Martin Rendel
Martin Rendel (* 1968 in Limburg an der Lahn) ist ein deutscher Kulturmanager und Hochschulprofessor. Zentrales Thema seines Schaffens ist Innovation durch interkulturelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Leben
Rendel absolvierte ein Studium des Industriedesign an der Hochschule Darmstadt und Kommunikationsdesign am Art Center College of Design im schweizerischen La Tour-de-Peilz. Während des Studiums arbeitete er in den Designstudios von Aldo Cibic (Mailand), Matteo Thun (Mailand) und Dieter Sieger (Schloss Harkotten). Seine Abschlussarbeit, ein Abort, fand breites Medieninteresse, nachdem der damalige AP-Fotograf Karsten Thielker 1992 während eines privaten Aufenthalts in Darmstadt auf das Projekt aufmerksam geworden war und die Fotos über die Associated Press verbreiten ließ. Roger Willemsen lud daraufhin Rendel in die Talkshow 0137[1] ein, während die Süddeutsche Zeitung die Arbeit als „Kulturrevolution“[2] feierte. Das Objekt ist seit 2021 unter dem Namen "Latrina Obliqua" Bestandteil der ständigen Sammlung im Museum of Toilet History in Kiew (Ukraine). Im Februar 2024 erzählte Rendel unter dem Titel "The Incredible Story of My Mother's Cleaning Bucket" die Geschichte von Latrina Obliqua auf der TEDxChiangMai[3] Konferenz erstmals in der Öffentlichkeit.
Als Preisträger eines internationalen Designwettbewerbes wurde Rendel nach dem Studium im Rahmen eines Stipendiums von Moulinex nach Frankreich eingeladen, was zur Begegnung mit der Architektin Isabelle Galzin führte. Beide eröffneten ein Studio für Gestaltung und Kommunikation, erst in Hamburg (1994) und dann in Paris (1996). Es kam zur Zusammenarbeit mit Federico Restrepo und Auftraggebern wie Yves Saint Laurent, Gucci Parfum, Fred Joaillier und anderen.
Parallel dazu war Rendel von 1996 bis 1999 in einem Kunstprojekt auf Schienen, das von dem italienischen Bildhauer Gianpaolo d'Andrea Moravecchia und der Amsterdamer Künstlervereinigung Stichting de Blinde Schilders initiiert war und einen Zug als rollende Ausstellung durch Europa (Dänemark, Griechenland, Jugoslawien, Ungarn, Österreich, Polen und Niederlande) reisen ließ, als Art Director involviert. Das Projekt war zunächst unter dem Namen „De Valigia“ bekannt und wurde später in „EuropArTrain“ geändert.
1998 gründete Rendel zusammen mit dem Kommunikationsberater René Spitz die Werbeagentur rendel & spitz, die 2006 in eine Beratungsgesellschaft für strategische Markenführung überging. In den Jahren 2001 bis 2006 bot das Bürogebäude (Architekten: b&k+ / Arno Brandlhuber, Bernd Kniess), das schmalste Haus Kölns am Eigelstein 115, im Erdgeschoss Raum für Installationen während der Kölner Möbelmesse Imm cologne im Rahmen des sogenannten Passagen-Programms. Daran beteiligten sich u. a. die Designer und Architekten Konstantin Grcic (München), Johanna Grawunder (Los Angeles), Timo Salli (Helsinki), Ross Lovegrove (London), Greg Lynn (Los Angeles), Tokujin Yoshioka (Tokio), Andrea Branzi (Mailand), Ronan & Erwan Bouroullec (Paris) und Stefan Ytterborn (Stockholm). Die Pinakothek der Moderne in München hat die Raumskulptur Greg Lynns aus der Installation 2002 in ihre permanente Sammlung aufgenommen.
Gemeinsam mit Spitz war er von 2008 bis 2014 als Kurator verantwortlich für Ausstellungen u. a. im Haus der Gegenwart (München), Neues Museum Nürnberg, Museum für Angewandte Kunst Köln, Dortmunder U, Museum am Rothenbaum (Hamburg) und Today Art Museum (Peking). Es folgten Ausstellungen in eigener Regie in Shanghai, Tianjin, Tianshui, Chiang Mai und Bangkok.
