Menschenrechtsbeirat

Der Menschenrechtsbeirat ist ein beratendes Organ der österreichischen Volksanwaltschaft. Dem Menschenrechtsbeirat und den von der Volksanwaltschaft nach Anhörung des Menschenrechtsbeirates eingerichteten Kommissionen obliegt die präventive Kontrolle der Einhaltung von Menschenrechten in öffentlichen und privaten Einrichtungen. Weiters obliegt ihnen die Kontrolle der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch staatliche Organe. Die Volksanwaltschaft und die von ihr eingerichteten Kommissionen sind der Nationale Präventionsmechanismus (NPM) im Sinne des Fakultativprotokolls OPCAT zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe.

Organisation

Dem Menschenrechtsbeirat besteht aus einem Vorsitzenden, deren Stellvertreter sowie 16 weiteren Mitgliedern und Ersatzmitgliedern. Seit 1. Juli 2012 ist Renate Kicker Vorsitzende, ihr Stellvertreter ist seit 2014 Andreas Hauer. Der bzw. die Vorsitzende des Menschenrechtsbeirates wird von der Volksanwaltschaft bestellt. Er bzw. sie ist in Ausübung der Tätigkeit an keine Weisungen gebunden und muss über spezifische Fähigkeiten und Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Menschenrechte verfügen.

Folgenden Einrichtungen kommt ein Vorschlagsrecht für jeweils ein Mitglied und ein Ersatzmitglied zu:

Zur Unterstützung der Tätigkeit des Menschenrechtsbeirates ist in der Volksanwaltschaft eine Geschäftsstelle eingerichtet.

Aufgaben

Der Menschenrechtsbeirat ist seit 1. Juli 2012 als beratendes Gremium bei der Volksanwaltschaft eingerichtet und berät die Mitglieder bezüglich der Aufgaben im Menschenrechtsbereich. Seine Kompetenz umfasst alle Gebiete der Prüftätigkeit der Volksanwaltschaft.

Eine wichtige Beratungsfunktion kommt dem Menschenrechtsbeirat bei der Festlegung von Prüfschwerpunkten zu. Der Beirat unterstützt die Volksanwaltschaft und ihre Kommissionen bei der Entscheidung darüber, welche Schwerpunkte bei der präventiven Kontrolle von Orten der Freiheitsentziehung gesetzt werden sollen.

Der Menschenrechtsbeirat erstattet außerdem Vorschläge für die Festlegung von Prüfstandards. Diese sollen ein einheitliches Vorgehen der Kommissionen gewährleisten. Einheitliche Prüfstandards bilden schließlich die Basis für den Menschenrechtsbeirat in der Beratung der Volksanwaltschaft bei Missstandsfeststellungen. Der Beirat berät die Kommissionen und die Volksanwaltschaft außerdem bei der Erstellung ihrer Empfehlungen und beurteilt, ob diese helfen menschenrechtliche Standards zu erreichen.

Die Mitglieder sowie Ersatzmitglieder sind berechtigt, gleichzeitig an den Sitzungen des Menschenrechtsbeirates teilzunehmen. Dem Beirat kommen außerdem Anhörungsrechte für die Bestellung der Kommissionsleitungen sowie der Kommissionsmitglieder zu. Vom Menschenrechtsbeirat und der Volksanwaltschaft festgelegte Prüfschwerpunkte bestimmen die Themen, auf welche die Kommissionen bei ihren Kontrollen besonderes Augenmerk legen sollten.[2]

Die Kommissionen der Volksanwaltschaft

Die sechs regionalen Kommissionen der Volksanwaltschaft sind zentraler Bestandteil der Kontrolltätigkeit und Teil des NPM. Sie führen für die Volksanwaltschaft bundesweit Kontrollbesuche durch. Sie haben Zutritt zu allen privaten und öffentlichen Einrichtungen, in denen eine Freiheitsentziehung stattfindet oder stattfinden kann. Dazu zählen Einrichtungen der Polizei, der Justiz, aber auch Einrichtungen des Gesundheitswesens, wie Einrichtungen der Psychiatrie sowie zu Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen.

