Mehlmeisel

Mehlmeisel ist eine Gemeinde im Landkreis Bayreuth, Regierungsbezirk Oberfranken. Der gleichnamige Hauptort ist Sitz der Gemeindeverwaltung und ein staatlich anerkannter Erholungsort.

Wappen Deutschlandkarte
Mehlmeisel
Deutschlandkarte, Position der Gemeinde Mehlmeisel hervorgehoben
Basisdaten
Koordinaten: 49° 59′ N, 11° 51′ O
Bundesland:Bayern
Regierungsbezirk: Oberfranken
Landkreis: Bayreuth
Höhe: 621 m ü. NHN
Fläche: 13,23 km2
Einwohner: 1326 (31. Dez. 2022)[1]
Bevölkerungsdichte: 100 Einwohner je km2
Postleitzahl: 95694
Vorwahl: 09272
Kfz-Kennzeichen: BT, EBS, ESB, KEM, MÜB, PEG
Gemeindeschlüssel: 09 4 72 164
Gemeindegliederung: 10 Gemeindeteile
Adresse der
Gemeindeverwaltung:
Rathausplatz
95694 Mehlmeisel
Website: www.mehlmeisel.de
Erster Bürgermeister: Franz Tauber[2] (Freie Wählergemeinschaft Mehlmeisel)
Lage der Gemeinde Mehlmeisel im Landkreis Bayreuth
Karte
Karte
Blick vom Klausenberg (Bayreuther Haus) Richtung Nordost auf Mehlmeisel (2013)

Geografie

Geografische Lage

Die Streusiedlung Mehlmeisel liegt im Naturpark Fichtelgebirge am Oberlauf der Fichtelnaab in einem Talkessel südöstlich des Ochsenkopfs.

Gemeindegliederung

Es gibt 10 Gemeindeteile (in Klammern ist der Siedlungstyp angegeben):[3][4]

  • Erllohe (Dorf)
  • Fischlohe (Einöde)
  • Hüttstadl (Einöde)
  • Klausenhäusl (Einöde)
  • Mehlmeisel (Pfarrdorf)
  • Mitterlind (Dorf)
  • Neugrün (Dorf)
  • Oberlind (Weiler)
  • Richardsfeld (Dorf)
  • Unterlind (Kirchdorf)

Es gibt die Gemarkungen Mehlmeisel und Neugrün.

Nachbargemeinden

Angrenzende Gemeinden und Gemeindefreie Gebiete sind:

Fichtelberg Gemeindefreies Gebiet Fichtelberg
Gemeindefreies Gebiet Fichtelberg Kompassrose, die auf Nachbargemeinden zeigt Nagel
(Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge)
Brand
(Landkreis Tirschenreuth/Oberpfalz)

Geschichte

Mittelalter

Der Ort wurde am Sonntag Invocavit 1283 erstmals urkundlich erwähnt, in einer zu Regensburg ausgestellten Verkaufsurkunde[5], die die Übertragung von Leuchtenbergischen Ländereien um Waldeck an Herzog Ludwig den Strengen dokumentierte:

„silvam welmvzels dimidiam, ad quam pertinent sex ville“

Übersetzung: Der Wald des Welmysl, zu welchem sechs Villen gehören.

Der geheimnisvolle slawische Lokator „Welmysl“ oder „Velemysl“ ist historisch ansonsten nicht fassbar. Im Salbuch Herzog Ludwigs um das Jahr 1285[6] nimmt die Gegend der sechs Villen eine Sonderstellung ein, denn sie war frei von Abgaben und besaß alte Rechte, die wohl Jahrhunderte zurück reichten:

„Item silva welmvzels dimidia ad quam pertinent sex ville et alia multa jura tam in apibus quam in aliis accidentiis“

Übersetzung: Der Wald des Welmysl zur Hälfte, zu dem sechs Villen gehören und vielerlei Rechte, sowohl hinsichtlich Bienen als auch anderer Angelegenheiten.

