Meilichios

Meilichios (altgriechisch Μειλίχιος Meilíchios, deutsch süß, freundlich) ist ein Epitheton mehrerer griechischer Götter, insbesondere des Zeus. Ob das Epitheton für einen zornig gedachten Gott, den es freundlich zu stimmen gilt, oder auf einen grundsätzlich wohlwollend gedachten Gott angewandt wurde, ist unklar, in der antiken Literatur wurden beide Möglichkeiten als Erklärung angenommen.[1] Eine andere Bedeutung ergibt sich mit der Herleitung des Beinamens aus der semitischen Wurzel MLK (hebräisch מלך, Moloch), die ‚König sein‘ oder ‚herrschen‘ bedeutet.

Weihrelief an Zeus Meilichios aus Piräus. Inschrift: [Κριτο]βόλη Διὶ Μειλιχίῳ [Krito]boule an Zeus Meilichios

Zeus Meilichios

Überreste des Zeus-Meilichios-Tempels im Heiligtum der Demeter Malophoros in Selinunt
Relief des Zeus Meilichios in Gestalt einer Schlange aus Eteonos in Böotien

Zeus Meilichios steht sowohl wegen seiner Ikonographie als auch wegen seines Kultes beispielhaft dafür, wie die „Kombination von Gott und Epitheton eine quasi-autonome Identität annehmen konnte“.[2] Sein Kult ist durch hunderte Belege in nahezu der ganzen griechischen Welt bezeugt. In Weihungen wird sein Name manchmal auf Meilichios verkürzt oder er wird wie in Lebadeia Daimon Meilichios genannt,[3] auf einer Votivgabe aus Thespeia ist er sogar mit der weiblichen Form Meiliche verbunden.[4]

Sein Kult ist durch zwei Besonderheiten gekennzeichnet: Zum einen sind ihm geweihte Tempel äußerst selten, zu den wenigen Beispielen zählen sein Tempel im Heiligtum der Demeter Malophoros in Selinunt oder ein Tempel des Iuppiter Meilichios in Pompeji, zum anderen sind keine ihm geweihten Feste bekannt, mit Ausnahme der attischen Diasia, die ihrerseits eine Besonderheit unter den griechischen Festen darstellt. Obwohl sich Teilnehmer aus ganz Attika zu dem Fest einfanden, wurde es nicht von der Polis Athen finanziert und auch nicht von den Festteilnehmern gemeinsam gefeiert. Vielmehr wurde es von vielen kleinen Gruppen zur gleichen Zeit am gleichen Ort unabhängig voneinander begangen.[5] An verschiedenen Orten Griechenlands wurden Weihegaben gefunden, die inschriftlich an einen Zeus Meilichios einer Familie oder gar an einen Zeus Meilichios einer Einzelperson gerichtet sind, sodass davon ausgegangen wird, dass er von Familien oder familienähnlichen Gemeinschaften verehrt wurde, die je ihren eigenen Zeus Meilichios verehrten.[6] Seine Opfer bestanden aus Brandopfern,[7] Gaben ohne Libation, die für die griechische Kultpraxis untypisch waren,[8] und möglicherweise fleischlosen Gaben.[9]

Nach Pausanias[10] und Plutarch[11] erscheint er mit der Reinigung verbunden, insbesondere der von Blutschuld, Xenophon nennt ihn den Bringer des Wohlstands.[7]

Auf Weihereliefs wird Meilichios oft als riesige Schlange dargestellt. Auf Darstellungen, die ihn in menschlicher Form zeigen, trägt er als Zeichen des Wohlstands häufig ein Füllhorn. Inschriftlich wird er gelegentlich mit Unterweltsgottheiten wie den Eumeniden,[12] der Enodia[13] oder den Tritopatores[14] in Beziehung gebracht, ohne jedoch selbst als Totengott zu gelten.

Theoi Meilichioi

Als Theoi Meilichioi (θεοὶ μειλίχιοι) wird eine Gruppe anonymer Gottheiten benannt, deren Kult im westlichen Lokris[15] und in Theben in Thessalien[16] nachweisbar ist. Phlegon von Tralleis erwähnt sie in seinen Olympiades als Orakelgottheiten.[17] Die einzige überlieferte Information zu ihrem Kult ist, dass das Opfer für die lokrischen Theoi Meilichioi in der Nacht stattfand und vor Anbruch des Tages beendet sein musste.

Weitere Gottheiten

Neben Zeus und den Theoi Meilichioi ist die Verwendung des Epithetons für den Kult folgender Gottheiten bezeugt:

In der antiken Literatur erscheinen zudem Leto, Hypnos, die Musen, Tyche und Aphrodite mit dem Beinamen Meilichios bzw. Meilichia. Über die Kultformen der einzelnen Götter ist nichts bekannt.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Cornutus 11; Plutarch, de superstitione 4,166d
  2. Robert Parker: Meilichios, Meilichioi Theoi. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 7, Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01477-0, Sp. 1159–1160.
  3. Charles Janoray: Nouvelles inscriptions de Lébadée. In: Bulletin de correspondance hellénique. Band 64-65, 1940–1941, S. 36–59; Inschriften S. 49, Inv. 12 und 17; Archaiologikon Deltion. 3, 1917, S. 422, n. 2,2.
  4. Inscriptiones Graecae VII 1814
  5. Robert Parker: Athenian religion. A history. Clarendon Press, 1997, ISBN 0-19-815240-X, S. 78, Anmerkung 41.
  6. Laurent Dubois: Inscriptions grecques dialectales de Sicile. Librairie Droz, 2008, ISBN 978-2-600-01340-6, S. 55–60.
  7. Xenophon, Anabasis 7,8,1–6
  8. Franciszek Sokolowski: Lois sacrées des cités grecques. De Boccard, 1962, 18 A 37-43.
  9. Thukydides 1,126,6
  10. Pausanias 2,20,1
  11. Plutarch, Theseus 12,1
  12. Supplementum Epigraphicum Graecum 9,327 (Kyrenaika); 20,723 (Kyrene)
  13. Inscriptiones Graecae1084
  14. Supplementum Epigraphicum Graecum 43,630 (Selinunt).
  15. Pausanias 10,38,8
  16. Inscriptiones Graecae IX 2,1329
  17. Phlegon von Tralleis 1190,26 (= Die Fragmente der griechischen Historiker (FGrHist) 257 F 37)
  18. Athenaios 78c (= FGrHist 499 F 4)
  19. Inscriptiones Graecae IV² 1,282
  20. Supplementum Epigraphicum Graecum 38,997
  21. Inscriptiones Creticae III 3,14
  22. Inscriptiones Graecae XII 3,199
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