Manfred Götzl

Manfred Götzl (* 12. Dezember 1953[1] in Franken[2]) ist ein deutscher Jurist. Seit 2010 war er Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München[1] und wurde dort als Vorsitzender Richter im NSU-Prozess bekannt. Anschließend, ab Dezember 2018 war er Vizepräsident des gerade wieder eingerichteten Bayerischen Obersten Landesgerichts. Er ging im Dezember 2020 in den Ruhestand.[3]

Leben

Juristische Laufbahn

Nach dem Studium begann Götzl 1983, als Staatsanwalt zu arbeiten, und war bei der Münchner Staatsanwaltschaft sechs Jahre lang für Wirtschaftsdelikte zuständig. 1990 wurde er Richter am Landgericht München I, wo er Zivilsachen bearbeitete und Beisitzer der Schwurgerichtskammer war. 1992 wechselte er zurück zur Staatsanwaltschaft und wurde Gruppenleiter für Kapitaldelikte. 1999 wurde Götzl zum Vorsitzenden Richter am Landgericht ernannt und leitete die Schwurgerichtskammer. 2010 wurde er Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München, wo er den 6. Strafsenat (Staatsschutzsenat) übernahm.[2][4][5] Mit Wirkung zum 16. Dezember 2018 wurde er zum ersten Vizepräsidenten des drei Monate zuvor wieder eingerichteten Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) ernannt.[6][7]

Wichtige Verfahren

Götzl leitete einige Verfahren, die eine große Medienaufmerksamkeit erhielten, darunter zum Mord an Rudolph Moshammer, im Mordfall Charlotte Böhringer,[8] gegen den Kriegsverbrecher Josef Scheungraber[2] und den mutmaßlichen NS-Verbrecher Ladislav Nižňanský.[4] Im Prozess wegen zweifachen Neonatizids verurteilte die von Götzl geleitete Strafkammer die „Todesmutter“ aus Haar im Februar 2010 zu 10 Jahren Haft.[9]

Götzl leitete die Hauptverhandlung im NSU-Prozess, einem der längsten Prozesse der Bundesrepublik, die vom 6. Mai 2013 bis zum 11. Juli 2018 dauerte.[4]

Persönlichkeit und Kritik

Persönlich gilt Götzl als angenehmer und interessierter Gesprächspartner. Im Gerichtssaal wirkt er genau und akribisch und wird als akkurat, streng und wahrheitsliebend geschildert. Trotz eines einfühlsamen Vernehmungsstils reagiert er ungehalten und ärgerlich, wenn er den Eindruck hat, er werde angelogen oder prozessbeteiligte Juristen verhielten sich dilettantisch und unprofessionell. Fast alle von Götzl mitverantworteten Entscheidungen hatten Bestand, nur ein einziges der unter seiner Leitung durch die Schwurgerichtskammer am Landgericht München I ergangenen Urteile wurde aufgehoben.[4] Nach dem NSU-Prozess wurde ihm vorgeworfen, er habe die tiefergehende Untersuchung der Rolle von Behörden erfolgreich unterbunden.[10] Von Opferangehörigen und ihren Anwälten wurde ihm technokratische Indifferenz vorgehalten, so habe er seinen Urteilsspruch „kalt“ heruntergelesen.[11]

Familie

Götzl ist verheiratet und hat zwei Kinder.[2]

Film

In dem Anfang 2016 ausgestrahlten ZDF-Dokudrama Letzte Ausfahrt Gera – Acht Stunden mit Beate Zschäpe des Regisseurs Raymond Ley wird Götzl von Axel Milberg dargestellt.

Einzelnachweise

  1. Deutscher Richterbund (Hrsg.): Handbuch der Justiz 2012/2013. 31. Jahrgang, Müller, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-8114-3631-2, S. 93
  2. Martin Debes: Zschäpes Richter: hart, aber fair. In: Thüringer Allgemeine, 25. Februar 2013.
  3. NSU-Prozess - Die Mörderin, die nie am Tatort war in www.sueddeutsche.de vom 19. August 2021
  4. Tim Aßmann: Der Richter Manfred Götzl. Ein Porträt. In: ARD-Mittagsmagazin, 6. Mai 2013.
  5. Richter Götzl führt NSU-Prozess – Schon vor Beginn im Kreuzfeuer. In: General-Anzeiger Bonn, 2. Mai 2013.
  6. Manfred Götzl wird Vizepräsident. In: LTO. 28. November 2018, abgerufen am 3. Mai 2020.
  7. Bayerisches "Oberstes" ist wieder eingeführt. In: Süddeutsche Zeitung. 11. Juli 2018, abgerufen am 3. Mai 2020.
  8. Christian Rost: Mord an Parkhausbesitzerin – Im Zweifel für den Verurteilten. In: Süddeutsche Zeitung, 25. Mai 2013.
  9. Mutter tötet ihre Babys. In: Welt Online, 1. Februar 2010.
  10. Gisela Friedrichsen: Essay: Unvorstellbar. In: Welt Online, 20. Dezember 2017; Frank Jansen: Die Nebenklage stellt wichtige Fragen. In: Der Tagesspiegel, 8. Januar 2018; Annette Ramelsberger: Das Verdienst der Nebenkläger im NSU-Prozess. In: Süddeutsche Zeitung, 14. Januar 2018; Tom Sundermann: Die NSU-Nebenklage: wertvoll oder überflüssig? In: Zeit Online, 22. Januar 2018.
  11. Konrad Litschko: „Formelhaft, ahistorisch und kalt“. In: taz, 2. Mai 2020, abgerufen am 3. Mai 2020.
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