Marysia Ajzensztat

Marysia Ajzensztat (in Chroniken auch als Maria o. Miriam Ajzensztat) (* 1923; † Juli 1942 in Warschau) war eine der populärsten jüdischen Sängerinnen im Warschauer Ghetto.

Leben

Ajzensztat war Tochter von Dawid Ajzensztat, Leiter einer Warschauer Synagoge und Leiter der Warschauer Synagogen-Chöre. Sie spielte bereits in jungen Jahren Piano, bevor sie im Ghetto als Sängerin auftrat und dort als die „Nachtigall des Ghettos“ verehrt wurde. Sie sang in den geheimen Kulturveranstaltungen neben jüdischen und hebräischen Volksliedern auch klassische Musik, unter anderem Werke von Gluck, Brahms und Schumann.

Ajzensztat wurde im Juli 1942 von der SS erschossen, als sie sich nicht von ihrem Vater trennen wollte, der von den deutschen Besatzern zum Warschauer Umschlagplatz gebracht wurde, um ins Vernichtungslager Treblinka deportiert zu werden.

Augenzeugenberichte

Letzten Sonntag waren wir auf dem morgendlichen Konzert von Miriam Eisensztadt in dem "Femina". Marysia ist neunzehn Jahre alt, hat braunes Haar, ist mittelgroß und nicht besonders hübsch, hat aber eine außergewöhnliche Stimme; sie nennen sie „die Nachtigall des Ghettos“. Sie ist die Tochter des ehemaligen Leiters des Synagogenchores am Tlomackiem – jetzt dirigiert ihr Vater das Orchester des Ghettos. Marysia, obwohl sie erst vor ein paar Wochen angefangen hat aufzutreten, ist bereits sehr populär. Bei ihrem ersten Konzert, bei dem wir mit Romek anwesend waren, war der riesige Saal der „Femina“ voll. Sie sang ein paar französische Lieder von Béranger und das „Halleluja“ von Mozart. Mit Vergnügen beobachteten wir sie, wie sie in der Mitte der Bühne stand, neben ihrem Vater, der das zwanzig Mann starke Orchester dirigierte. Der Saal zitterte von enthusiastischen „Bravos“, und Marysia musste einige Zugaben geben. Nach dem Konzert, bekam sie drei oder vier Blumensträuße. Wahrscheinlich hat man sie von der „arischen“ Seite rübergeschmuggelt, denn in dem Blumenladen am Leszno gibt es weder Rosen noch Lilien. (Janine Bauman: Winter in the morning)

Marcel Reich-Ranicki wiederholt in seiner Autobiographie Mein Leben eine von ihm während seiner Ghetto-Gefangenschaft unter dem Pseudonym Wiktor Hart geschriebene Kritik über Ajzensztat: Ihr Gesang zeugt von höchster Kunst, von Maß und Einfachheit, sie hat es in kürzester Zeit zu wahrer Meisterschaft gebracht.

Reich-Ranicki schilderte Marysia Ajzensztat wie folgt: Die erfolgreichste, die populärste Figur des Musiklebens im Ghetto war eine ganz junge schwarzhaarige Frau mit mädchenhafter Anmut, eine Sopranistin … Die schöne und reizvolle Sängerin debütierte mit Arien von Gluck und Mozart, mit Liedern von Schumann und Brahms … Das Publikum in dem täglich überfüllten Café war begeistert.

Ihren Tod, den er in seiner Biographie unmittelbar vor der Schilderung des Todes seiner Eltern beschrieb, stellte er wie folgt dar: Sie geriet auf den „Umschlagplatz“, ein Jude [...] wollte und konnte sie retten. Aber ihre Eltern waren schon im Waggon – und sie wollte sich nicht von ihnen trennen. Sie versuchte, sich von dem [jüdischen] Milizionär, der sie festhielt, loszureißen. Ein SS-Mann beobachtete die Szene und erschoß sie. Andere berichteten, sie sei [...] in den Waggon nach Treblinka gedrängt und dort vergast worden. (Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben)

Literatur

  • Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben. DVA 1999, ISBN 3-423-13056-3.
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