Milchschlauch
Ein Milchschlauch bzw. ein Milchbeutel ist eine Verpackung für frische Milch, die aus Kunststofffolie besteht. Aufgrund der Verpackungsform wird diese Milch auch als Schlauchmilch[1] bezeichnet.
Beschreibung
Bei der ursprünglichen Version des Milchschlauchs, die in Ost- und Westdeutschland von den 1960er bis in die 1990er Jahre in Gebrauch war, besteht die Verpackung aus einem Schlauch aus co-extrudierter zweischichtiger Polyethylenfolie[2], der an beiden Enden mit einer Schweißnaht verschlossen wird. Der Kunststoffschlauch mit einem Fassungsvermögen von 1 Liter kann transparent oder undurchsichtig sein und ist meist mit dem Markenlogo und weiteren Informationen zum Inhalt bedruckt. Zum Ausgießen stellt man den Beutel in einen Schlauchbeuteleimer aus Kunststoff (manchmal auch '-Krug' genannt) und schneidet dann die oberen Ecken mit einer Schere ab.[3]
Die neuere Version, die seit den 2000er Jahren vermarktet wird[4] und aus einem Kunststoff-Kreide-Gemisch besteht, hat einen Faltboden, sodass der Milchschlauch bzw. Milchbeutel auch ohne zusätzliches Gefäß stehen kann. Ein abgeteilter luftgefüllter Schlauch an der Seite des Beutels dient als Griff. Der Ausgießer wird geöffnet, indem eine Ecke entlang einer vorgestanzten Rille abgerissen wird.[5]
Geschichte
Deutschland
Die Verpackung von Frischmilch in Milchschläuchen kam in Deutschland erstmals in den späten 1960er Jahren auf. Bis dahin war Milch entweder lose verkauft und individuell in Milchkannen abgefüllt worden oder, mit dem zunehmenden Aufkommen von Selbstbedienungsläden, in Glasflaschen abgepackt worden.[3][6]
Die ersten Milchschläuche in Westdeutschland bestanden aus reinem Polyethylen, waren verglichen mit Glasflaschen extrem leicht und dünn. Durch den geringen Materialverbrauch und da sich reines Polyethylen leicht recyceln lässt haben Milchschläuche eine bessere Ökobilanz als heutige Getränkekartons.[7]
In der DDR fanden die ab den 1970er Jahren im VEB Petrolchemisches Kombinat Schwedt hergestellten Milchschläuche, die ebenfalls aus Polyethylen bestanden und Abpackungen in 0,5 und 1 Liter zuließen[8], aus ähnlichen Gründen (leichter Transport, geringer Herstellungsaufwand und Rohstoffverbrauch) allgemein weite Verbreitung. Die dazugehörigen Schlauchbeuteleimer wurden vom VEB Plastverarbeitungswerk Schwerin in drei verschiedenen Varianten produziert. Neben Milchschläuchen blieben in der DDR auch Glasflaschen für Milch gebräuchlich, die Produktion von Milchkannen aus Metall endete dort 1967.[3]
In Westdeutschland schätzten vor allem regionale Molkereien die Milchschläuche als leichte und preisgünstige Verpackung.[7] Bei den Kunden waren Milchschläuche jedoch nicht beliebt. Vielfach rissen die Beutel beim Transport zum Supermarkt oder auf dem Nachhauseweg auf: „Milch einzukaufen hieß, in eine Wanne kalter, quallig schwappender Milchschläuche zu fassen und nach einem trockenen zu tasten.“[7] Zwar kamen in den 1980er Jahren stabilere Folienschläuche auf den Markt, die aus mehreren Schichten bestanden, dennoch bevorzugten die Verbraucher die einfache Handhabung der Verpackungen aus Getränkekarton (wie z. B. Tetra Pak), die heute den größten Marktanteil ausmachen.[7]
Bis 1997 erreichten die Milchschläuche trotzdem noch einen Marktanteil von 12 %. Um die Jahrtausendwende verschwand diese Verpackungsart aber fast völlig aus den Supermärkten. Der Marktanteil fiel bis zum Jahr 2004 auf 1 % und lag danach sogar darunter.[7]
Die neuen standfesten Milchbeutel sind seit den 2000er-Jahren bei regionalen Molkereien, beispielsweise in Baden-Württemberg, Brandenburg und Niedersachsen im Einsatz, es handelt sich jedoch um ein Nischenprodukt mit nur geringem Marktanteil. Der Milchschlauch der Molkerei Hemme in Niedersachsen wurde im Jahr 2014 mit dem Deutschen Verpackungspreis prämiert.[9] Dabei kommt Calymer, ein PET-Kunststoff-Kreide-Gemisch mit einem Anteil von 40 % Calciumcarbonat (Kreide) verwendet. Durch den Kreidanteil reduziert sich der Verbrauch fossiler Rohstoffe. Durch das geringe Gewicht von nur 16 g pro Milchverpackung lassen sich die Transportkosten für die Milch sowie die Restmüllmenge verringern. Allerdings ist die Kreide-Kunststoffmischung derzeit nicht recycelbar, so dass die Milchverpackungen verbrannt werden müssen.[10]
Weblinks
Einzelnachweise
- FOCUS Online: Berlin: Wörter der 70er und 80er: Fußgängerzone und Waldsterben. Abgerufen am 25. November 2019.
- Susanna Stock: Hüllen mit vielen Funktionen. In: Kunststoff International. Nr. 5, 2010, S. 97.
- Katja Böhme, Andreas Ludwig (Hrsg.): Alles aus Plaste Versprechen und Gebrauch in der DDR. Köln [u. a.] 2012, ISBN 3-412-20966-X, S. 128-33 & 229–230 (diese Publ. erschien zur gleichnamigen Ausstellung im Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR).
- Milch in Brandenburg. (PDF) Abgerufen am 24. November 2019.
- Hemme Milch: Unser Milchbeutel. Abgerufen am 24. November 2019.
- Andrea Fink-Keßler: Die Geschichte des direkten Milchverkaufs. In: AgrarBündnis e.V., Rheda-Wiedenbrück (Hrsg.): Der Kritische Agrarbericht 2002. ISBN 3-930413-21-3, S. 306–308 (make-sense.org [PDF]).
- Carolin Wahnbaeck: Gebeutelte Milch: Was wurde aus dem Milchschlauch? In: Spiegel Online. 27. November 2015, abgerufen am 24. November 2019.
- Milchtüten aus dem VEB Petrolchemisches Kombinat Schwedt, aufgerufen am 26. November 2019.
- Deutscher Verpackungspreis, Prämierte 2014: Hemme Milch. Archiviert vom ; abgerufen am 24. November 2019.
- Grüne Helden: Innovative Verpackungskonzepte auf Kreidebasis sparen Material und Energie › HeldenBlog. 15. Dezember 2013, abgerufen am 25. Februar 2024 (deutsch).
- Migros | Vollmilch Past Beutel. Abgerufen am 4. April 2022 (Schweizer Hochdeutsch).
- Patricia Aguirre: The culture of milk in Argentina. In: Anthropology of food. Nr. 2, 2003, doi:10.4000/aof.322.
- So we drink milk from bags. Does that make us weird? | The Star. Abgerufen am 24. November 2019 (englisch).