Medschlis des Krimtatarischen Volkes
Der Medschlis des Krimtatarischen Volkes (krimtatarisch Qırımtatar Milliy Meclisi, ukrainisch Меджлі́с Кримськотатарського Народу, russisch Меджлис крымскотатарского народа) ist die zentrale Exekutivkörperschaft des Kurultai der Krimtataren. Von 1991 bis 2013 war Mustafa Dschemilew Vorsitzender des Medschlis. Im Oktober 2013 übernahm Refat Tschubarow das Amt. Seit April 2016 ist der Medschlis in der Russischen Föderation als eine „extremistische Organisation“ eingestuft und seine Tätigkeit verboten.[1]
Geschichte
1991 bis 2013
Der Medschlis wurde 1991 gegründet, um als Repräsentativkörperschaft für die Krimtataren zu agieren, die Klagen an die Zentralregierung und internationale Körperschaften richten kann.[2]
Am 30. Juni 1991 erklärte der Medschlis seine Souveränität über die Krimtataren und nahm die krimtatarische Nationalhymne und Nationalflagge an.[3] Gleichzeitig wählten die Krimtataren 14 krimtatarische Abgeordnete zum Obersten Rat der Krim. Diese 14 Abgeordneten waren die ersten krimtatarischen Vertreter im Parlament der Krim seit über 50 Jahren.[3]
Am 6. April 2010 verlangten mehrere prorussische politische Führer in der Krim die Auflösung und den Verbot des Medschlis und aller anderen Formen der politischen Vertretung für die Krimtataren (einschließlich des Kurultai) – mit der Begründung, dass „organisierte kriminelle Gruppen und ihre Aktivitäten verfassungswidrig sind“.[4] Krimtatarische Organisationen baten Präsident Wiktor Janukowytsch darum, „das indigene Volk der Krim vor Diskriminierung zu schützen“.[5]
Während der Parlamentswahl in der Ukraine 2012 traten Mitglieder des Medschlis der Wahlliste „Vaterland“ bei.[6]
Seit der russischen Annexion der Krim 2014
Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland verboten bereits einen Monat danach die Behörden am 19. April 2014 Mustafa Dschemilews, einem der wichtigsten Vertreter der Krimtataren für fünf Jahre die Einreise in seine Heimat.[7] Am 5. Mai drohte die neue Generalstaatsanwältin der Krim Natalja Poklonskaja als Reaktion auf Demonstrationen gegen das Einreiseverbot den Medschlis aufzulösen.[8]
Am 4. Juli 2014 hielt der Medschlis das erste Mal seit seiner Gründung eine Versammlung außerhalb der Krim in der Stadt Henitschesk ab.[9] Einen Tag später, am 5. Juli, wurde gegen den amtierenden Vorsitzenden des Medschlis Tschubarow ein fünfjähriges Einreiseverbot verhängt.[10] Am 9. August wurde gegen Ismet Yuksel, den Leiter der Nachrichtenagentur Crimean News Agency (QHA) und Berater des Medschlis, die gleiche Strafe verhängt.[7][11]
Führende Vertreter des Medschlis initiierten ab 2015 eine Lebensmittel- und Stromblockade der Krim vom ukrainischen Festland aus. Die deklarierte Lastwagenblockade wurde gemäß Kommentaren diskreditiert durch Mitglieder von Freiwilligeneinheiten oder des Rechten Sektor, als diese in Einzelfällen stattdessen auch private Reisende kontrollierten.[12][13][14] Die gesprengten Stromleitungsmasten, die die Energieversorgung der Halbinsel gewährleisteten, waren mit krimtatarischen Fahnen versehen. Im April 2016 stufte das Oberste Gericht der Krim den Medschlis als „extremistische Organisation“ ein und verbot seine Tätigkeit.
Der stellvertretende Vorsitzende des Medschlis, Achtjom Tschijgos, wurde im September 2017 zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt. Die Begründung des Gerichts lautete, er sei an der Organisation von Massenunruhen am 26. Februar 2014 beteiligt gewesen.[15][16] Ein weiteres führendes Mitglied der Organisation, der ehemalige Bürgermeister von Bachtschyssaraj Ilmi Umerow, wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.[17]
Am 4. September 2021 wurde mit Nariman Dscheljal „der letzte Anführer der Minderheit der Krimtataren, der nach der Annexion der Krim durch Russland noch auf der Halbinsel lebt“, nach einer Razzia verschleppt.[18]
Siehe auch
- ATR, krimtatarischer Fernsehsender
Weblinks
- Offizielle Seite des Medschlis des Krimtatarischen Volkes
- Zentrum für die Information und Dokumentation der Krimtataren (ukrainisch, russisch)
- Regions and territories: Crimea (BBC News)
- Systematische Ausschaltung und Diskriminierung des krimtatarischen Medschlis: Chronologie der Verfolgung (GfbV, 29. Oktober 2015)
Einzelnachweise
- Mejilis of Crimean Tatars banned as extremist organization, TASS, 26. April 2016
- Waleed Ziad, Laryssa Chomiak: A lesson in stifling violent extremism. In: CS Monitor. 20. Februar 2007 (Online [abgerufen am 26. März 2007]).
- Mubeyyin Batu Altan: Crimean Tatar Fact Sheet: Chronology. In: Euronet Internet. Dezember 1994, archiviert vom am 4. Februar 2007; abgerufen am 26. März 2007.
- rferl.org
- rferl.org
- Mustafa Dzhemiliov is number 12 on the list of the United Opposition “Fatherland” (Memento vom 1. Oktober 2013 im Internet Archive)
- „Systematische Ausschaltung und Diskriminierung des krimtatarischen Medschlis: Chronologie der Verfolgung“, GfbV, 29. Oktober 2015. Abgerufen am 24. März 2016.
- André Eichhofer: Krimtataren auf der Flucht im eigenen Land. In: Die Welt. 6. Mai 2014.
- Меджліс у п'ятницю вперше збереться не в Криму. In: Ukrajinska Prawda. 3. Juli 2014. Abgerufen am 3. September 2014.
- Crimean Tartar leader Chubarov banned entry to Crimea. dailysabah.com, 5. Juli 2014. Abgerufen am 8. Juli 2014.
- Overcoming Russia's ban on entering Crimea for Crimean citizens of Ukraine. Democratization, Human Rights and Civil Society Development Programme in Ukraine (DHRP), 30. Januar 2015.
- Armed Right Sector & Azov fighters are discrediting Crimea blockade. In: Kyiv Post. 7. Oktober 2015.
- Chubarov announces date of blockade of border with Crimea. In: UNIAN. 16. September 2015.
- Chubarov: energy blockade to force considering Crimea’s de-occupation at intl level, UNIAN, 25. November 2015
- Russisches Gericht verurteilt Anführer der Krimtataren. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 12. September 2017.
- Andreas Rüesch: Siegerjustiz auf der von Russland beherrschten Krim. In: Neue Zürcher Zeitung online, 12. September 2017.
- Cathrin Kahlweit: Profil: Ilmi Umerov. In: Süddeutsche Zeitung. 4. September 2016.
- Moskau greift durch: Krimtataren-Anführer Dscheljal verschleppt, FAZ online, 5. September 2021, abgerufen am 6. September 2021.