Mehri
Mehri ist eine semitische Sprache. Es gehört mit dem Dschibbali und dem Soqotri zur Gruppe der neusüdarabischen Sprachen, bei deren Erschließung noch heute erheblicher Arbeitsbedarf in der Semitistik herrscht.
Mehri | ||
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Gesprochen in |
Jemen, Kuwait, Oman | |
Sprecher | ca. 135000 | |
Linguistische Klassifikation |
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Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
– | |
ISO 639-2 |
sem | |
ISO 639-3 |
gdq |
Mehri wurde schon im vorislamischen Südarabien gesprochen. Nach der Islamisierung konnte sich keine autochthone Schrifttradition ausbilden. Bis heute ist es eine schriftlose Sprache.
Verteilung
Das Mehri wird in Jemen und in Oman gesprochen, sowie im Südosten Saudi-Arabiens, wo etwa 20.000 Sprecher leben.[1] Es zerfällt in drei Dialekte:
1. den Dialekt des omanischen Hochlandes,
2. die beduinischen Dialekte im Jemen,
3. die Dialekte der Küstenorte im Jemen.
Mehri wird auch von vielen in Kuwait beschäftigten Arbeitskräften aus dem Süden der Arabischen Halbinsel gesprochen.
Geschichte der Erforschung
Erste Sprachkenntnisse kamen durch Reisende, u. a. Heinrich von Maltzan (1873) und Wilhelm Hein (1901–1902), nach Europa, umfangreichere Sprachproben erbrachte eine Wiener Südarabien-Expedition der Jahre 1898/99, deren Materialien in den Jahren 1900–1920 publiziert und grammatisch ausgewertet wurden.
Ein Mehri-Wörterbuch ging aus den Forschungen von Thomas M. Johnstone hervor. Eine seit Anfang der 80er Jahre in Jemen tätige französische mission linguistique hat in vielen Einzeluntersuchungen wesentlich zum besseren Verständnis der neusüdarabischen Sprachen beigetragen, bislang aber keine größeren Textsammlungen vorgelegt.
Grammatik
Die grammatischen Angaben beziehen sich auf den Dialekt des östlichen Jemen (Mahriyōt, nach Watson 2012), der geographisch und sprachlich eine zentrale Stellung einnimmt.
Konsonanten
Das Mehri besitzt eine relativ große Anzahl von, teilweise ungewöhnlichen, Konsonanten:
Labiale | Dentale | Alveolare | Laterale | Palatale | Velare | Pharyngale | Glottale | |
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stimmlose Plosive | t | k | ʔ | |||||
stimmhafte Plosive | b | d | ǧ | (g) | ||||
glottalisierte Plosive | ṭ | ḳ | ||||||
stimmlose Frikative | f | θ | s | ɬ | š | x | ḥ | h |
stimmhafte Frikative | ð | z | γ | ʕ | ||||
glottalisierte Frikative | θ̣ | ṣ | ɬ̣ | ṣ̌ | ||||
Nasale | m | n | ||||||
Sonoranten und Glides | w | r | l | y |
Die lateralen Frikative werden für das Ursemitische rekonstruiert, aber nur im Mehri und den anderen neusüdarabischen Sprachen sind sie bis zum heutigen Tag erhalten.
Der glottalisierte laterale Spirant (ɬ̣) kann auch stimmhaft statt glottalisiert gesprochen werden.
Das in Oman gesprochene Mehri hat gewöhnlich g, wo das jemenitische Mehri ǧ hat. In Jemen kommt g nur marginal in Fremdwörtern vor.
Vokale
Es sind drei Kurzvokale zu unterscheiden: a, i, u, wobei Kontraste zwischen i und u selten und in manchen Dialekten nicht vorhanden sind. Dazu gibt es fünf Langvokale: ā, ē, ī, ō, ū.
Die Vokale a und ā tendieren zu einer vordervokalischen Aussprache (Richtung ε bzw. ε̄).
Die Langvokale stehen normalerweise nur in offenen Silben, am Wortende auch in einfach geschlossenen Silben. Wenn im Rahmen der Flexion die Silbenstruktur verändert wird, werden Langvokale daher vielfach gekürzt. Besonders wichtig ist, dass ō bei Kürzung zu a wird. Daher heißt es beispielsweise ɬōx „groß (mask.sg.)“, aber ɬaxt „groß (fem.sg.)“ (Endung -t führt zur Vokalkürzung).
Wortakzent
Der Wortakzent ist weitgehend vorhersagbar. Wenn die letzte Silbe entweder einen Langvokal oder einen Diphthong enthält oder doppelt geschlossen (aber nicht einfach geschlossen) ist, wird sie betont. Ansonsten wird die am weitesten rechts gelegene Silbe, die entweder einen Langvokal oder Diphthong enthält oder geschlossen ist, betont. Es bestehen allerdings einige Ausnahmen von dieser Regel.
