Chemin de fer Martigny–Orsières

Die Chemin de fer Martigny–Orsières (MO) war eine Bahngesellschaft im Kanton Wallis in der Schweiz. Sie fusionierte 2000 mit der Chemin de fer Martigny-Châtelard (MC) zu den Transports de Martigny et Régions (TMR), welche die gut 19 km lange MO-Strecke von Martigny über Sembrancher nach Orsières im Val d’Entremont und die 6 km lange Stichstrecke von Sembrancher nach Le Châble im Val de Bagnes betreiben.

Chemin de fer Martigny–Orsières
Triebwagen ABDe 4/4 6 in Martigny
Triebwagen ABDe 4/4 6 in Martigny
Streckennummer (BAV):133 (Martigny–Sembrancher–Orsières)
134 (Sembrancher–Le Châble)
Fahrplanfeld:133
Streckenlänge:25,44 km
Spurweite:1435 mm (Normalspur)
Stromsystem:bis 1949: 8 kV 15 Hz ~
seither: 15 kV 16,7 Hz ~
Maximale Neigung: 40 
Minimaler Radius:175 m
Martigny–Orsières/Le Châble
SBB-Simplonstrecke von Lausanne
TMR (ex MC) von Le Châtelard
0,00 Martigny 467,2 m ü. M.
SBB-Simplonstrecke nach Brig
Martigny-Expo bei Veranstaltung
2,90 Martigny-Bourg 483,9 m ü. M.
4,07 Martigny-Croix 503,1 m ü. M.
Remise
Tunnel № 1 (52 m)
Tunnel № 2 (81 m)
7,80 Bovernier 613,8 m ü. M.
Tunnel Monnaie (128 m)
13,11 Sembrancher Keilbahnhof 716,6 m ü. M.
Tunnel № 5 (103 m)
Tunnel № 6 (117 m)
Tunnel № 7 (100 m)
Tunnel Pouta Revenne (133 m, seit 1990)
16,49 La Douay 818,3 m ü. M.
19,34 Orsières 901,7 m ü. M.
Depot und Werkstätte
Brücke Sembrancher (370 m)
1,71 Etiez 756,1 m ü. M.
Kulminationspunkt 837,5 m ü. M.
            
6,18 Le Châble 820,3 m ü. M.
Anschluss Luftseilbahnen nach Verbier und Mayens-de-Bruson

Geschichte

Gemischter Zug aus der Eröffnungszeit

1906 erhielt die MO der Konzession zum Bau einer normalspurigen Eisenbahnlinie von Martigny nach Orsières. Die Bahngesellschaft verdankte ihre Entstehung ausländischer Initiative. British Aluminium Ltd. plante in Orsières den Bau eines Aluminiumwerks. Am 23. Juli 1907 erfolgte der erste Spatenstich, am 1. September 1910 wurde der Betrieb aufgenommen. Seit Betriebsbeginn war die Bahn mit 8000 V 15 Hz Wechselstrom elektrifiziert. Weil weder das Aluminiumwerk noch die geplante Verbindung ins Aostatal zustande kamen, blieb der Verkehr bescheiden. Als eine der ersten Bahngesellschaften ergänzte die MO ihre Tätigkeit mit einem Autobusbetrieb. Die Bahn ging in das Eigentum der öffentlichen Hand über.

Triebzug NINA in der Endstation Le Châble.

Am 4. März 1949 erfolgte die Umstellung auf das SBB-Stromsystem 15'000 V 16  Hz. Damit konnten auch Triebfahrzeuge der SBB auf der MO eingesetzt werden. Am 5. August 1953 wurde die Stichstrecke von Sembrancher nach Le Châble eröffnet. Sie diente dem Bau des Mauvoisin-Kraftwerks. Die Zementzüge wurden von Lokomotiven der SBB befördert.

Ursprünglich dominierte der Güterverkehr den Betrieb auf der MO. Seit den 1970er-Jahren sorgt der aufkommende Tourismus für vermehrten Personenverkehr.

Am 1. September 1984 stiessen zwei Züge bei Martigny-Bourg mit den ABDe 4/4 6 und 8 frontal zusammen.[1] Der Zugführer gab dem Richtung Orsières fahrenden Zug trotz geschlossenem Ausfahrsignal den Abfahrbefehl. Der Triebfahrzeugführer und fünf Passagiere waren auf der Stelle tot, 24 Personen wurden verletzt.[2] Die beiden Triebwagen konnten wieder aufgebaut werden. Der zerstörte Steuerwagen Bt 31 wurde durch ein gleiches Fahrzeug des Régional du Val-de-Travers (RVT) ersetzt.[3]

Am 1. Januar 2000 fusionierte die MO mit der Chemin de fer Martigny-Châtelard zur Transports de Martigny et Régions (TMR).

