Michael Movchin
Michael Movchin (* 31. August 1997 in München) ist ein deutscher jüdischer Aktivist und seit Dezember 2019 Vorsitzender des Verbands jüdischer Studenten in Bayern, dessen Vorstand er seit Dezember 2017 angehört.[1]
Leben
Movchin ist in München geboren und aufgewachsen. Er ist beruflich im Bereich der Informationstechnologie tätig. Movchin war im Jahr 2013 Mitgründer einer digitalen Social Learning Plattform, die unterstützt wurde durch die Social Entrepreneurship Akademie der Ludwig-Maximilians-Universität München.[2]
Seit Mai 2020 ist Movchin Mitgründer eines sicheren Anbieters zur datenschutzkonformen Kontaktdatenerfassung als Folge der COVID-19-Pandemie in Deutschland und stellt das Tool wohltätigen Organisationen kostenfrei zur Verfügung.[3]
Aktivitäten
Sichtbarmachung jüdischen Lebens
Im Jahre 2016 war Movchin Mitglied des Organisationskomitee der von Makkabi Deutschland erstmalig seit 20 Jahren wieder ausgerichteten deutschen Makkabiade in Duisburg.[4] Movchin ist Beisitzer im Präsidium von Makkabi Deutschland.[5]
Im Kontext des Festjahres zu „1700 Jahren jüdisches Leben in Deutschland“ und vor dem Hintergrund der Geschichte der Juden in Deutschland bezeichnete Movchin in einem am 12. Januar 2021 erschienenen Beitrag des BR Fernsehen das neue Jüdische Zentrum München im Stadtzentrum als Symbol dafür, dass jüdisches Leben auch in der Mitte der Gesellschaft präsent ist.[6]
Engagement gegen Antisemitismus
Movchin war im Jahre 2015 Initiator der Petition zur Umbenennung der Münchner Treitschkestraße, welche nach Heinrich von Treitschke benannt wurde. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude wurde in seiner Amtszeit (1993–2014) damit konfrontiert und verteidigte die Straßenbenennung. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern Charlotte Knobloch unterstützte den Aufruf und ließ etwaige Relativierungen zur Person Treitschke nicht gelten.[7]
Im Januar 2019 kritisierte Movchin eine Preisverleihung an den Karikaturisten Dieter Hanitzsch vor dem Hintergrund, dass Hanitzsch im Mai 2018 eine Karikatur in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht hatte, die antisemitische Stereotype transportierte. Movchin forderte, dass für antisemitische Karikaturen kein städtischer Preis verliehen werden darf, und bezeichnete die Ehrung als ein „Schandbild für die Münchner Kultur“. Die Zeitung beendete später die Zusammenarbeit mit dem Karikaturisten.[8]
Als im September 2020 auf dem Videoportal TikTok mehrere mit Musik unterlegte Videos veröffentlicht worden waren, in denen sich junge Nutzer als Schoa-Opfer darstellten, bezeichnete Movchin diese Inszenierungen als „geschmacklos“ und bekräftigte, „wie wichtig eine intensive und gründliche Befassung mit der Shoah in der Schule“ sei. Die Plattform entfernte und sperrte diese Inhalte im Nachgang.[9]
Im Januar 2021 bemängelte Movchin, dass das soziale Netzwerk Facebook einen dem „Judenstern“ nachempfundenen Sticker vorschlagen würde, wenn ein Nutzer nach Profilfoto-Stickern zum Thema „Impfen“ suchen würde. Er forderte eine umgehende Entfernung dieses Inhaltes, nachdem dieser die Shoa relativieren würde. Movchin äußerte sein Unverständnis vor dem Hintergrund, dass die Plattform einige Zeit zuvor angekündigt hatte, Inhalte, welche den Holocaust leugnen oder verharmlosen, zu entfernen, und kritisierte die trotzdem erfolgte Genehmigung des durch einen Benutzer eingestellten Inhalts seitens Facebooks. In Folge dieser Intervention entfernte die Plattform den angebotenen Rahmen.[10][11]