Die alten Rechte verweisen vermutlich auf Bergbau, Wasser- und Waldnutzung. Auch alter Kirchenzehnt scheint wahrscheinlich, da eine Pfarrei „Welmawsels“ schon 1385 belegt werden kann.[7] Honiggewinnung durch Bienenbeuten (Zeidlerei) bleibt über Jahrhunderte bedeutsam, wie eine Urkunde des Zeidlers Künzel Mülner aus dem Jahr 1435 belegt: Sein Vater, Ott Müller selig vom Melmewssels, habe die Zeidelweide auf dem Oberen Forst 80 Jahre innegehabt.[8]

Während der spätmittelalterlichen Wüstungsperiode verließen die dort siedelnden Familien die klimatisch ungünstige Lage des Fichtelgebirgsortes Mehlmeisel. Bereits 1311 war von „neun Öden“ die Rede,[9] 1422 wurden die Lokalitäten Oberlind, Rapotenreuth und Birk als Öden genannt,[10] im weiteren Verlauf auch die „vier Öden“ Mehlmeisel, Niederlind, Grün und Mähring.[11] 1438 bezeichnete ein Regensburger Pfarr-Register den Ort „Welmausel“ als Wüstung, in dem noch ein Priester in der örtlichen Kirche wirkte, jedoch keine Abgaben entrichtete.[12]

„Welmausel, item plebanus ibidem, devastata est“

Die lokale Heimatforschung spekulierte über einen Überfall von Hussiten oder Plünderungen durch Markgrafen, was sich jedoch bei näherer Betrachtung als reine Erfindung aus der Zeit des 19. Jahrhunderts erwies.[13]

Neuzeit

Eine planmäßige Wiederbesiedlung des Raumes Mehlmeisel fand ab dem Jahr 1468 im Auftrag des Pfalzgrafen Philipp des Aufrichtigen statt. Hintergrund war die Belebung des pfälzischen Bergbaus an den Südausläufern des Fichtelgebirges. Treibende Kraft war dabei der Bergbauunternehmer und Amberger Hofkastner Jakob Parksteiner, der sich in Mehlmeisel mit seiner Familie in einem „Blochwerk“ niederließ und eine Laurentius-Kirche für sein Seelenheil erbaute. Um das Gotteshaus langfristig finanziell abzusichern, organisierte er zwei Ablassbriefe über die päpstliche Nuntiatur in Deutschland.[14] Von 1478 bis 1539 gehörte der Raum Mehlmeisel als Lehen den markgräflichen Hirschbergern zu Weißenstadt.[15] 1539 wurde das gesamte Gebiet in die Hofmark Ebnath einverleibt, unter Führung der Hirschberger zu Ebnath und Schwarzenreuth.[16] Erst im Jahr 1808 erfolgte im Zuge der napoleonischen Reformen unter dem Minister Montgelas die Gründung der Steuergemeinde Mehlmeisel.[17]

Nach dem Dreißigjährigen Krieg arbeiteten auf Mehmeisler Gebiet entlang der Fichtelnaab etliche Eisenhämmer, wie der Hammer Unterlind oder der Hammer Oberlind, die von kurbayerischen Beamten merkantilistisch geführt wurden, bis sich der Staat im Jahr 1865 aus der Führung zurückzog und mit einer Versteigerung den Weg zur Privatisierung in der Gründerzeit frei machte.[18]

Der Ortskern von Mehlmeisel, das heißt, die Gehöfte rund um die alte Dorfkirche (heutige Kriegergedächtniskapelle), wurde am 30. Juni 1849 von einer verheerenden Brandkatastrophe heimgesucht.[19]

Die reichliche Wasserkraft der Fichtelgebirgsflüsse wie Fichtelnaab und Schnaitbach blieb bis weit in das 20. Jahrhundert prägend für die Ortsentwicklung durch Ansiedlung von Armaturschleiferei, Pfannenhämmern, Spiegelglasschleiferei, Holzwollfabrik, Glasperlfabrik, Ziegelhütte, Bierbrauerei. Es erfolgte ab 1890 der Anschluss an das Eisenbahnnetz. Der letzte Zug fuhr im Jahr 1984. Anschließend wurde die Eisenbahnstrecke zurückgebaut und die Trasse wird seither als Fahrradweg genutzt.

