Marija Walerjewna Butina
Marija Walerjewna Butina (russisch Мари́я Вале́рьевна Бу́тина; * 10. November 1988 in Barnaul, Sowjetunion) ist eine russische ehemalige Agentin, Waffenlobbyistin und Politikerin. Sie vertritt seit 2021 die Oblast Kirow in der Duma. Sie hatte als verdeckte Agentin in den USA unter anderem die National Rifle Association (NRA) infiltriert und versuchte, einen geheimen Kommunikationskanal zwischen der Trump-Regierung und Moskau einzurichten. Sie bekannte sich der Agententätigkeit für schuldig und wurde 2019 zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten verurteilt. Nach 14 Monaten in amerikanischen Gefängnissen wurde sie nach Russland abgeschoben.
Leben
Aktivistin in Russland und Studium in den USA
Marija Butina studierte im westsibirischen Barnaul Politologie. Mit 22 Jahren zog sie nach Moskau und engagierte sich als Vorsitzende des erst regionalen, dann allrussischen Verbandes Recht auf Waffen für ein Recht der Russen auf eigene Handfeuerwaffen. Obschon das Thema angesichts krimineller Polizisten auch bei Oppositionellen diskutiert wurde,[1] war Butina eine Anhängerin Putins.[2] Der russische Verband arbeitete mit der US-amerikanischen Waffenlobby National Rifle Association (NRA) zusammen.[1] Ab 2011 arbeitete sie auch als Duma-Assistentin und Dolmetscherin für Alexander Torschin, stellvertretender Vorsitzender der russischen Zentralbank und Staatssekretär.[3] Bei einem Fernsehauftritt 2013 erregte sie öffentliche Aufmerksamkeit, indem sie sich energisch für neue Waffengesetze in Russland einsetzte.
Butina besuchte ab 2014 zu mehreren Anlässen die USA[4] und begann 2016, mit einem Studenten-Visum[5] an der American University zu studieren. Sie belegte unter anderem Kurse in Cybersicherheit und schloss das teure Studium im Mai 2018 mit dem Master ab.[6] Im gleichen Jahr wurde der russische Verband Recht auf Waffen wegen Unvereinbarkeit mit russischen Gesetzen liquidiert.[1]
Im Jahr 2015 stellte Butina dem damaligen Wahlkämpfer Donald Trump bei einer Veranstaltung in Las Vegas vor laufenden Kameras eine Frage zu dessen Russlandstrategie. Trump hatte sie selbst aufgerufen.[7][8] Butina argumentierte in einem von der Fachzeitschrift The National Interest veröffentlichten Artikel, ein Wahlsieg eines republikanischen Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl 2016 könnte eine Verbesserung der russisch-amerikanischen Beziehungen bewirken.[9] Dieser wurde auch von der russischen Nachrichtenagentur RIA aufgenommen und verbreitet.[1]
Im Jahr 2017 twitterte Alexander Torschin über Marija Butina: „Du übertrumpfst Anna Chapman. Sie posiert mit Spielpistolen, du aber – mit echten.“ Torschin und Butina sind Mitglieder der NRA auf Lebenszeit.[10]
Anklage und Verurteilung als Verschwörerin und Agentin
Am 15. Juli 2018, unmittelbar vor dem Gipfeltreffen der Präsidenten Russlands und der USA, Wladimir Putin und Donald Trump, in Helsinki, wurde sie in Washington, D.C. festgenommen. Ihr wurde vorgeworfen, sie sei, ohne sich bei den US-Behörden registriert zu haben, als Agentin im Interesse des russischen Staates aktiv (18 U.S.C. § 951) und an einer Verschwörung gegen die USA[11] (18 U.S.C. § 371) beteiligt gewesen. Laut den US-Ermittlern bestand Fluchtgefahr und sie wurde in Untersuchungshaft genommen.
