Modaladverb
Modaladverb ist in der deutschen Grammatik eine Bezeichnung für verschiedene Bedeutungsklassen von Adverbien.
Der enthaltene Wortbestandteil „modal“ ist für sich genommen mehrdeutig: Dieses Adjektiv kann sich zum einen auf „Modus“ ungefähr im Sinne von „Art / Verfahrensweise“ beziehen, aber „modal“ kann sich zweitens auch auf den sprachwissenschaftlichen Begriff der Modalität beziehen – also Möglichkeit und Notwendigkeit, so wie in dem Wort „Modalverb“. Die Bezeichnung „Modaladverb“ kann dadurch unklar oder missverständlich wirken. In der Germanistik wird sie aber in der Regel im ersteren Sinn verwendet und nicht im zweiten, bezieht sich also z. B. auf Angaben zu Art und Weise, Ausmaß oder Intensität eines Vorgangs (wie: „eilends“, „halbwegs“, „sehr“). Die genaue Anzahl der angegebenen Unterklassen unterscheidet sich hierbei, und eine zusammenfassende Definition wird meist nicht gegeben. Diese Kategorie ist jedenfalls weiter gefasst als „Art und Weise“, nicht gleichbedeutend damit.
Mehrdeutigkeit der Bezeichnung
Hauptsächlich wird die Bezeichnung Modaladverb im eingangs zuerst genannten Sinn verwendet, in dem modal sich von einem lateinischen Wort für „Art und Weise“ herleitet.[1][2][3][4][5][6] Darunter fallen dann Angaben zu Qualität, Art und Weise, Quantität oder Intensität eines Vorgangs, ferner zu Begleitumständen eines Vorgangs oder zu den Einstellungen, die ein handelndes Subjekt zum Vorgang hat. Im vorliegenden Artikel wird nur diese Bedeutung zugrunde gelegt.
In geringerem Maß finden sich in der Literatur jedoch auch Erwähnungen, wo ein Adverb gemeint ist, das, im zweiten Sinne (und analog zur Bedeutung von „Modalverb“), Konzepte der Modalität ausdrückt: Dies sind dann Adverbien wie „vielleicht, wahrscheinlich, notwendigerweise“ etc.[7][8][9][10] Die Bezeichnung dieses Typs als „Modaladverb“ kommt in den hier herangezogenen Quellen nicht in ausdrücklichen Begriffsdefinitionen vor und trägt manchmal Anzeichen von verkürzten Redeweisen oder terminologischen Versehen.[11] Eindeutigere Bezeichnungen für diese Klasse sind „Satzadverb“ oder (in einer älteren Terminologie) „Modalwort“.
Die Bedeutung und die grammatischen Eigenschaften der beiden Klassen von Adverbien unterscheiden sich deutlich, siehe hierzu die Unterscheidung „Situationsadverbial / Satzadverbial“ im Artikel Adverbiale Bestimmung.
In der Grammatik des Englischen bezeichnet „modal adverb“ regelmäßig nur Adverbien der Modalität[12][13][14] und ist daher in der Regel nicht gleichbedeutend mit dem „Modaladverb“ im Sinne der germanistischen Literatur. Im Spanischen wird zwischen Modalverb als „verbo modal“ und Modaladverb als „adverbio de modo“ unterschieden (zu letztern zählen etwa die Wörter así „so“, bien „gut“ usw.)[15]
Einordnung in die Klasse Modaladverbial
Mit Adverbial ist die Funktion eines Satzglieds gemeint. Modaladverbiale werden daher nach Bedeutungseigenschaften klassifiziert, wobei die allgemeine Charakterisierung oft die einer Restklasse ist: Modaladverbiale sind im engeren Sinn verbbezogene Adverbiale (keine Satzadverbiale), die weder temporale, lokale noch kausale Bedeutung haben. Hauptsächlich wird eine Reihe von Unterklassen angegeben, wobei die Listen sich in der Literatur unterscheiden. Die Bedeutungstypen werden in diesem Artikel nachfolgend einzeln aufgeführt.