Personalpronomen
Die Personalpronomina des Mehri treffen mehr Unterscheidungen als im Deutschen: Es gibt einen Genusunterschied in der 2. und 3. Pers. Singular und Plural, und für den Bezug auf zwei Personen verwendet man spezielle Dualformen:
selbständig | Possessivsuffixe | |
---|---|---|
1. sg. „ich“ | hōh | -ī |
2. sg. mask. „du“ | hēt | -(a)k |
2. sg. fem. „du“ | hīt | -(a)š |
3. sg. mask. „er“ | hēh | -(a)h |
3. sg. fem. „sie“ | sēh | -(a)s |
1. du. „wir beide“ | kīh | -kī |
2. du. „ihr beide“ | tīh | -kī |
3. du. „sie beide“ | hīh | -hī |
1. pl. „wir“ | nḥah | -(a)n |
2. pl. mask. „ihr“ | tām | -kam |
2. pl. fem. „ihr“ | tān | -kan |
3. pl. mask. „sie“ | hām | -ham |
3. pl. fem. „sie“ | sān | -san |
Substantiv: Geschlecht
Das Substantiv hat zwei grammatische Geschlechter: Maskulinum und Femininum. Die meisten Feminina enden auf -t. Wenn von einem Stamm sowohl eine maskuline wie eine feminine Ableitung möglich sind, wird bei Anhängen der Femininendung auch der Wortstamm mehr oder weniger verändert:
- γaǧǧān „Junge“ – γaǧǧanōt „Mädchen“
- ḥayr „Esel“ – ḥīrīt „Eselin“
Nicht gering ist aber auch die Zahl von Feminina ohne t-Endung. Folgende Substantive werden z. B. als Femininum behandelt:
- ʕayn „Auge“
- tēθ „Frau“
- haytam „Himmel“
- lē „Kuh“
- farahayn „Pferd“
- ḥyōm „Sonne“
- nhōr „Tag“
Plural
Der Plural wird typischerweise durch inneren Ablaut gebildet und ist generell sehr unregelmäßig. Einige Pluralformen zeigen ein Präfix ḥa-, wobei es sich um einen ursprünglichen bestimmten Artikel handelt, der heute nicht mehr abtrennbar ist:
- sanbūḳ „Boot“ – snōbaḳ „Boote“
- tēθ „Frau“ – ḥaynāθ „Frauen“
- bayt „Haus“ – byōt „Häuser“
- kōb „Hund“ – ḥaklēb „Hunde“
- lē „Kuh“ – lhaytan „Kühe“
- γayǧ „Mann“ – γyūǧ „Männer“
- ʕarḳayb „Maus“ – ʕarḳōb „Mäuse“
- bnādam „Mensch“ – ḥabū „Menschen; Leute“
- bōb „Tür“ – ḥabwēbat „Türen“
Ähnlich wie im Arabischen gibt es auch im Mehri einige Begriffe, die primär kollektive Bedeutung haben und von denen mittels einer Femininableitung ein Singulativ gebildet werden kann:
- dīǧar „Bohnen (kollektiv)“ – daǧrīt „(einzelne) Bohne“
Dual
Das Mehri bildet von Substantiven auch einen Dual mittels der Endung -ī, der zusammen mit dem Zahlwort für „zwei“ steht. Dieses lautet θrōh (mask.) / θrayt (fem.). Es ist normalerweise nicht üblich, die Dualendung alleine ohne das Zahlwort zu verwenden:
- γayǧ „Mann“ – γayǧī θrōh „zwei Männer“
- tēθ „Frau“ – tēθī θrayt „zwei Frauen“
Bestimmter Artikel
Das Mehri besaß ursprünglich einen bestimmten Artikel, der sich jedoch im Abbau befindet. In den östlichen Dialekten (Oman) ist der Artikel am besten erhalten. Er besteht entweder in einem Präfix a- (z. B. bayt „Haus“, a-bayt „das Haus“) oder in einem Präfix ḥ- (z. B. brīt „Tochter“, ḥa-brīt „die Tochter“). Aber auch schon in Oman können viele Substantive nicht mit dem Artikel verbunden werden.
In den weiter westlich gelegenen Dialakten, u. a. dem Mahriyōt, wird der Artikel überhaupt nicht mehr gebraucht (bayt „ein Haus; das Haus“).
Adjektiv
Adjektive werden nach Genus und Numerus flektiert und kongruieren mit ihrem Bezugswort. In den Dialekten, die einen bestimmten Artikel kennen, muss ein Adjektiv, das zu einem Substantiv mit bestimmten Artikel tritt, ebenfalls einen bestimmten Artikel haben (wie im Arabischen).