Butina habe eine Beziehung zu dem nahezu doppelt so alten politischen Berater der Republikanischen Partei und Repräsentant US-Waffenlobby NRA, Paul Erickson aus South Dakota, aufgebaut, mit dem sie auch zusammen lebte[12] und der mutmaßlich das Studium Butinas finanziert hatte.[10][13] Erickson wurde in der Anklageschrift als „US Person Nr. 1“ bezeichnet.[14] Im September 2018 räumte die Staatsanwaltschaft ein, dass sie Textnachrichten zwischen Butina und einem Freund falsch interpretiert hatte und der darauf basierende Vorwurf, Sex als Gegenleistung für einen Job angeboten zu haben,[5] eine falsche Anschuldigung war.[15] Die Staatsanwaltschaft forderte dennoch die Beibehaltung der Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr. Seit ihrer Festnahme sei deutlicher geworden, dass Butina eine russische Agentin sei. Dies begründete die Staatsanwaltschaft mit der Intensität der konsularischen Betreuung Butinas durch die russische Regierung und mit den Beschwerden des russischen Außenministers Sergei Lawrow bei seinem US-Amtskollegen.[15]
Neben Konferenzen der NRA besuchte sie Anlässe wie die Conservative Political Action Conference und am 31. Januar 2017 mit Torschin das alljährliche National Prayer Breakfast in Washington, D.C. Die „US Person Nr. 2“ in der Anklageschrift ist Bloomberg zufolge George D. O’Neill Jr., Ältester der fünften Generation aus dem Rockefeller-Klan und Ausrichter des National Prayer Breakfast.[16] Die Veranstaltung wird eingeschätzt als religiös-überparteiliche Kontaktbörse, an der seit Dwight D. Eisenhower jeder amerikanische Präsident teilnahm.[17]
US-Ermittler des FBI werfen Butina in einem 29-seitigen Bericht vor, versucht zu haben, sowohl die US-Waffenlobby NRA als auch die Republikanische Partei zu infiltrieren. Sie soll regelmäßig russische Geheimdienstler in den USA getroffen und von einem Kreml-nahen Oligarchen finanziell gefördert worden sein.[12][18] Von 2015 bis 2017 arbeitete sie als Agentin und erhielt ihre Aufträge von einem Kontakt in der Russischen Zentralbank. Diese Person stehe seit April 2018 auf der US-Sanktionsliste. Butina soll laut FBI dessen „Sonderassistentin“ gewesen sein.[5]
Der russische Außenminister Sergei Lawrow rief seinen US-Amtskollegen Mike Pompeo an und forderte die sofortige Freilassung Butinas.[19]
Mitte Dezember 2018 gestand Butina ein, seit 2015 unter Anleitung eines russischen Funktionärs tätig gewesen zu sein, und bekannte sich der Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten (Conspiracy to commit offense or to defraud United States) schuldig. Ziel sei gewesen, Einfluss auf die NRA zu gewinnen.[20] Im Gegenzug für das Geständnis und die angekündigte Kooperation mit den Ermittlungsbehörden wurde der zweite Anklagepunkt der Tätigkeit als unregistrierte ausländische Agentin fallengelassen.[20] Am 14. Dezember 2018 kommentierte Lawrow die angekündigte Zusammenarbeit Butinas mit den US-Behörden als Resultat einer Art angeblicher Folter.[21] Ende Dezember 2018 wurde die Einzelhaft aufgehoben.[22] Das Urteil vom 26. April 2019 umfasste 18 Monate Haft.[23] Am 25. Oktober 2019 wurde Marija Butina aus der Haft in Tallahassee entlassen, dem United States Immigration and Customs Enforcement übergeben und am selben Tag in einem Flugzeug nach Russland ausgeflogen.[24][25]
Politische Karriere in Russland
Nach ihrer Rückkehr nach Russland bewarb sie sich für ein Mandat in der Duma. Seit 2021 vertritt sie dort die Oblast Kirow für Putins Partei Vereinigtes Russland.[26] Im Rahmen des Russisch-Ukrainischen Krieges vertrat sie in internationalen Nachrichtensendungen mehrfach dezidiert anti-ukrainische Positionen.[27][28]
Veröffentlichung
- Тюремный дневник (deutsch Gefängnistagebuch) Verlag AST, Moskau 2020, ISBN 978-5-17-134001-8.
Weblinks
Einzelnachweise
- Viktor Davydov: Meet Maria Butina, the FBI’s Russian gun nut undeclared foreign agent. In: Meduza. 18. Juli 2018, abgerufen am 3. August 2018 (englisch, Übersetzung aus dem Russischen von Kevin Rothrock).
- Julia Joffe: The Rise of Russia’s Gun Nuts, The New Republic, 16. November 2012
- Vladimir Kozlovsky: Консерваторий. In: Nowaja gaseta. 1. August 2018, abgerufen am 16. August 2018 (russisch): „Но дальше сообщалось, что Бутина встречалась с ними в качестве переводчицы своего ментора, бывшего сенатора, а потом зампреда Центробанка Александра Торшина, который приезжал в США в апреле 2015 года.“
- How Maria Butina, accused Russian spy, worked her way into top US circles, The Guardian, 17. Juli 2018
- Maria Butina: Alleged Russia agent 'offered sex for job', BBC, 19. Juli 2018
- Peter Blunschi: Die mysteriöse «Agentin» Maria Butina. In: Watson. 26. Juli 2018, abgerufen am 3. August 2018.