Die Bezeichnung Adverbial schließt beliebige grammatische Form und Wortarten ein. Für den Untertyp „Art und Weise“ finden sich beispielsweise:
- Präpositionalphrasen, z. B. „mit großem Schwung“,
- Adverbialsätze, nämlich genauer Modalsätze: „...wie es sich gehört“,
- Modaladverbien: „blindlings“.
Als Modaladverb bezeichnet man vor diesem Hintergrund also Einzelwörter, die als Modaladverbial dienen können und sich keiner anderen Wortart eindeutig zuordnen lassen. Die verschiedenen bedeutungsmäßigen Unterklassen unterscheiden sich darin, in welchem Ausmaß sie solche Einzelwörter enthalten.
Unterteilung der Bedeutungstypen
Art und Weise
- Beispiele für Adverbien: genauso, irgendwie, anders, kopfüber, rundweg, so, folgendermaßen, blindlings, jählings, derart, eilends, hinterrücks, insgeheim.
Als Fragewort: wie / wie sehr.
Du hättest es genauso machen können. Nur Wahnsinnige stürzen sich blindlings in ein Abenteuer. Vielleicht können wir in naher Zukunft folgendermaßen vorgehen:
Angaben der Art und Weise erfolgen am häufigsten durch Adjektive: „schnell fahren“, „sorgfältig arbeiten“ etc. Diese Wörter gehören nicht zur Wortart Adverb weil sie flektierbar sind, vgl.: „schnelle Fahrt, sorgfältige Arbeit“. Es handelt sich also um Adjektive in adverbialer Funktion (siehe unter Adverb #Adverb und Adjektiv).
Grad und Maß
- Beispiele für Adverbien: überaus, äußerst, einigermaßen, halbwegs, sehr, größtenteils, kaum, haufenweise.
Als Fragewort kann in vielen Fällen ebenfalls wie (sehr) verwendet werden.
Er hat sehr gelitten. Mit dem neuen Posten komme ich einigermaßen zurecht.
Im Unterschied zu diesen Modaladverbien gibt es auch Modaladverbiale in Form von Nominalphrasen: „Die Glocke ist fast drei Tonnen schwer.“[16]
Einstellung
Der traditionelle Begriff Modaladverb schließt auch Wörter ein wie etwa gerne, die in der Sprachwissenschaft heute eher als eigenständige Klasse identifiziert werden (auch „Adverbien der Subjekthaltung“ genannt), da sie andere grammatische Eigenschaften aufweisen als andere Modaladverbiale.[17] Siehe hierzu auch im Artikel Adverbiale Bestimmung#Adverbiale im deutschen Mittelfeld.
Weitere Beispiele aus dieser Bedeutungsklasse, die formal Adjektive sind: „freiwillig, unabsichtlich“. Präpositionalphrasen in dieser Funktion sind: „mit Absicht; ohne große Hoffnung“.[18]
Begleitung und Begleitumstände
Als Komitative bezeichnet man Ausdrücke, die an einen Teilnehmer des Ereignisses angeschlossen werden und eine zusätzliche Person einführen, oder die Beteiligung einer solchen ausschließen. Beispiel:[19] Bei Bezug auf einen Plural drückt das Adverb „zusammen“ diese Konstellation aus.
Otto ging mit/ohne Anna ins Kino. Otto und Anna gingen zusammen ins Kino.
Eine weitere Gruppe in der Umgebung dieser Bedeutungsklasse sind Adverbiale, die Begleitgegenstände sowie auch noch Begleitumstände bezeichnen, und ihre Gegenteile:
Er verließ das Haus mit / ohne Regenschirm ohne auf den Verkehr zu achten
Es ist nicht belegbar, dass es in dieser Klasse auch einfache Adverbien gibt.[20]
Instrumental
Unter Modaladverbiale werden oft auch Instrumentale aufgelistet.[21][22] In der Regel handelt es sich un Präpositionalphrasen, etwa „mit einem Hammer“. Einfache Adverbien dieses Typs werden in der Literatur zum Deutschen nicht genannt.