Bis zur Gemeindegebietsreform 1972 gehörte Mehlmeisel zum aufgelösten Landkreis Kemnath und damit zur Oberpfalz. 1971 hatten sich die Einwohner mehrheitlich für den Verbleib im Regierungsbezirk Oberpfalz ausgesprochen, was jedoch nicht berücksichtigt wurde.[20] Von 1978 bis 1993 bestand zwischen den Gemeinden Fichtelberg und Mehlmeisel eine Verwaltungsgemeinschaft (VG). Diese wurde nach langjährigen Verhandlungen im Oktober 1993 durch einen Landtagsbeschluss beendet. Seit dem 1. Januar 1994 ist Mehlmeisel wieder eine Gemeinde.

Einwohnerentwicklung

Im Zeitraum von 1988 bis 2018 sank die Einwohnerzahl von 1435 auf 1312 um 123 bzw. um 8,6 %. Ein Höchststand wurde am 31. Dezember 1997 mit 1476 Einwohnern erreicht.

Jahr Bevölkerung
1910 1262[21]
1933 1349[22]
1939 1361[22]
1961 1618
1970 1615
1987 1461
1991 1424
1995 1445
2000 1447
2005 1391
2010 1353
2015 1321
2016 1335

Politik

Bürgermeister

Zum Ersten Bürgermeister wurde 2014 mit 64,6 % der Stimmen Franz Tauber (Freie Wählergemeinschaft Mehlmeisel) gewählt. Sein Vorgänger war Günter Pöllmann (CSU).

Gemeinderat

Die letzten Kommunalwahlen führten zu den folgenden Sitzverteilungen im Gemeinderat:

Parteien und Wählergruppen 2008 2014 2020[23]
CSU 6 6 6
Freie Wählergemeinschaft Mehlmeisel 6 6 6
Summe 12 12 12

Wappen

Wappen Gde. Mehlmeisel
Wappen Gde. Mehlmeisel
Blasonierung: „Über goldenem Schildfuß, darin ein beblätterter grüner Weißdornzweig mit roten Früchten, gespalten von Silber und Grün; vorne ein grüner Nadelbaum über zwei schräg gekreuzten schwarzen Hacken, hinten ein wachsender silberner Hirsch.“[24]

Religion

Mehlmeisel ist eine überwiegend katholisch geprägte Gemeinde und gehört zum Bistum Regensburg und zum Dekanat Tirschenreuth-Wunsiedel.[25]

Organisationen

  • Bergwacht Mehlmeisel
  • Katholischer Burschenverein Unterlind

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Baudenkmäler

  • Barocke Wallfahrtskapelle Maria Loreto
    Neoromanische katholische Pfarrkirche St. Johannes Baptist in Mehlmeisel, erbaut 1906/07, erweitert 1951/52
  • Barocke Wallfahrtskapelle Maria Loreto (Hammerkirchl) im Ortsteil Unterlind, erbaut 1686
  • Kriegergedächtniskapelle mit Granit-Kirchturm (Standort der alten Dorfkirche)

Bodendenkmäler

Freizeit

  • Geführte Wanderungen
  • Mountainbiking
  • Naherholungszentrum Bayreuther Haus mit Klausenturm, Waldinformationszentrum im Waldhaus Mehlmeisel und Trimm-Dich-Pfad
  • Nordic Walking
  • Wildpark Waldhaus Mehlmeisel mit Wildgehegen für Reh-, Rot- und Schwarzwild, Fuchs, Dachs etc.; seit April 2014 Freigehege für Luchse; Streichelzoo. Dieser war Außenstelle der Landesgartenschau Bayreuth 2016.

