Martin Sichert

Martin Johannes Sichert (* 10. Juni 1980 in Nürnberg) ist ein deutscher rechtspopulistischer Politiker (AfD).

Martin Sichert, 2018

Er ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages und war von 2017 bis 2019 bayerischer Landesvorsitzender der AfD.[1][2][3] Sichert ist gesundheitspolitischer Koordinator der AfD.[4]

Werdegang

Martin Sichert besuchte von 1986 bis 1990 die Grundschule Schwarzenbruck und von 1990 bis 1999 das Willibald-Gluck-Gymnasium in Neumarkt, welches er mit dem Abitur verließ. Es schloss sich von 1999 bis 2006 ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg an, das er als Diplom-Kaufmann abschloss. Er arbeitete über sieben Jahre in Regensburg.

Von 2001 bis 2004 war er Mitglied der Jungen Liberalen, wo er 2004 in einer Kampfkandidatur um den Landesvorsitz dem späteren bayerischen FDP-Landes- und Fraktionsvorsitzenden, Martin Hagen, unterlag.[5] 2008 war er Mitglied der SPD[6] und von 2009 bis 2012 Mitglied in der FDP.[7]

Unter dem ehemaligen AfD-Parteichef Bernd Lucke lief gegen Sichert ein Parteiausschlussverfahren wegen Rechtsextremismus-Verdachts. Sichert soll nach Aussagen von Lucke unter anderem behauptet haben, im Zweiten Weltkrieg hätten die „zwei größten Massenmörder“ gesiegt, und gefordert haben, einen Sexualtäter zur Frau umzuoperieren und nackt nach Marokko zurückzuschicken.[8][9][10]

Martin Sichert ist Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Nürnberg/Schwabach und war 2017 Direktkandidat im Bundestagswahlkreis Nürnberg-Nord.[11]

Er war vom 25. November 2017 bis 14. September 2019 Landesvorsitzender der AfD Bayern.[12]

Martin Sichert ist Mitglied des Vereins Mensa in Deutschland.[13]

Sichert ist mit der Jesidin Ronai Chaker verheiratet und hat zwei Kinder.[14][15] Das Paar lebt getrennt.[16]

Abgeordneter

Im 19. Deutschen Bundestag war Sichert ordentliches Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales und gehört als stellvertretendes Mitglied dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie an.[17] Er wurde bei der Bundestagswahl 2021 wiedergewählt.[18]

Politische Positionen

Martin Sichert, 2019 im Deutschen Bundestag

Nach der Bundestagswahl 2017 charakterisierten Journalisten der Wochenzeitung Die Zeit Sichert innerhalb der AfD als „nationalkonservativ“ und befanden, er habe sich im Interview mit einer Lokalzeitung „als eine Art AfD-Robin-Hood“ präsentiert. Dort habe er gesagt, er wolle eine Stimme sein für „den Obdachlosen unter der Brücke, die Rentner, die Pfandflaschen sammeln müssen“, sowie für die Frauen „gerade aus Parallelgesellschaften, die nicht frei sind in der Wahl ihres Ehepartners“.[11] Den politischen Gegner SPD nannte er „Scharia-Partei Deutschlands“.[8]

Zweiter Weltkrieg

Den Wehrmachtsgeneral Erwin Rommel nannte er im Internet eine „der ehrenhaftesten Gestalten des Zweiten Weltkriegs“.[19] Nach einer ver.di-Publikation verharmloste Sichert im Jahr 2012 auf seiner Facebookseite mehrfach die deutschen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg.[20]

COVID-19

Im Oktober 2020 äußerte Sichert im Bundestag, bald gebe „es keinerlei Unterschied mehr zwischen einer epidemischen Notlage nationaler Tragweite und Hitlers Ermächtigungsgesetz von 1933“.[21]