Movchin kritisierte den vom Rapper Kollegah geplanten Auftritt im September 2022 in München und warf ihm die Verwendung von antisemitischen Chiffren vor.[12]
Solidarität mit dem Staat Israel
Im Jahre 2014 war Movchin Mitinitiator der „Bring back our Boys“-Kampagne. Eine bundesweite Solidaritätsaktion für drei entführte Talmudschüler (siehe Chronologie des israelisch-palästinensischen Konflikts) fand zeitgleich in Hamburg, Frankfurt am Main, München, Kassel, Leipzig und Berlin statt.[13]
Bei einer von Movchin im Juli 2014 kurzfristig initiierten Solidaritätsdemonstration mit Israel nahmen in München rund 850 Personen teil. Aufgrund eines vorangegangenen Zwischenfalls sprach Movchin dort dem führenden Kopf der vom Verfassungsschutz als extremistisch eingeschätzten Partei „Die Freiheit“ Michael Stürzenberger ein Platzverbot aus. Dieses wurde mit Hilfe der Polizei durchgesetzt.[14]
Im Mai 2021 rief Movchin gemeinsam mit weiteren Initiatoren zu einer israelsolidarischen Kundgebung für Frieden im Nahen Osten auf dem Münchner Odeonsplatz auf. An der Versammlung nahmen mehrere Politikvertreter, darunter Charlotte Knobloch, Ex-Bischöfin Susanne Breit-Keßler, Bürgermeisterin Katrin Habenschaden, FDP-Fraktionsvorsitzender Martin Hagen teil. Movchin sagte bei der Moderation, ihn schmerze es zutiefst, dass Gegner Israels jüngst auch in deutschen Städten vor Synagogen gezogen seien und Flaggen verbrannt hätten.[15][16][17]
Positionen
Im Juni 2020 begrüßte Movchin die Entscheidung der Landeshauptstadt München, das Tragen von gelben „Judensternen“ bei Demonstrationen gegen die Corona-Einschränkungen zu verbieten. Infolgedessen wurde eine antisemitische Hassnachricht an ihn verschickt und ihm dabei der Tod gewünscht. Die Ermittlungen hat das für politisch rechts-motivierte Staatsschutzdelikte zuständige Kommissariat des Polizeipräsidiums München übernommen. Bayerns Antisemitismus-Beauftragter Ludwig Spaenle erklärte sich „tief entsetzt über die die Gewaltbereitschaft, die aus einer Hass-Mail gegen den Vorsitzenden des Verbandes jüdischer Studenten in Bayern spricht“.[18][19][20]
In einer Talkshow am 29. Juni 2020 mit dem Antisemitismus-Beauftragten Ludwig Spaenle bei München TV warnte Movchin davor, dass die Stimmung in der Gesellschaft kippen könne, wenn Personen wie Attila Hildmann oder Xavier Naidoo antisemitische Verschwörungsmythen bei gleichzeitigem allgemeinem Unmut der Gesellschaft verbreiten und dies zu einem „Grundrauschen“ führen würde. Movchin betrachtete die Klage einiger Akteure gegen den Stadtratsbeschluss der Stadt München aus dem Jahr 2017, der Boycott, Divestment and Sanctions-Kampagne keine städtischen Räumlichkeiten mehr zur Verfügung zu stellen mit Sorge hinsichtlich dessen, dass durch die BDS-Bewegung Antisemitismus salonfähig gemacht werden würde. Hinsichtlich der Angriffe gegen seine Person bekräftigte Movchin, „vollstes Vertrauen“ in die Ermittlungsbehörden zu haben, kritisierte allerdings zugleich die fehlenden Ermittlungserfolge bei vergangenen antisemitischen Angriffen unter anderem durch das Aufstellen von Schutzbehauptungen. Movchin teilte sein Anliegen, das Judentum sichtbarer zu gestalten, „mehr miteinander statt übereinander“ zu sprechen, und verwies auf das Begegnungsprojekt Meet a Jew, um antisemitische Ressentiments insbesondere im Bildungsbereich erfolgreich abzubauen.[21]