Die Flexion der Adjektive ist ziemlich unregelmäßig. Die Form des fem.sg. endet auf -t. Der Plural zeigt gegenüber dem Singular normalerweise Ablaut; der fem.pl. endet meist auf -tan. Einige Adjektive sind aber auch unveränderlich (siehe „kalt“ und „warm“ in der Tabelle). Beispiele:
mask.sg. | fem.sg. | mask.pl. | fem.pl. | |
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„groß“ | ɬōx | ɬaxt | ɬīyāx | ɬīyaxtan |
„kalt“ | ɬ̣ābal | ɬ̣ābal | ɬ̣ābal | ɬ̣ābal |
„krank“ | mrīɬ̣ | mrīɬ̣at | marwōɬ̣ | marwaɬ̣tan |
„neu“ | ḥaydān | ḥaydīnat | ḥaydōn | ḥaydantan |
„warm“ | ǧōnī | ǧōnī | ǧōnī | ǧōnī |
„weiß“ | lbōn | labnīt | lēban | lēban |
Gelegentlich werden Komparative mit a-Präfix verwendet, die den Komparativen des Arabischen ähneln und vermutlich hieraus entlehnt sind. Die üblichste derartige Form ist axayr „besser“. Man kann Vergleichssätze aber auch problemlos mit der einfachen Form des Adjektivs bilden:
laftīn ɬōx man nūmīl
schwarze-Ameise groß von rote-Ameise
„die schwarze Ameise ist größer als (wörtlich:“groß von„) die rote Ameise“
Attributive Adjektive stehen hinter ihrem Bezugswort:
- bayt ǧōnī „ein warmes Zimmer“
Da Adjektive keinen Dual bilden, stehen sie nach dualischen Substantiven im Plural (Reihenfolge: Substantiv – „zwei“ – Adjektiv).
Verb: Personalformen
Das Verb wird im Perfekt mit Suffixen, im Imperfekt mit Prä- und Suffixen konjugiert (ähnlich wie in anderen semitischen Sprachen, u. a. dem Arabischen). Durch das Vorhandensein von Dualformen und einer weitgehenden Genusunterscheidung in den 2. und 3. Personen sind die Formen ziemlich zahlreich. Hier exemplarisch die Konjugation des Verbs für „schreiben“:
Perfekt | Imperfekt | |
---|---|---|
1.sg. | katabk | akōtab |
2.sg.mask. | katabk | takōtab |
2.sg.fem. | katabš | takītab |
3.sg.mask. | katōb | yakōtab |
3.sg.fem. | katabōt | takōtab |
1.du. | katabkī | (n)akatbōh |
2.du. | katabkī | takatbōh |
3.du.mask. | katabōh | yakatbōh |
3.du.fem. | katabtōh | yakatbōh |
1.pl. | katōban | nakōtab |
2.pl.mask. | katabkam | takatbam |
2.pl.fem. | katabkan | takatban |
3.pl.mask. | katōbam | yakatbam |
3.pl.fem. | katōb | takatban |
Bemerkenswert ist der Vokalablaut in der 2. Pers. sg. fem. des Imperfekts. In bestimmten anderen Stammtypen tritt hier eine Endung -ī an.
Grundstamm
Im sogenannten Grundstamm ist das häufigste Vokalisationsmuster CaCōC (wie bei katōb „er schrieb“). Daneben kommen aber auch andere Vokalisationsmuster vor wie CīCaC (z. B. lības „er kleidete sich“, besonders bei intransitiven Verben), CCāC (z. B. ɬ̣ ḥāk „er lachte“, besonders bei Verben mit Guttural als 2. Konsonanten), CūCaC (z. B. nūkaʕ „er kam“, besonders bei Verben mit Guttural als 3. Konsonanten), CuCC (z. B. futḥ „er öffnete“, bei einigen Verben, die sowohl einen Guttural als auch f enthalten) oder CCūh ~ CCuh (z. B. bkūh ~ bkuh „er weinte“).
Bei Stämmen mit Langvokal in der ersten Silbe erhalten die Personalendungen der 1./2. Pers. des Perfekts ein -a- und der Stammvokal wird gekürzt: nūkaʕ „er kam“ – nukʕak „ich kam“.
Abgeleitete Stämme
Ähnlich wie im Arabischen lassen sich von vielen Verben abgeleitete Stämme bilden. So drückt der h-Stamm ein Kausativum aus: Zum Verb ɬīnī „er sah“ bildet man den h-Stamm haɬnūh „er zeigte“ (Imperfekt yahaɬnūh).
Literatur
- Aaron Rubin: The Mehri language of Oman. Leiden 2010
- Janet C.E. Watson: The Structure of Mehri. Wiesbaden 2012
- Ewald Wagner: Syntax der Mehri-Sprache: unter Berücksichtigung auch der anderen neusüdarabischen Sprachen. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Institut für Orientforschung, Veröffentlichung 13. Akademie-Verlag, Berlin 1953.
- Thomas M. Johnstone: Mehri lexicon and English-Mehri word-list: with index of the English definitions in the Jibbāli lexicon. School of Oriental and African Studies, London 1987, ISBN 0-7286-0137-0.
- Aaron Rubin: The Mehri Language of Oman. Brill, Leiden 2010.
- Harry Stroomer: Mehri texts from Oman: based on the field materials of T. M. Johnstone. Harrassowitz, Wiesbaden 1999, ISBN 3-447-04215-X.
- Alexander Sima: „Die Stellung der Mehri-Sprache in der Provinz Mahra: Ein Situations- und Reisebericht“. In: Jemen-Report, 33/2, 2002, S. 25–29, ISSN 0930-1488.
Weblinks
Einzelnachweise
- Mehri language spoken by 20 thousands people in Saudi Arabia. Asharq Al-Awsat, 18 Dez. 2010