Im November 2021 behauptete Sichert im Bundestag wahrheitswidrig, seit Februar seien mehr Jugendliche an der COVID-19-Impfung als an der Krankheit selbst gestorben. Das Robert Koch-Institut (RKI), das die COVID-19-Todesfälle gestaffelt nach Altersgruppen und Kalenderwochen aufführt, gibt aus Datenschutzgründen die Werte 1, 2 und 3 in einer Kalenderwoche als „<4“ (kleiner/weniger als 4) an. Bei Annahme des kleinsten möglichen Werts 1 kommt man daher bis Ende Oktober 2021 in der Gruppe der 10- bis 19-jährigen auf mindestens 12 Todesfälle aufgrund COVID-19. Laut dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), an das mögliche Nebenwirkungen nach COVID-19-Impfungen gemeldet werden, gab es bis Ende September 2021 fünf Verdachtsmeldungen zu einem tödlichen Ausgang bei Jugendlichen. In keinem dieser Fälle schätzte das PEI einen ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung als möglich oder wahrscheinlich ein, so bestand bei einem nach der zweiten Impfung verstorbenen Jugendlichen laut PEI eine besonders schwere impfunabhängige Vorerkrankung des Herzens. Nach RKI-Angaben waren zum November 2021 zwei Millionen Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren vollständig geimpft.[22]

Im Dezember 2022 präsentierte Sichert Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die seiner Lesart nach einen sehr deutlichen Anstieg von plötzlichen Todesfällen infolge der COVID-19-Impfung ab Anfang 2021 belegen sollten. Daraufhin forderte die AfD die Aussetzung der Corona-Impfung. Experten der Kassenärztlichen Vereinigungen wiesen darauf hin, dass die Abrechnungsdaten von 2012 bis 2022 keinerlei Auffälligkeiten hinsichtlich der von der AfD genannten Todesarten erkennen ließen, und machten deutlich, dass die von Sichert präsentierten Zahlen überhaupt nicht geeignet seien, Aussagen über die Zunahme plötzlicher Todesfälle zu machen.[23] Da Sichert Daten von Menschen angefordert habe, die 2021 einen Arzt aufgesucht haben, könnten die Daten überhaupt keine Menschen enthalten, die vor dem Jahr 2021 verstorben seien.[24]

Islam

Für Sichert ist nach eigener Angabe „das Thema Scharia und das des radikalen Islam das, das mich in die Politik gebracht hat“.[25] Radikale Muslime seien viel gewalttätiger als Radikale aller anderen Religionen und für weltweit über 90 % aller Terroranschäge verantwortlich.[25] Dies brachte er mit Eigenschaften des Propheten Mohammed in Verbindung, indem er fragte, ob dies daran liege, „dass der Prophet Mohammed selber Kriegsverbrecher war“.[25] Nach Ausschreitungen während der vorangegangenen Silvesternacht schrieb Sichert am 4. Januar 2023 auf Twitter, dass die Bundesregierung „Millionen Kulturfremde und Kulturfeindliche ohne Perspektive und Fähigkeiten ins Land“ hole und so zu mehr Rechtsextremismus im Land beitrage.[26] Anlässlich der Abstimmung im Bundestag über die Anerkennung des Völkermordes an den Jesiden durch den Islamischen Staat kündigte Sichert die Zustimmung der AfD-Fraktion an. Die Entscheidung sei „höchste Zeit“. Man müsse zudem verhindern, dass über das Asylrecht auch die „Verfolger“ der Jesiden nach Deutschland kämen.[27]

Weitere Kontroversen

Im September 2022 sagte Sichert im Bundestag, dass „ukrainische Nobelkarossen vor deutschen Zahnarztpraxen“ stünden und „Ukrainer sich auf Kosten der deutschen Beitragszahler die Zähne richten“ ließen, während „viele Deutsche“ nicht mehr wüssten, „wie sie angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten selbst ihre Grundnahrungsmittel finanzieren“ sollten. Daraufhin schrieb Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf Twitter von einer „abstoßenden Rede“ Sicherts; genau so hätten „Nazis hier im Haus über Juden gesprochen“. Sichert teilte anschließend mit, er habe Lauterbach wegen Verharmlosung des Holocaust angezeigt.[28]