In Beiträgen vom Bayerischen Rundfunk, BR Fernsehen, Radiowelt, Bayern 2 sowie in Publikationen des Spiegel-Magazins, Süddeutschen Zeitung, Jüdischen Allgemeine spricht Movchin regelmäßig über sichtbares junges jüdisches Leben in Bayern und engagiert sich gegen Antisemitismus.[22][23] Movchin bezeichnet es als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dem Antisemitismus entgegenzusteuern, und fordert, dass für Antisemitismus kein Raum geschaffen und keine Plattformen zur Verfügung gestellt werden dürften. Hierfür sei eine klare Benennung von antisemitischen Inhalten erforderlich, sodass die Gesellschaft ein Bewusstsein dafür erhalte. Zunehmend thematisiert Movchin die subjektiven Sicherheitswahrnehmungen derjenigen Juden, welche sich bewusst dazu entschieden, sichtbar als Jude in Erscheinung zu treten.[24] Repetitive Einstufungen antisemitischer Taten als Einzelfälle kritisiert Movchin vermehrt und fordert die konsequente Ausschöpfung der vorhergesehen Strafrahmen.[25] Das Handbuch der EU-Kommission zur praktischen Anwendung der Antisemitismusdefinition sieht Movchin als wichtige Handreichung, welche es ermögliche, an Entscheidungsträger mit praktischen Beispielen heranzutreten.[26]
Über den zunehmenden israelbezogenen Antisemitismus im Zusammenhang mit dem Israel-Gaza-Konflikt 2021 sprach Movchin auf einer Pressekonferenz der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus von „einer ganz neuen Dimension von Hass und Hetze“.[27][28]
Movchin setzt sich für einen politischen Dialog der demokratischen Parteien hinsichtlich den Herausforderungen über die jüdische Zukunft in Deutschland, den wachsenden Antisemitismus und der sich im Wandel befindenden Erinnerungskultur ein.[29]
Movchin berichtete mehrfach über zunehmende antisemitische Hasstiraden nach öffentlichen Auftritten und bezeichnete es als „beschämend“ dass Antisemitismus in dieser Form nicht strafbewehrt sei und sah den Staat in der Pflicht, Juden zu schützen. Zu diesem Zeitpunkt war der Straftatbestand der verhetzenden Beleidigung noch nicht eingeführt worden, dieser Qualifikationstatbestand (§ 192a StGB) trat am 22. September 2021 in Kraft.[30][31][32] Im Februar 2022 wurde bekannt, dass ein 56-jähriger Mann, welcher gegenüber Movchin seine Vernichtungsfantasien geäußert hatte, zu einer auf Bewährung ausgesetzten Haftstrafe verurteilt wurde.[33]
Weblinks
Einzelnachweise
- Registerportal der Länder, Bayern Amtsgericht München VR 201631, Verband jüdischer Studenten in Bayern e. V.
- SpreadTutorial Company Profile: Valuation & Investors. In: PitchBook. Abgerufen am 10. Januar 2021 (englisch).
- Elke Wittich: Ein Service für alle Fälle. 9. Juli 2020, abgerufen am 10. Januar 2021.
- Moritz Piehler: Spannung vor dem Start. 10. Mai 2016, abgerufen am 10. Januar 2021.
- Präsidium. In: Makkabi Deutschland e. V. Abgerufen am 18. Februar 2022.
- Schalom Bavaria: Bayern erinnert. Abgerufen am 13. Januar 2021.
- Helmut Reister: Zu viel der Ehre. 16. März 2015, abgerufen am 10. Januar 2021.