- Stefan Koch: Die Frau, die aus der Kälte kam. In: Märkische Allgemeine. 22. Juli 2018, abgerufen am 3. August 2018.
- Casey Michel: Here are all the Republican leaders and conservative activists Maria Butina met. In: ThinkProgress (Projekt des Center for American Progress Action Fund). 17. Juli 2018, abgerufen am 3. August 2018 (englisch).
- Maria Butina: The Bear and the Elephant. In: The National Interest. 12. Juni 2015, abgerufen am 3. August 2018 (englisch): „It may take the election of a Republican to the White House in 2016 to improve relations between the Russian Federation and the United States.“
- Vladimir Kozlovsky: Агентесса влияния. In: Nowaja gaseta. 21. Juli 2018, abgerufen am 16. August 2018 (russisch).
- Grand jury indicts Maria Butina, a Russian national with deep ties to the NRA, for conspiracy and acting as a Russian agent, Business Insider, 17. Juli 2018
- Sharon LaFraniere, Adam Goldman: Maria Butina, Suspected Secret Agent, Used Sex in Covert Plan, Prosecutors Say. In: The New York Times. 18. Juli 2018, abgerufen am 24. Juli 2018 (englisch).
- Agenten oder nur Liebhaber? Nowaja gaseta, 9. Februar 2019.
- Stefan Scholl: Sex gegen Einfluss: Fall Maria Butina wird zum US-russischen Agentenkrimi. In: Kölnische Rundschau. 26. Juli 2018, abgerufen am 3. August 2018.
- Sharon LaFraniere: Prosecutors In Spy Case Admit Error On Sex Claim. In: The New York Times. New York edition. 9. September 2018, S. A18 (amerikanisches Englisch, nytimes.com [abgerufen am 20. Dezember 2018] online veröffentlicht am 8. September 2018 unter anderer Überschrift).
- Polly Mosendz, Greg Farrell, Ilya Arkhipov: Butina Sought a Secret Kremlin Line to the U.S. A Rockefeller May Have Helped. In: Bloomberg. 26. Juli 2018, abgerufen am 3. August 2018 (englisch).
- Florian Schillat: Kaffee- und Kuchen-Veranstaltung mit Donald Trump – die AfD ist auch eingeladen. In: Stern. 8. Februar 2018, abgerufen am 3. August 2018.
- Russian billionaire with U.S. investments backed alleged agent Maria Butina, according to a person familiar with her Senate testimony, Washington Post, 22. Juli 2018
- Martha Wilczynski: Eine Festnahme wider die Annäherung? In: tagesschau.de. ARD, 24. Juli 2018, abgerufen am 24. Juli 2018.
- Rozina Sabur: Accused Russian agent Maria Butina pleads guilty to attempting to sway US policy. In: The Daily Telegraph. 13. Dezember 2018, abgerufen am 20. Dezember 2018 (englisch).
- Russian foreign minister says Maria Butina was ‘tortured’ into cooperating with U.S. law enforcement, Meduza, 14. Dezember 2018
- Butina durfte mit anderen Gefangenen in den USA in Kontakt treten, Interfax.ru, 28. Dezember 2018
- Die Russin Maria Butina wurde wegen Verschwörung im Interesse Russlands zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Nowaja gaseta, 26. April 2019.
- Devlin Barrett: National Security: Russian gun rights advocate Maria Butina released from prison, deported. In: The Washington Post, 25. Oktober 2019, abgerufen am 26. Oktober 2019.
- Russische Spionin Maria Butina aus Haft entlassen. In: Süddeutsche Zeitung, 25. Oktober 2019, abgerufen am 26. Oktober 2019.
- Valerie Hopkins: After 15 Months in U.S. Prisons, She Now Sits in Russia’s Parliament New York Times, 19. November 2021.
- Stephen Sackur: Interview mit Maria Butina, Hardtalk (BBC), 31. März 2022.
- Ellen Ivits: Die Kampagne Z – wie ein Buchstabe zum Symbol des Ukraine-Kriegs Putins wird Stern, 19. März 2022.