Michelozzo di Bartolommeo

Michelozzo di Bartolom(m)eo Michelozzi, genannt Michelozzo (* um 1396 in Florenz; † 7. Oktober 1472 ebenda), war ein vor allem in Florenz, aber auch in Prato, Montepulciano und Dubrovnik aktiver Bildhauer, Bronzegießer, Goldschmied und Architekt des 15. Jahrhunderts.

Michelozzo und Werkstatt, Tugend-Statue vom Grabmal des Bartolomeo Aragazzi, Marmor, um 1435, Dom, Montepulciano

Leben und Werke

Michelozzo war der Sohn des aus Lyon im Burgund eingewanderten Schneiders Bartolomeo di Gherardo und der Antonia di Leonardo Porcellini;[1] sein genaues Geburtsjahr ist nicht bekannt. In Florenz lebte die Familie in der Via Larga, unweit des Familiensitzes der Medici, der Casa vecchia.

Von 1410 an war Michelozzo über fast drei Jahrzehnte immer wieder als Graveur von Prägestempeln in der Florentiner Münze beschäftigt.[2] Wegen Erfahrungen im Bronzeguss wurde er vermutlich 1417,[3] sicher aber ab 1420 Mitarbeiter von Lorenzo Ghiberti,[4] in dessen Werkstatt er bis 1429 an der Fertigstellung des hl. Matthäus für Orsanmichele und Ghibertis erstem Bronzeportal sowie an der Ausführung des zweiten Portals des Baptisteriums San Giovanni mitwirkte. Im Jahr 1424 gründeten Michelozzo und Donatello eine Werkstattgemeinschaft.[5][6] In den darauffolgenden Jahren war Michelozzo an mehreren bedeutenden Projekten beteiligt. 1424–1427 entstand das Grabmal für den 1415 in Florenz verstorbenen ehemaligen Gegenpapst Johannes XXIII. im Baptisterium. Von 1426 bis 1428 arbeiteten beide Künstler in Pisa am Grabmal für den Kardinal Rainaldo Brancacci, das nach seiner Fertigstellung nach Neapel verschifft wurde und dort in der Kirche Sant’Angelo a Nilo Aufstellung fand. Den Auftrag für das Grabmonument des Bartolomeo Aragazzi, ein humanistisch gebildeter Kleriker im Dienste Johannes' XXIII. und dann Martins V., im Dom von Montepulciano (1427–1438) scheint Michelozzo ohne Donatellos Beteiligung ausgeführt zu haben; das Grabmal Martins ist nur in Einzelteilen erhalten. 1428 erhielten beide Künstler den Auftrag, für den Dom in Prato eine neue Außenkanzel für die Präsentation des Heiligen Gürtels zu entwerfen und auszuführen; die Arbeiten waren im Sommer 1438 abgeschlossen. Neben Michelozzo und Donatello waren an der Ausführung die Bildhauer Pagno di Lapo Portigiani und Maso di Bartolomeo beteiligt.

Donatello, Michelozzo, Pagno di Lapo Portigiani, Grabmal des Gegenpapstes Johannes XXIII., 1422–1428, Baptisterium San Giovanni, Florenz

1440 ist Michelozzo erstmalig im Zusammenhang mit einem architektonischen Entwurf – eine Zeichnung für die Fassade des Palazzo comunale in Montepulciano – dokumentiert.[7] Anfang der 1430er Jahre war er bereits von der Stadtregierung von Florenz mit Arbeiten am Castello (heute Fortezza medicea) beauftragt worden, ohne dass sich der Charakter seiner Aufgabe genauer bestimmen ließe. Weitere Bauprojekte Ende der 1430er bis 1450er Jahre – u. a. das Kloster von San Marco, der Palazzo Medici, der Palazzo Tornabuoni, die Villa Medici von Fiesole und die Medici-Villen in Trebbio, Careggi und Cafaggiolo sowie das Bankhaus der Medici in Mailand – wurden Michelozzo zuerst von Giorgio Vasari zugeschrieben.[8] Besonders ausführlich beschreibt Vasari die umfangreichen Renovierungsarbeiten im Innenhof des Palazzo della Signoria, mit denen Michelozzo – wie später Vasari selbst – angeblich betraut war. Vasari versucht in der Vita Michelozzos, diesen zum Hausarchitekten der Medici und damit zu seinem Vorgänger zu stilisieren; für keines der genannten Bauprojekte ist eine Beteiligung Michelozzos zweifelsfrei dokumentiert.[9]