Die Kommissionen übermitteln der Volksanwaltschaft bei Bedarf Vorschläge für Missstandsfeststellungen. Kommt die Volksanwaltschaft Vorschlägen oder Empfehlungen der Kommissionen nicht nach, sind die Kommissionen berechtigt, den Berichten der Volksanwaltschaft entsprechende Bemerkungen zu ihrem Tätigkeitsbereich anzuschließen.

Die Besuche der Kommissionen erfolgen in ihrem Zuständigkeitsbereich routinemäßig und flächendeckend, aber auch auf Grund bekannt gewordener besonderer Umstände. Besuche können auch jederzeit unangemeldet erfolgen. Die Kommissionen haben der Volksanwaltschaft über jeden erfolgten Besuch zu berichten. In diesen Berichten sind insbesondere die erhobenen Fakten und die der Kommission notwendig erscheinenden Maßnahmen und Empfehlungen festzuhalten.

Die Kommissionen bestehen aus nebenberuflich tätigen Personen und sind interdisziplinär zusammengesetzt (Experten auf den Gebieten der Medizin, Rechtswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Sozialarbeit).

Kontrolle von Orten der Freiheitseinschränkung

Menschen kann die Freiheit an verschiedenen Orten entzogen werden, etwa in Justizanstalten, Kasernen, psychiatrischen Einrichtungen, Alten- und Pflegeheimen, Krisenzentren, Wohngemeinschaften für Jugendliche sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Insgesamt werden somit rund 4.000 öffentliche oder private Einrichtungen im Bundesgebiet erfasst, jährlich finden rund 500 meist unangekündigte Kontrollbesuche der regionalen Expertenkommissionen statt.

Kontrolle von Einrichtungen und Programmen für Menschen mit Behinderungen

Die Volksanwaltschaft besucht und kontrolliert mit ihren Kommissionen auch Einrichtungen und Programme für Menschen mit Behinderungen. Ziel ist jede denkbare Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch zu verhindern. Die Volksanwaltschaft setzt damit Regelungen der UN-Behindertenrechtskonvention national um. Von den Besuchen werden etwa Behinderten- und psychosoziale Langzeiteinrichtungen sowie Behindertentageszentren umfasst.

Begleitende Überprüfung von Zwangsakten

Die Volksanwaltschaft überprüft mit ihren Kommissionen weiters die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch die Verwaltung. Dazu gehört die Beobachtung von Polizeieinsätzen bei Großrazzien, Großveranstaltungen, Versammlungen und Demonstrationen sowie bei Abschiebungen. Zielsetzung ist dabei der Schutz der Menschen und ihrer Rechte. Das gilt für Demonstrationsteilnehmer ebenso wie für Einsatzbeamte. Die Prüfkompetenz umfasst auch Misshandlungsvorwürfe gegen Polizeiorgane sowie Todesfälle und Suizidversuche in Polizeigewahrsam.[3]

Historische Entwicklung

Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) besuchte 1990 Österreich zum ersten Mal. Im zusammenfassenden Bericht hat es den österreichischen Behörden empfohlen, ein unabhängiges Organ mit der regelmäßigen Inspektion der Haftbedingungen in den Polizeigefangenenhäusern (nunmehr: Polizeianhaltezentren) zu betrauen. Nach seinem zweiten Besuch 1994 hat das CPT diese Empfehlung wiederholt. In ihrer dazu erstatteten Stellungnahme vom Juni 1996 hat die Bundesregierung die Einrichtung eines unabhängigen Organs zur regelmäßigen Inspektion der Haftbedingungen in den Polizeianhaltezentren zugesichert.