Rollmaterial

Zur Betriebsaufnahme beschaffte die MO zwei Personentriebwagen BCFe 4/4 1–2 und zwei Gepäcktriebwagen CFe 4/4 11–12 mit Klappsitzen zur Personenbeförderung. Alle vier Fahrzeuge besassen die gleiche elektrische Ausrüstung mit Déri-Repulsionsmotoren. 1949 mit der Umstellung des Stromsystems wurden die Triebwagen grundlegend umgebaut. Aus den beiden Gepäcktriebwagen entstanden die Personentriebwagen BCFe 4/4 3–4.

1955 konnte der Triebwagenpark mit dem ABDe 4/4 5 ergänzt werden. 1962 bis 1965 fand eine umfassende Erneuerung des Fahrzeugparks statt. Die MO beschaffte drei EAV-Triebwagen ABDe 4/4 6–8, drei zugehörige Steuerwagen Bt 31–33 und zwei Einheitspersonenwagen. 1983 wurde ein vierter, baugleicher Triebwagen vom Régional du Val-de-Travers (RVT) übernommen und als ABDe 4/4 9 in den Triebfahrzeugpark eingereiht. Die EAV-Triebwagen erhielten später die Bezeichnung ABDe 537 506–509.

Seit 2002 sind auf den Strecken der MO die bereits durch das Nachfolgeunternehmen TMR beschafften NINA-Triebwagen RABe 527 511–513 im Einsatz.

Baureihe Hersteller Baujahr Herkunft Stückzahl Ausrangiert Bemerkungen
Serie Nummern total heute
Triebwagen
BCFe 4/4 1–2 SWS/BBC 1910/1949 2 0 1966–1967 an RVT und CJ verkauft
BCFe 4/4 3–4 SWS/BBC 1910/1949 2 0 1982–1990 ex CFe 4/4 11–12; Nr. 4 an CJ abgegeben
ABDe 4/4 5 ACMV/BBC 1955 1 0 2002 an Bahnmuseum Kallnach verkauft
ABDe 4/4 6–8 SIG/SWS
SAAS/BBC/MFO
1965 3 2 EAV-Triebwagen
9 1965 RVT (1983) (Üb)001 1 2014 (Defekt) EAV-Triebwagen; ex RVT 103
RABe 527 511–513 BT/Alstom 2002–2003 3 0 2009 Nina; an RA verkauft
514 BLS (2012) (Üb)001 0 2012 Nina; direkt an RA weiterverkauft
Steuerwagen
Bt 31 SWP 1965 3 0 1984 EAV (EW I); Unfall
32–33 2014 EAV (EW I); an DSF übergeben
Bt 31II 1964 RVT (1985) (Üb)001 0 2014 ex RVT 201; an DSF übergeben
Personenwagen
BCF 21–22 SWS 1910 2 0 1965–1966
B 41 1962 2 0 2000 EW I; an TPF verkauft
42 1963 2005 EW I; an CSG verkauft
Traktoren
Tm 11 SLM/? 1928 Sersa (1953) (Üb)001 0 1990 ex SBB Em 2/2 101, PTT 2; 1994 abgebrochen
Tm 12 SBB (1965) (Üb)001 0 1982 ex SBB Tm 531; an Privaten verkauft
Tm 237 554 RACO/? 1995 STAG (2005) (Üb)001 1 Prototyp «Ameise», Werkslok Winpro
Tm 234-4 355 Windhoff 2023 1 1
Üb = Übernahme aus fremden Bestand (Gebrauchtfahrzeug); Um = Umbau aus eigenem Bestand

Betrieb

Die Züge auf der MO-Strecke werden als Saint-Bernard Express vermarktet. NINA bei Sembrancher.

Der stündlich verkehrende „Saint-Bernard Express“ benötigt 26 Minuten für die Fahrt von Martigny nach Le Châble, von wo aus man mit dem Postauto oder der Luftseilbahn den Ferienort Verbier erreichen kann.

In Sembrancher vermittelt eine zweite Komposition schlanke Anschlüsse nach Orsières. Von dort führen Buslinien der TMR weiter nach Champex-Lac, ins Val Ferret oder auf den Grossen Sankt Bernhard.

Literatur

  • Hans G. Wägli: Schienennetz Schweiz, Réseau ferré suisse. 3. nachgeführte und überarbeitete Auflage. AS-Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-909111-74-9.
  • Peter Willen: Lokomotiven der Schweiz. Normalspur Triebfahrzeuge. 2. Auflage. Band 1. Orell Füssli, Zürich 1972.

Einzelnachweise

  1. Journal de Genève, Genf: Une erreur humaine serait à l’origine de la catastrophe ferroviaire de Martigny. In: letempsarchives.ch. 3. September 1984, S. 11, archiviert vom Original am 2. Dezember 2013; abgerufen am 24. Oktober 2023 (französisch, mit Foto).
  2. Journal de Genève, Genf: Epilogue judiciare de la catastrophe du Martigny-Orsièeres. In: letempsarchives.ch. 18. Oktober 1985, S. 13, archiviert vom Original am 2. Dezember 2013; abgerufen am 24. Oktober 2023 (französisch).
  3. Verein Rollmaterialverzeichnis Schweiz (Hrsg.): Rollmaterialverzeichnis der Schweizerischen Privatbahnen.
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