In manchen Sprachen werden Instrumentale auch durch Deklinationsformen von Substantiven ausgedrückt, siehe unter Instrumentalis. Die Einordnung der Instrumentale ist unklar, da sie vielfach nicht als Umstandsangaben aufgefasst werden, sondern als Satzteile, die Teilnehmer des Ereignisses („Aktanten“ oder „Partizipanten“) einführen.[23] Dies deckt sich allerdings nicht mit der Unterteilung zwischen Adverbial und Objekt, daher ist es möglich, sie in einer formalen Klassifikation trotzdem als Grenzfall der Adverbiale aufzufassen.
Ein Problemfall: Erweiterung und Einschränkung
Manchmal werden Adverbien der Erweiterung und Einschränkung (wie „auch, trotzdem“) ebenfalls als Modaladverbien bezeichnet. Sie unterscheiden sich jedoch stark von den anderen Fällen: Adverbien dieses Typs fügen dem Satz keine Aussage hinzu, die zum Satzinhalt zählt und können dementsprechend nicht mit „wie“ erfragt werden:
„Man muss auch verzichten können.“ — ?? „Wie muss man verzichten können?“
Solche Wörter bezeichnen auch keinen „Untertyp“ der vom Verb ausgedrückten Handlung. Viele der nachfolgend aufgelisteten Adverbien gehören stattdessen eher in die Kategorien Konjunktionaladverb oder „Textadverb“[24], da sie das Verhältnis zu einer im Satz oder Text vorhergehenden Aussage bezeichnen.
- Beispiele
- Erweiterung: ebenfalls, sonst, auch, ferner, außerdem, zudem, erstens, zweitens, drittens
- Einschränkung: hingegen, allerdings, immerhin, wenigstens, doch, jedoch, nur, zumindest, kurzerhand
Literatur
- Duden. Die Grammatik. 8. Auflage. Bibliographisches Institut/Dudenverlag, Mannheim 2009, ISBN 978-3-411-04048-3, S. 576: Das Modaladverb.
- Karin Pittner: Adverbiale im Deutschen (= Studien zur deutschen Grammatik. Band 60). Stauffenburg Verlag, Tübingen 1999.
Weblinks
Einzelnachweise
- So in: Duden. Die Grammatik. 8. Auflage. Dudenverlag, Mannheim 2009, Randnr. 852 / S. 576, Abschnitt 1.3.1.3 „Das Modaladverb“. Vgl. in demselben Sinn Randnr. 1192 / S. 784 über „Modaladverbiale“. – Auf S. 527 wird allerdings das Satzadverb leider (Sprechereinstellung) als Modaladverb bezeichnet.
- Jussara Paranhos Zitterbart: Modaladverb. In: Stefan Schierholz, Pál Uzonyi (Hrsg.): Grammatik: Formenlehre. (= Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (WSK), 1.1). Walter de Gruyter, Berlin 2022. S. 478.
- Helmut Glück (Hrsg.): Metzler Lexikon Sprache. 4. aktualisierte u. überarbeitete Auflage. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart u. Weimar 2010, ISBN 978-3-476-02335-3. Lemma: „Modaladverb“ S. 432; „Modalbestimmung“ S. 433.
- Eva-Maria Heinle: Adverbien. In: Alan Cruse et al. (eds.): Lexikologie / Lexicology. (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft). Walter de Gruyter, Berlin 2002, S. 631–634. Siehe S. 631.
- Hans Altmann, Suzan Hahnemann: Prüfungswissen Syntax. (= UTB Sprachwissenschaften). 4. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010.(S. 86 und passim).
- Winfried Thielmann: Wortarten. Eine Einführung aus funktionaler Perspektive. (= Germanistische Arbeitshefte, 49). Walter de Gruyter, Berlin 2021, S. 87: „Typen von Adverbien“.