Einzelnachweise

  1. Martin Sichert neuer Landeschef der AfD: Kampfabstimmung. In: DIE WELT. 25. November 2017 (welt.de [abgerufen am 26. November 2017]).
  2. Martin Sichert (AfD) „Wir haben unser Ziel erreicht“. Bayerischer Rundfunk
  3. Turbulenter AfD-Parteitag: Sichert muss Miazga weichen. 14. September 2019, abgerufen am 14. September 2019.
  4. Rebecca Beerheide: Martin Sichert. Gesundheitspolitischer Koordinator der AfD. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 119, Heft 10, 11. März 2022, S. B 369.
  5. Ehemalige Landesvorstände – JuLis Bayern. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. Februar 2018; abgerufen am 7. Februar 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/wiki.julis-bayern.de
  6. Deutscher Bundestag: Biographie Martin Sichert beim Deutschen Bundestag. Abgerufen am 14. Oktober 2018.
  7. Rebecca Beerheide: Martin Sichert. Gesundheitspolitischer Koordinator der AfD. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 119, Heft 10, 11. März 2022, S. B 369.
  8. Sie ziehen in den Bundestag ein: Die künftigen bayerischen AfD-Abgeordneten. In: abendzeitung-muenchen.de. Abgerufen am 14. November 2017.
  9. AfD Lucke will Rechtsaußen rauswerfen, Der Spiegel 19. Oktober 2014
  10. Lucke macht Druck: Nürnberger AfD-Chef vor dem Aus, Nordbayern.de 22. Oktober 2014
  11. Kai Biermann, Astrid Geisler, Christina Holzinger, Paul Middelhoff, Karsten Polke-Majewski: AfD-Fraktion: Rechts bis extrem im Bundestag. In: Die Zeit. 26. September 2017, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 3. Oktober 2017]).
  12. dpa-infocom GmbH: Martin Sichert nach Kampfabstimmung neuer Landeschef der AfD Bayern. In: welt.de. Abgerufen am 25. November 2017.
  13. Deutscher Bundestag - Martin Sichert. Abgerufen am 20. März 2022.
  14. Johann Osel: AfD Bayern - Gegen CSU, Islam und Flüchtlinge. Abgerufen am 23. Januar 2023.
  15. Alexander Spöri: Politik spaltet Liebe: Partnerin will Bayerns Ex-AfD-Chef Martin Sichert verlassen, in: Abendzeitung, 5. Februar 2024
  16. https://www.bundestag.de/abgeordnete/biografien/S/sichert_martin-858038 abgerufen am 8. Februar 2024
  17. Deutscher Bundestag - Abgeordnete. Abgerufen am 28. Dezember 2020.
  18. Gewählte in Landeslisten der Parteien in Bayern - Der Bundeswahlleiter. Abgerufen am 4. November 2021.
  19. Wolfgang Wittl: Andre Wächter ist neuer AfD-Vorsitzender. Abgerufen am 27. November 2021.
  20. Ulli Schneeweiß: Will die AfD wirklich diesen Kandidaten? ver.di Bezirk Mittelfranken, 24. Januar 2014, abgerufen am 27. November 2021.
  21. Debatte über Coronaprovokateure: Die große AfD-Opfershow. In: TAZ, 20. November 2020. Abgerufen am 17. Dezember 2022.
  22. Mehr Impftote als Corona-Opfer? AfD-Politiker verbreitet falsche Zahlen im Bundestag www.rnd.de, 18. November 2021
  23. "Einfach nur schäbig". In: Tagesschau.de, 16. Dezember 2022. Abgerufen am 16. Dezember 2022.
  24. Faktencheck: Angebliche Todesfolge der Corona-Impfungen ist konstruiert . In: Badische Zeitung, 15. Dezember 2022. Abgerufen am 16. Dezember 2022.
  25. Vortragsabend mit Prof. Dr. Tilman Nagel! - AfD-Fraktion im Bundestag. Abgerufen am 18. Oktober 2023.
  26. Thomas Steinreutner: Ungeschickter Tweet von Martin Sichert (AfD) sorgt für Diskussionen. In: Info-DIREKT. 4. Januar 2023, abgerufen am 23. März 2024.
  27. Verbrechen gegen Jesiden als Völkermord anerkannt. In: Stuttgarter Zeitung. 19. Januar 2023, abgerufen am 23. März 2024.
  28. Lauterbach verteidigt Krankenkassen-Pläne – und kassiert eine Anzeige von einem AfD-Abgeordneten www.rnd.de, 23. September 2022
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