Nach dem Tod des nigerianischen Schubhäftlings Marcus Omofuma am 1. Mai 1999 im Zuge einer Abschiebung auf dem Flug nach Bulgarien wurden die Bemühungen zur Schaffung eines derartigen Beirates verstärkt. Der damalige Bundesminister für Inneres sah sich veranlasst, vorerst im Verordnungswege, einen solchen Beirat einzurichten. Wenige Tage nach dessen Konstituierung – am 5. Juli 1999 – hat der Nationalrat die Sicherheitspolizeigesetz-Novelle 1999 beschlossen, welche die relevanten Bestimmungen über den MRB enthält. Sie ist mit 1. September 1999 in Kraft getreten.

Menschenrechtsbeirat im Bundesministerium für Inneres

Im Jahr 1999 wurde der Menschenrechtsbeirat (Abkürzung MRB) als weisungsfreies Beratungs- und Kontrollgremium des Bundesministeriums für Inneres eingerichtet. Die Rechtsgrundlagen fanden sich in den §§ 15a – 15c Sicherheitspolizeigesetz (SPG), sowie in der Geschäftsordnung des Menschenrechtsbeirates (MRB-GO). Der Menschenrechtsbeirat zählte zu den außergerichtlichen Rechtsschutzeinrichtungen in Österreich. Mit Wirkung vom 1. Juli 2012 beendete er seine Tätigkeit infolge der Übernahme seiner Aufgaben durch die Volksanwaltschaft.

Organisation

Dem Menschenrechtsbeirat gehörten elf Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder an, die bei Besorgung ihrer Aufgaben an keine Weisung gebunden waren.

Für den Vorsitzenden und seine Vertretung, die aus dem Kreis der Mitglieder des Verfassungs-, des Verwaltungsgerichtshofes sowie jener Personen auszuwählen waren, denen an einer österreichischen Universität die Lehrbefugnis für Verfassungsrecht zukam, stand dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes ein Vorschlagsrecht zu.

Vorsitz:

Folgenden Personen kamen ebenso ein Vorschlagsrecht für je ein Mitglied und ein Ersatzmitglied zu:

  • dem Bundeskanzler,
  • dem Bundesminister für Justiz,
  • und fünf privaten gemeinnützigen Vereinen, die sich der Wahrung der Menschenrechte widmen: Caritas, Diakonie, Verein Menschenrechte Österreich, Volkshilfe und SOS Menschenrechte.

Drei weitere Mitglieder und Ersatzmitglieder werden vom Bundesminister für Inneres ohne Vorschlag bestellt.

Zur Unterstützung der Tätigkeit des Menschenrechtsbeirates war im Bundesministerium für Inneres eine Geschäftsstelle eingerichtet.

OPCAT-Durchführungsgesetz

Durch das österreichische OPCAT-Durchführungsgesetz[4] wurde der im Bundesministerium für Inneres bestehende Menschenrechtsbeirat aufgelöst und durch den bei der Volksanwaltschaft eingerichteten Menschenrechtsbeirat sowie die bei der Volksanwaltschaft eingerichteten Kommissionen ersetzt. Dabei wurde die Zuständigkeit des Menschenrechtsbeirates, die zuvor auf das Bundesministerium für Inneres beschränkt war, auch auf andere Einrichtungen erstreckt, in denen freiheitsbeschränkende Maßnahmen und sonstige Zwangsmaßnahmen gesetzt werden können.

Siehe auch

Literatur

  • Bernd Bürger: The Austrian Human Rights Advisory Board. A tool to prevent unethical use of police force under the light of restorative justice principles, Master Thesis, 2013[5]

Einzelnachweise

  1. Zusammensetzung des Menschenrechtsbeirates
  2. Aufgaben des Menschenrechtsbeirates
  3. Die Kommissionen der Volksanwaltschaft
  4. Bundesgesetz zur Durchführung des Fakultativprotokolls vom 18. Dezember 2002 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, kundgemacht im BGBl. I Nr. 1/2012
  5. online
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