- Frederik Schindler: Preis für Karikaturist Dieter Hanitzsch: „Schandbild für die Münchner Kultur“. In: taz. 24. Januar 2019 (taz.de [abgerufen am 10. Januar 2021]).
- „Trauma-Porno“: Nur für Klicks? TikTok-Nutzer inszenieren sich als Holocaust-Opfer. 13. September 2020, abgerufen am 10. Januar 2021.
- Impfgegner posten Judenstern: SIG kritisiert Corona-Skeptiker und Facebook. Abgerufen am 10. Januar 2021.
- Facebook bot von Corona-Leugnern erstellten "Judenstern"-Sticker an - derStandard.de. Abgerufen am 10. Januar 2021 (österreichisches Deutsch).
- Birgit Rätsch: Kritik an Kollegah-Auftritt: Sind Texte des Rappers gefährlich? Bayerischer Rundfunk, 9. Oktober 2022, abgerufen am 10. Oktober 2022.
- #BringBackOurBoys. Zentralrat der Juden in Deutschland, 24. Juni 2014, abgerufen am 10. Januar 2021.
- gast: Partei „Die Freiheit“ blamiert sich bei Israeldemo. In: schlamassel.blogsport.de. Abgerufen am 10. Januar 2021.
- Solidarität für Israel: 250 Demonstranten auf dem Münchner Odeonsplatz. Abgerufen am 18. Februar 2022.
- Julian Hans: Münchner Demos zum Nahostkonflikt. Abgerufen am 18. Februar 2022.
- Helmut Reister: An der Seite Israels. 27. Mai 2021, abgerufen am 18. Februar 2022.
- RIAS Bayern - Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus. Abgerufen am 10. Januar 2021.
- Spaenle entsetzt über Hass-Mail gegen jüdische Menschen. 10. Juni 2020, abgerufen am 10. Januar 2021.
- Hansestadt Demmin - Reichspogromnacht. Abgerufen am 10. Januar 2021.
- Stadtgespräch – Ludwig Spaenle. Abgerufen am 10. Januar 2021.
- Annette Großbongardt: Wie der Judenhass zurück nach München kommt. In: Der Spiegel. Nr. 4, 2021 (online).
- Bayern: Zahl der antisemitischen Vorfälle angestiegen. In: Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 7. Oktober 2021.
- radioWelt. Bayerischer Rundfunk, 29. Mai 2020, abgerufen am 10. Januar 2021.
- Unbekannter wirft Betonblock auf Synagoge. Zentralrat der Juden in Deutschland, 23. November 2020, abgerufen am 10. Januar 2021.
- Handbuch für Europa: Ein EU-Leitfaden zeigt die vielen Dimensionen von Antisemitismus auf. Bayerischer Rundfunk Julia Smilga, 15. Januar 2021, abgerufen am 31. Januar 2021.
- Recherchestelle: Mehr antisemitische Vorfälle gemeldet. In: n-tv Nachrichten. Abgerufen am 7. Oktober 2021.
- Mehr antisemitische Vorfälle gemeldet. Zentralrat der Juden in Deutschland, 1. Oktober 2021, abgerufen am 7. Oktober 2021.
- Talk-Veranstaltung: Droht Exodus junger Juden aus Deutschland? 7. September 2021, abgerufen am 18. Februar 2022.
- Drohungen gegen Juden: Hasstiraden nach Interview. 23. Mai 2021, abgerufen am 7. Oktober 2021.
- Drohungen gegen Juden: Hassbotschaften direkt aufs Handy. 18. Mai 2021, abgerufen am 7. Oktober 2021.
- Neue Strafvorschriften treten morgen in Kraft. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 21. September 2021; abgerufen am 7. Oktober 2021. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- „Wunsch nach Vernichtung“: Antisemitisches Gedankengut per E-Mail verschickt. Abgerufen am 18. Februar 2022.