Donatello, Michelozzo, Pagno di Lapo Portigiani, Grabmal für Kardinal Rainaldo Brancacci, 1426–1428, Sant'Angelo a Nilo, Neapel

Belegt ist hingegen die Anfertigung von Entwürfen für die Serviten-Kirche Santissima Annunziata (ab 1444)[10] sowie die Leitung der Dom-Bauhütte in Florenz (1446–1451, v. a. Arbeiten an der Laterne der Domkuppel) und der Bauarbeiten am Ospedale di San Paolo (1459–1460, Loggia)[11] an der Piazza Santa Maria Novella. Der Architekturhistoriker Marvin Trachtenberg brachte Michelozzo mit der Planung und Ausführung der Cappella Pazzi (1441–1478) in der Florentiner Franziskanerkirche Santa Croce in Verbindung, die gemeinhin dem allerdings bereits 1446 verstorbenen Filippo Brunelleschi zugeschrieben wird.[12] Nach Auffassung des Kunsthistorikers Pietro Ruschi war Michelozzo für den Umbau und die Sgraffito-Dekoration des Palazzo Dietisalvi Neroni (um 1450) verantwortlich.[13]

1461 verließ Michelozzo Florenz, um in der dalmatischen Stadt Ragusa (Dubrovnik) die städtischen Befestigungsanlagen auszubauen. 1464 scheint er einen Vertrag für ähnliche Aufgaben auf der damals zum genuesischen Besitz gehörenden Insel Chios abgeschlossen zu haben. 1465 kehrte er nach Florenz zurück; weitere Aufträge sind nicht bekannt.

Neben seiner Tätigkeit als Architekt arbeitete Michelozzo noch in annderen Bereichen: 1448 übernahm er den Guss einer Glocke für den Palazzo della Signoria, 1452 entstand eine Silberfigur Johannes des Täufers für den Altar des Baptisteriums San Giovanni, zwei Jahre darauf eine etwa lebensgroße, ursprünglich farbig gefasste Terrakotta-Plastik des Täufers für Santissima Annunziata.[14] Dem Künstler werden in der kunstwissenschaftlichen Forschung mehrere Reliefs zugeschrieben, vor allem Darstellungen der Madonna mit Kind.[15] Zu nennen sind hier unter anderem zwei Marmorreliefs im Museo nazionale del Bargello in Florenz (Bargello sculture Nr. 441, 473), ein Terrakotta-Relief (1437–1438) in Budapest,[16] ein Terrakotta-Relief in der Skulpturensammlung in Berlin (um 1440, Inv.-Nr. 73)[17] und die so genannte Madonna Orlandini aus Marmor (um 1426?, Inv.-Nr. 55), ebenfalls in der Skulpturensammlung.[18]

Michelozzo muss in den 1450er Jahren auch als Bildhauer ein hohes Ansehen genossen haben. Sein Zeitgenosse Filarete nennt ihn in seinem Architekturtrakat (Trattato d’architettura, 1460–1464) neben anderen bekannten Florentiner Meistern, deren Werke die Idealstadt Sforzinda schmücken sollen: „Aber da sah man einen Donatello, einen Luca, einen Agostino sammt seinem Bruder Ottaviano. Ferner war da ein berühmter Meister, namens Desiderio; ferner ein Dino, ein Michelozzo, ein Pagno, ein Bernardo nebst seinem Bruder.“[19]

Michelozzo starb 1472 in Florenz und wurde in San Marco bestattet. Er war mit Francesca Galigari verheiratet und hatte mit ihr fünf Kinder. Sein Sohn Niccolò (1444–1526), Schüler des humanistischen Philosophen Marsilio Ficino, hatte in Florenz wichtige politische Ämter inne.

