Minnie Ruske-Leopold

Minnie Ruske-Leopold (3. Mai 1891 in Nidda, Hessen[1] – nach 1955[2]) war eine deutsche Opernsängerin der Stimmlage Sopran. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde ihre Bühnenlaufbahn in Deutschland beendet. Sie musste das Land verlassen und flüchtete 1938 in die Vereinigten Staaten.

Leben und Werk

Minna (später auch Minni, Minnie oder Minny) Leopold stammte aus einer jüdischen Familie. Sie war die jüngste von sechs Töchtern des Pferdehändlers David Leopold (geboren 1852, Bleichenbach; gestorben 1922 Frankfurt am Main) und seiner Frau Betty, geborene Kann (geboren 1856, Mainzlar; gestorben 1939, Frankfurt am Main, begraben auf dem Alten jüdischen Friedhof Rat-Beil-Straße).[3] Sie wuchs vermutlich in Frankfurt am Main auf, ging dann nach Berlin und nahm Gesangsunterricht bei der Koloratursopranistin Emmy Burg-Raabe (1877–1927).

Unter dem Namen Minny Leopold war sie in der Spielzeit 1912–13 am Stadttheater Nürnberg verpflichtet, anschließend, in der Spielzeit 1913–14, am Stadttheater Heidelberg. Ein erstes Gastspiel führte sie 1913 an das Théâtre de la Monnaie in Brüssel. Danach war sie zehn Jahre lang – von 1914 bis 1924 – als dramatischer Sopran am Großherzoglichen Hof- und Nationaltheater Mannheim engagiert. Hier nahm sie weiteren Unterricht bei dem Tenor Philipp Massalsky.[4] Im November 1917 wirke sie dort an der Uraufführung von Bernhard Sekles Oper Schahrazade unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler mit.[5]

Im Dezember 1921 heiratete sie den Verlagsbuchhändler Carl Ruske[6] und trat daraufhin als Minnie Ruske-Leopold auf. Im Juli 1924 verabschiedete sie sich aus Mannheim mit der Rolle der Sélica in Die Afrikanerin.[7] In der Spielzeit 1925–26 war sie Mitglied der Berliner Städtischen Oper. Hier wirke sie in den Premieren von Hoffmanns Erzählungen (Dezember 1925, Dirigent: Paul Dessau) und Elektra (Januar 1926, Dirigent: Bruno Walter) mit.[8] Danach trat Ruske-Leopold nur noch gastweise auf, ein festes Engagement ist ab Herbst 1926 nicht mehr nachweisbar.[9]

In den Jahren 1927 und 1928 wirkte die Künstlerin bei den Bayreuther Festspielen mit. Sie sang dort eine der Rheintöchter und eine der Walküren im Ring des Nibelungen (Wellgunde und Siegrune) sowie den 1. Knappen und ein Solo-Blumenmädchen im Parsifal. Sie gastierte weiters an der Semperoper von Dresden (1925), an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin (1919, 1927 und 1928) und am Grand Théâtre von Genf (1930). In Aufführungen in der Stadsschouwburg Amsterdam übernahm sie 1928 die Siegrune, 1929 den 1. Knappen und ein Blumenmädchen und 1931 die 2. Dame in der Zauberflöte.[10]

Zu ihren Paraderollen zählten die Leonore im Fidelio, Santuzza in Cavalleria rusticana und die Marta im Tiefland.

1933 wurde ihre Karriere in Deutschland durch die Rassenpolitik der Nationalsozialisten beendet. Im Oktober 1938 emigrierte sie in die Vereinigten Staaten.[11] Dort scheint sie nur noch selten aufgetreten zu sein, so in New York im Februar 1940 in einer Benefizvorstellung für europäische Emigranten der Synagoge Temple Rodeph Sholom.[12] Ihr weiterer Lebensweg ist unbekannt.

Repertoire (Auswahl)

d’Albert:

Ludwig van Beethoven:

Lortzing:

Mascagni:

Meyerbeer:

Mozart:

Offenbach:

 

Pfitzner:

Sekles:

  • Saad in Schahrazade

Johann Strauss:

Richard Strauss:

Wagner:

Tondokumente

Im Sommer 1927 wirke die Sängerin an Aufnahmen mit, die die Columbia Graphophone Company im Bayreuther Festspielhaus machte: an der Blumenmädchenszene aus dem 2. Akt des Parsifal (Dirigent: Karl Muck), dem Gesang der Rheintöchter aus Rheingold und dem Walkürengesang aus dem 3. Akt der Walküre (Dirigent: Franz von Hoeßlin).[13]

Gedenken

Gedenktafel für Minnie Ruske-Leopold in Bayreuth

Im Park nahe dem Festspielhaus Bayreuth wurde eine Gedenktafel mit einem Text aus dem Buch Verstummte Stimmen errichtet.

Literatur

  • Karl-Josef Kutsch, Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. Vierte, erweiterte und aktualisierte Auflage. K. G. Saur, München 2003, ISBN 3-598-11598-9. Band 4, S. 4066
  • Hannes Heer, Jürgen Kesting, Peter Schmidt: Verstummte Stimmen: die Bayreuther Festspiele und die „Juden“ 1876 bis 1945. Ausstellungskatalog. 3., veränderte Auflage. Metropol Verlag, Berlin 2016. ISBN 978-3-86331-303-6. S. 298.

Einzelnachweise

  1. Standesamt Nidda, Geburtsurkunde vom Nr. 19 vom 8. Mai 1891. Für das Geburtsdatum 1887 in Frankfurt am Main lässt sich kein standesamtlicher Nachweis finden
  2. Als Datum einer Anspruchserhebung von Minna Ruske wird im US-amerikanischen Sozialversicherungsindex der 7. Mai 1956 genannt
  3. Betty Kann Leopold in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 9. Januar 2024 (englisch).
  4. Berliner Tageblatt vom 13. September 1925, S. 20
  5. Berliner Tageblatt vom 7. November 1917, S. 3
  6. Heiratsanzeige im Mannheimer General-Anzeiger vom 22. Dezember 1921, S. 7
  7. Mannheimer General-Anzeiger vom 4. Juli 1924, S. 4
  8. Detlef Meyer zu Heringdorf: Das Charlottenburger Opernhaus von 1912 bis 1961. Dissertation. Deutsche Oper Berlin 1988. ISBN 3-926412-07-0, S. 299/300
  9. letzter Nachweis Ende 1926 in: Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1927. Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, Berlin 1926
  10. Gedenkboek der Wagnerveereniging 1884–1934. Amsterdam 1934, S. 272–274
  11. laut Bayreuther Gedenktafel emigrierte sie bereits 1934, laut Passagierliste der SS Bremen erst 1938: Abreise Cherbourg 7. Oktober 1938, Ankunft New York 12. Oktober 1938
  12. Aufbau vom 9. Februar 1940, S. 6
  13. Bayreuth Festival, 1927. Preiser Records, Wien. Best.-Nr. 90393 (CD, 1999).
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