Sport

  • Klausenlift (Alpine FIS-Skianlage)
  • Langlaufloipen des Nordic Parc Fichtelgebirge
  • TSV Mehlmeisel (Fußball)
  • SG 1904 Mehlmeisel (Sportschießen)

Literatur

Commons: Mehlmeisel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikivoyage: Mehlmeisel – Reiseführer

Einzelnachweise

  1. Genesis Online-Datenbank des Bayerischen Landesamtes für Statistik Tabelle 12411-003r Fortschreibung des Bevölkerungsstandes: Gemeinden, Stichtag (Einwohnerzahlen auf Grundlage des Zensus 2011) (Hilfe dazu).
  2. Gemeinderat. Gemeinde Mehlmeisel, abgerufen am 23. September 2020.
  3. Mehlmeisel in der Ortsdatenbank des bavarikon, abgerufen am 3. Mai 2023.
  4. Gemeinde Mehlmeisel, Liste der amtlichen Gemeindeteile/Ortsteile im BayernPortal des Bayerischen Staatsministerium für Digitales, abgerufen am 30. November 2021.
  5. Bayer. HStA München Abt. I, Kurbaiern Urkunde 13492
  6. Bayer. HStA München, StaatsVerw. 1069, fol. 67–69
  7. Bischöfl. ZA Regensburg. BDK, VR 1385, fol. 13'-14. Siehe auch Schriftenreihe zur Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel, Band 5, Seite 85ff, herausgegeben von der Pfarrei Mehlmeisel 2020
  8. Bayer. HStA München, Oberpfalz Urkunden 2033, geschrieben am Sonntag Reminiscere 1435
  9. Bayer. HStA München, Landgrafschaft Leuchtenberg Urkunde 3, geschrieben an Sant Johans Tag als er enthaubt wart 1311: „... daz Dorf ze Welmuezels halbez und di newen Oede, die darzu gehorent“
  10. StA Amberg, Lehenbuch 164, Fasz. Nr. 164, geschrieben „uff Palm Abend anno 1422“,
  11. StA Amberg, Amt Waldeck-Kemnath, Akt 60, Seite 67–68: „Die Vier Öden sind die Öde zu Nyderlindt, die Öde Gruen, die Öde zu Maring und die Öde zu Welmeußel“ (Waldeckisches Protokoll vom 20. Juni 1514)
  12. Bayer. HStA München, Hochstift Regensburg, Kanzlei Nr. 49, fol 30'-31. Siehe auch Schriftenreihe zur Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel, Band 5, Seite 101ff, herausgegeben von der Pfarrei Mehlmeisel 2020
  13. Eine gründliche Recherche zu diesem Thema befindet sich in: Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel, Band 5, Seite 99ff, im Abschnitt Die Erfindung eines Hussitenüberfalls, verfasst von Josef Wiche 2020
  14. Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel, Band 5, Seite 109ff
  15. Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel, Band 5, Seite 134ff
  16. Hirschberg Schriften 3, Dr. Bernd Thieser: "Die Hofmark Ebnath im 16. Jahrhundert", Seite 186, herausgegeben 2022 vom Historischen Verein für Oberpfalz und Regensburg, Regionalgruppe Otnant
  17. Für Details: StA Amberg, Häuser- und Rustikalkataster Kemnath Nr. 79
  18. Siehe Schriftenreihe zur Geschichte der Gemeinde Mehlmeisel, Band 3, Seite 282, herausgegeben von der Gemeinde Mehlmeisel im Jahr 2007
  19. StA Amberg, Bezirksamt Kemnath Akt 571
  20. Als aus Oberpfälzern Franken wurden In: Nordbayerischer Kurier vom 27. Dezember 2021, S. 15.
  21. www.gemeindeverzeichnis.de, abgerufen am 19. April 2012
  22. Michael Rademacher: Bay_kemnath. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  23. Gemeinderat. In: Gemeinde Mehlmeisel. Abgerufen am 9. Dezember 2020 (deutsch).
  24. Eintrag zum Wappen von Mehlmeisel in der Datenbank des Hauses der Bayerischen Geschichte
  25. Regionen und Regionaldekane | Bistum Regensburg. Abgerufen am 27. August 2023.
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