- Peter Eisenberg: Grundriss der deutschen Grammatik. Band 2: Der Satz. 4., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart u. a. 2013. – Die zuständige Abschnittsüberschrift benutzt den Ausdruck „Modale Adverbien“ S. 242; die Variante „Modaladverb“ erscheint nur in diesem Sinn auf S. 96, 102 sowie 244.
- „Modaladverb“ so verwendet in: Kjell-Åke Forsgren: Einordnungsadverb. In: Stefan Schierholz, Pál Uzonyi (Hrsg.): Grammatik: Formenlehre. (= Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (WSK), 1.1). Walter de Gruyter, Berlin 2022. S. 260. – Diese Bedeutung findet sich jedoch nicht im Artikel Modaladverb desselben Bandes.
- Joachim Ballweg: Modalpartikel. In: Ludger Hoffmann (Hrsg.): Handbuch der deutschen Wortarten. Walter de Gruyter, Berlin 2009, S. 547–553. – Hier werden „Modaladverb“ und „Modalpartikel“ als bedeutungsgleich bezeichnet (!) und beide als Untertyp des Satzadverbials eingeordnet (S. 547). Im Artikel „Adverb“ desselben Bandes wird der Ausdruck „Modaladverb“ gänzlich vermieden; Adverbien der Art und Weise werden als „modifikative“ Adverbien bezeichnet (siehe S. 224).
- Der Ausdruck „Modaladverbial“ bezieht sich auf Modalität in Gisela Zifonun, Ludger Hofmann, Bruno Strecker (& al.): Grammatik der deutschen Sprache. Walter de Gruyter, Berlin 1997, S. 2302.
- Siehe die Inkonsistenzen, die in den obigen Fußnoten zur Dudengrammatik und Schierholz (ed.) vermerkt wurden. – In der Pons-Grammatik Deutsch werden nicht nur die beiden möglichen Bedeutungen von „Modaladverb“, sondern auch die Beispiele vermengt, d. h. sowohl „schleunigst, genauso“ als auch „vielleicht, hoffentlich“ in der Beispielliste zu „Modaladverbien“ aufgeführt. – Ines Balcik et al.: PONS Die große Grammatik Deutsch. 5. Auflage. Pons, Stuttgart 2012. S. 361.
- John Payne et al.: The distribution and category status of adjectives and adverbs. In: Word Structure 3, 2010, 31–81. Siehe S. 6 der verlinkten Manuskriptversion.
- Marcin Morzycki: Modification. Cambridge University Press, Cambridge (UK) 2016. S. 292.
- Rodney Huddleston, Geoffrey K. Pullum: The Cambridge grammar of the English language. Cambridge University Press, Cambridge (UK) 2002. Passim; siehe S. 21, 102.
- Adverbios_de_modo Adverbios de modo. Wikilengua.org
- Beispiel aus Dudengrammatik 2009, Randnr. 1192 / S. 784.
- Pittner (1999), S. 105f.
- Pittner 1999, S. 105.
- Pittner (1999), S. 102.
- Nicht einmal das Einzelwort „heimlich“, das formal aber sowieso ein Adjektiv ist, erscheint bei Pittner (1999) in dieser Kategorie, trotz der Paraphrase „ohne dass es jemand bemerkte“. Pittner erwähnt das Wort „heimlich“ stattdessen unter Einstellungsadverbiale, allerdings ohne Diskussion.
- Dudengrammatik 2009, Randnr. 1192 / S. 784.
- Pittner 1999, S. 99f.
- Siehe z. B. Jean-Pierre Koenig, Gail Mauner, Breton Bienvenue: Arguments for Adjuncts. In: Cognition 89 (2003), S. 67–103.
- Dudengrammatik (2009), S. 573 / Randnr. 847: „...sind weder eindeutig zu den lokalen noch zu den temporalen oder modalen Adverbien zu rechnen. Sie haben primär textgliedernde Funktion.“