März 2014 tuerkeiforum.net; abgerufen am 10. März 2014.
- Katholische Nachrichtenagentur, 29. September 2016.