2015 gründete Rendel zusammen mit der chinesischen Künstlerin Li Xue in Düsseldorf den Kunstverein K29, der sich für die Meinungsfreiheit in der Kunst einsetzte. Persönliche Differenzen in der Gründungsphase führten zur Neugründung unter dem Namen K26. Eines der ersten großen Projekte von K26 war im selben Jahr die Aufführung des Beijing Independent Film Festival (BIFF) während des Filmfest Hamburg, das der Leiter Albert Wiederspiel als Festival im Festival ermöglichte.[4] Das Projekt fand namhafte Unterstützer wie Alexander Kluge und Ai Weiwei. Allerdings sorgte es für diplomatische Spannungen zwischen Deutschland und China. Der chinesische Festivalleiter Li Xianting und sein Team mussten ausgeladen und die Kooperation mit sofortiger Wirkung beendet werden. Das Festival fand dennoch statt und die Preisträger des K26 Film Award[5] konnten bei der Eröffnungsfeier[6] in Hamburg ihre Preise entgegennehmen. Seither fokussieren sich die Aktivitäten von K26 auf künstlerische Fotografie.[7][8]
Ende 2018 kam es zur Zusammenarbeit mit Deutschland – Land der Ideen. Im Rahmen des internationalen Wettbewerbs Beyond Bauhaus – Prototyping the Future initiierte Rendel eine Kooperation mit dem Beijing Institute of Technology Zhuhai, das den Wettbewerb in der Volksrepublik co-organisierte. Es folgten eine Gastprofessur und die Ernennung zum Ehrenprofessor (Prof. h.c. P.R. of China)[9] ebenda. Die Geschäftsführerin von Deutschland – Land der Ideen, Ute E. Weiland, ernannte Rendel zum Botschafter der Initiative in China.
Neben Zhuhai ist Rendel seit 2019 auch Gastprofessor am King Mongkut’s Institute of Technology Lat Krabang[10] in Bangkok. Gastvorlesungen und -dozenturen führten ihn an mehrere Universitäten in Deutschland, China und Thailand.
Ausstellungen u. Festivals (Auswahl)
- 2001 Mut zur Lücke, Eigelstein 115, Köln, kuratiert gemeinsam mit René Spitz
- 2002 Das Weite suchen, Eigelstein 115, Köln, kuratiert gemeinsam mit René Spitz
- 2003 Blühende Lücke, Eigelstein 115, Köln, kuratiert gemeinsam mit René Spitz
- 2004 Nicht identifiziert, Eigelstein 115, Köln, kuratiert gemeinsam mit René Spitz[11]
- 2006 Liebes Tagebuch, Eigelstein 115, Köln, kuratiert gemeinsam mit René Spitz
- 2008 In Deutschen Reihenhäusern, Museum für Angewandte Kunst Köln, kuratiert gemeinsam mit René Spitz[12]
- 2010 Nachbarschaft, Neues Museum Nürnberg, kuratiert gemeinsam mit René Spitz[13]
- 2011 Reihenhausmannskost, Museum für Angewandte Kunst Köln Köln (MAKK), kuratiert gemeinsam mit René Spitz[14][15]
- 2013 Invisible Things, Today Art Museum, Peking, kuratiert gemeinsam mit Wu Xuefu und René Spitz[16][17]
- 2014 August Sander & Jiang Jian, Photo Shanghai, kuratiert gemeinsam mit Julian Sander und Catherine Cheng[18]
- 2014 Purple.Blue. – A tribute to Kong Qian No. 6 Zone Museum of Art, Tianjin, kuratiert gemeinsam mit Catherine Cheng
- 2014 Jiang Jian – Archives PhotoBookMuseum, Köln, kuratiert gemeinsam mit Markus Schaden und Catherine Cheng
- 2014 Unsichtbare Dinge Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt, Hamburg, kuratiert gemeinsam mit Wu Xuefu und René Spitz[19]
- 2015 Chinese Independent Cinema, EthnoFilmFest München, kuratiert gemeinsam mit Stefan Eisenhofer[20]
- 2015 Beijing Independent Film Festival, Filmfest Hamburg, kuratiert gemeinsam mit Jens Geiger
- 2015 Jiang Jian, Galerie Julian Sander, kuratiert gemeinsam mit Julian Sander und Catherine Cheng[21]
- 2017 Parabiosis, Changjiang Museum of Contemporary Art, Chongqing[22]
- 2018 Invisible Things, TCDC Museum, Chiang Mai, kuratiert gemeinsam mit Philip Cornwel-Smith und Piboon Amornjiraporn[23]
- 2018 The Second Image of Silk Road, Tianshui Photography Biennale[24][25]
- 2019 Invisible Things TCDC Museum, Bangkok, kuratiert gemeinsam mit Philip Cornwel-Smith und Piboon Amornjiraporn[26][27]
- 2021 TinyBE – living in a sculpture, Frankfurt/Wiesbaden/Darmstadt, als Co-Organisator und Berater, initiiert und kuratiert von Cornelia Saalfrank
Auszeichnungen (Auswahl)
- core design award, Stockholm 2001
- iF Design Award, Hannover 2002
- Red Dot Design Award: best of the best Communication Design, Essen 2001
- Red Dot Design Award Communication Design, Essen 2001 und 2002