Werke

Literatur

  • Hans Teubner: San Marco in Florenz: Umbauten vor 1500. Ein Beitrag zu Werk des Michelozzo. In: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz. Band 23, Nr. 3, 1979, S. 239272.
  • Ronald W. Lightbown: Donatello & Michelozzo. An artistic partnership and its patrons in the early Renaissance. Miller, London 1980, ISBN 0-905203-22-4.
  • Miranda Ferrara, Francesco Quinterio: Michelozzo di Bartolomeo. Salimbeni, Florenz 1984.
  • Brenda Preyer: Michelozzo e Vasari. In: Gabriele Morolli (Hrsg.): Michelozzo, scultore e architetto (1396–1472). Centro Di, Florenz 1998, ISBN 88-7038-332-6, S. 325331.
  • Giorgio Vasari: Das Leben des Florentiner Bildhauers und Architekten Michelozzo Michelozzi. In: Ulrich Pfisterer (Hrsg.): Giorgio Vasari - Das Leben des Donatello und des Michelozzo. Wagenbach, Berlin 2013, ISBN 978-3-8031-5059-2.
Commons: Michelozzo – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Daten zu Leben und Werk Michelozzos in Vasari/Pfisterer 2013, S. 160.
  2. Ferrara/Quinterio 1984, S. 12.
  3. Ferrara/Quinterio 1984, S. 13.
  4. Richard Krautheimer, Trude Krautheimer-Hess: Lorenzo Ghiberti (= Princeton monographs in art and archeology. Nr. 31). Princeton Univ. Press, Princeton, NJ 1956, S. 111, doc. 34.
  5. Siehe Lightbown 1980
  6. Harriet MacNeal Caplow: Sculptors’ partnerships in Michelozzo’s Florence. In: Studies in the Renaissance. Band 21, 1974, S. 145175.
  7. Howard Saalman: The Palazzo Comunale in Montepulciano. An unknown work by Michelozzo. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte. Band 28, 1965, S. 146.
  8. Vasari/Pfisterer 2013, S. 69–90.
  9. Vasari/Pfisterer 2013, S. 73–79, bes. Anm. 11, S. 142. Das Anwachsen der allein auf vagen stilistischen Zuschreibungen beruhenden Zahl von Werken kritisierte auch der Architekturhistoriker Hans Teubner (Teubner 1979, S. 256–257, Anm. 34). Skepsis gegenüber der Rolle Michelozzos beim Bau des Medici-Palastes äußerte beispielsweise die Kunsthistorikerin Brenda Preyer (Preyer 1998, S. 325–331).
  10. Alana O’Brien: Patronage, liturgy, art and devotion under the tribune of the Santissima Annunziata, Florence, mid-fifteenth to early seventeenth centuries. In: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana. Band 44 (2019/2020), 2021, S. 83167.
  11. Richard Goldthwaite, William R. Rearick: Michelozzo and the ospedale di San Paolo in Florence. In: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz. Band 21/3, 1977, S. 221306.
  12. Marvin Trachtenberg: Brunelleschi, Michelozzo, and the problem of the Pazzi Chapel. Yale University Press, New Haven 2012, ISBN 978-0-300-11831-5.
  13. Pietro Ruschi: Conferme michelozziane per il Palazzo di Dietisalvi Neroni a Firenze. In: Gabriele Morolli (Hrsg.): Michelozzo, scultore e architetto (1396 - 1472). Centro Di, Florenz 1998, S. 215230.
  14. Giovanna Agosti: Problemi di restauro di una statua in terracotta policroma. Il "San Giovanni Battista" di Michelozzo. In: OPD restauro. Nr. 12, 2000, S. 151158.
  15. Anna Jolly: Madonnas by Donatello and his circle. Lang, Frankfurt am Main 1998.
  16. Relief of the Virgin and Child , auf mfab.hu
  17. Madonna Relief im Rahmen, auf smb-digital.de
  18. Neville Rowley, Paul Hofmann: Forschung und Restaurierung. Das Relief der "Orlandini-Madonna" aus dem Bestand der Skulpturensammlung, Inv.-Nr. 55, ein Werk Michelozzos? In: Jahrbuch der Berliner Museen. 2018, S. 4752.
  19. Filarete: Antonio Averlino Filarete’s Tractat über die Baukunst nebst seinen Büchern von der Zeichenkunst und den Bauten der Medici. In: Wolfgang von Oettingen (Hrsg.): Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Neuzeit. Band 3. Graeser, Wien 1890, S. 212.
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