- DDC award, Frankfurt am Main 2001
- Berliner Type, Berlin 2001
Veröffentlichungen (Auswahl)
Hg. mit Studierenden des Fachbereichs Medien an der RFH Köln:
- 2020 Corona – 12 Beiträge zum positiven Umgang mit der Krise
Hg. mit K26 Sino-German Art Association im Verlag Kettler:
- 2016 Archives on Orphans, Fotografien von Jiang Jian, ISBN 978-3-86206-500-4
- 2015 Negatives ,[28] Fotografien von Xu Yong, ISBN 978-3-86206-529-5
Hg. mit Daniel Arnold und René Spitz im Verlag Callwey, München:
- 2013 Wir bauen Deutschland, ISBN 978-3868591811
- 2011 Reihenhausmannskost, ISBN 978-3766718938
- 2010 Ein Schloss in der Stadt, ISBN 978-3766718730
- 2009 Nachbarschaft, ISBN 978-3766718174
- 2008 In deutschen Reihenhäusern ,[29] ISBN 978-3766717900
Hg. mit René Spitz im Verlag Axel Menges, Stuttgart / London:
- 2006 Liebes Tagebuch, ISBN 3-936681-09-0
- 2005 Die Lücke lassen, ISBN 3-932565-51-7
- 2004 Nicht identifiziert, ISBN 3-932565-40-1
- 2003 Blühende Lücke, ISBN 3-932565-22-3
- 2002 Das Weite suchen, ISBN 3-932565-28-2
- 2001 Mut zur Lücke, ISBN 3-932565-22-3
Hg. mit De Blinde Schilders Stiftung, Amsterdam:
- 1999 De Valigia in Austria
- 1998 De Valigia in Hungary
- 1997 De Valigia in Yugoslavia
- 1996 De Valigia in Greece
- 1996 De Valigia in Denmark
Weblinks
[30]Einzelnachweise
- Sendung vom 20. Februar 1993.
- Ausgabe vom 6. Februar 1993.
- The Incredible Story of My Mother's Cleaning Bucket | Martin Rendel | TEDxChiangMai. Abgerufen am 6. April 2024 (deutsch).
- Moritz Piehler: "Verbotene Bilder". In: Spiegel online. Abgerufen am 30. September 2015.
- K26 Filmpreis für unabhängigen Film.
- Martin Kunze: This Worldly Life & K26 Film Award. In: Filmfest Hamburg. Abgerufen am 2. Oktober 2015.
- Heide Häusler: Portfolio Review. Internationale Photoszene Köln, abgerufen am 21. September 2018.
- Interview vom 5. Januar 2016, WDR 3 Resonanzen, Redakteur: Sascha Ziehn.
- Beyond Bauhaus – Prototyping the Future. In: Beijing Institute of Technology Zhuhai. College of Art and Design, abgerufen am 5. März 2019 (chinesisch).
- Beyond Bauhaus – Prototyping the Future. KMITL, abgerufen am 7. Oktober 2019 (thailändisch).
- Barbara Schlei: "Design bestimmt das Sein". Abgerufen am 29. Januar 2004.
- In deutschen Reihenhäusern. In: Vimeo. Abgerufen im Jahr 2012.
- Nachbarschaft. In: Vimeo. Abgerufen im Jahr 2012.
- Reihenhausmannskost. MAKK - Museum of Applied Arts Cologne, abgerufen am 16. September 2011.
- Reihenhausmannskost. In: Vimeo. Abgerufen im Jahr 2012.
- Wang Ran: "Invisible Things": China und Deutschland anhand alltäglicher Dinge kennenlernen. In: German.China.org. Abgerufen am 5. Juli 2013.
- Invisible Things im Today Art Museum Peking, 2013
- Photo Shanghai 2014
- Stefanie Thiedig: "Die unsichtbaren Dinge kommen nach Hamburg". Kulturgut, abgerufen am 5. Mai 2014.
- EthnoFilmFest München 2015. In: Ludwig-Maximilians-Universität München. Ethnologisches Institut, abgerufen am 20. November 2015.
- Jiang Jian - Archives on Orphans. In: Galerie Julian Sander. Abgerufen am 22. August 2015.
- Parabiosis International Contemporary Art Exhibition. Changjiang Art Museum, abgerufen am 22. Oktober 2016.
- Invisible Things at TCDC. In: City Life Magazine. City Life Group, Chiang Mai, abgerufen am 24. November 2018 (englisch).
- Su Yuezhuo: "The 2nd Image of Silk Road - Tianshui Photography Biennial ". In: Photoint. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 22. November 2019; abgerufen am 21. Juni 2018 (englisch). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Tianshui Internationale Fotografie Biennale, 2018
- Melanin Mahavongtrakul: "The sacred and the mundane". Bangkok Post, abgerufen am 17. Juli 2019 (englisch).
- "Unsichtbare Dinge" kommt nach Bangkok. In: Goethe-Institut Thailand. Abgerufen am 3. Juni 2019.
- Mark Siemons: "Schwarzer Himmel über dem Tiananmen". In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Abgerufen am 13. Mai 2016.
- Silke Lahmann-Lammert: In deutschen Reihenhäusern. NDR, abgerufen am 26. Juni 2011.
- The Incredible Story of My Mother's Cleaning Bucket | Martin Rendel | TEDxChiangMai. Abgerufen am 6. April 2024 (deutsch).