MAN-Stahlhaus

Das MAN-Stahlhaus ist ein Fertighaustyp mit Stahlwänden der MAN (Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg) aus den Jahren 1948 bis 1953, von dem etwa 400 Stück gebaut wurden.[1]

MAN-Stahlhaus in der Sebastianstraße 29 d in Augsburg

Geschichte

Robert-Koch-Straße 23, Gustavsburg

Das MAN-Werk in Ginsheim-Gustavsburg baute in der Nachkriegszeit auf der Suche nach neuen Absatzmärkten für Stahlkonstruktionen ab 1948 Stahlhäuser in Fertigbauweise, basierend auf einem Konzept aus den 1920er Jahren. Das MAN-Stahlhaus wurde auf Anregung des Ingenieurs Heinz Bauer im Stammwerk Augsburg entwickelt und im Werk Mainz-Gustavsburg in Serie produziert.[2]

MAN baute eine Musterhaussiedlung, in der einst die höheren Angestellten wohnten, in der Nähe der Cramer-Klett-Siedlung von Gustavsburg, die im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts im Stil einer Gartenstadt mit historisierenden Elementen errichtet worden war. Zwei verschiedene Varianten wurden dort vorgestellt und sollten in Großserie weltweit exportiert werden. Die Musterhaussiedlung zeigte den Grundtyp mit einer Grundfläche von 8 m × 8 m. Die Produktion wurde nach der Herstellung von rund 400 Häusern 1953 eingestellt.

Baugestaltung

Detailaufnahme des Dachgiebels
Fenster in Bad Windsheim
Bad in Bad Windsheim

Die im MAN-Werk vorgefertigten Wandelemente wurden auf ein gemauertes Fundament gesetzt und mit einer Stahlrahmenkonstruktion verschraubt. Zwischen den äußeren Stahlblechen und den Hartfaserplatten im Inneren befindet sich eine Dämmung mit Glasfasermatten,[1] deren Isolierwert einer 80 cm dicken Ziegelwand gleichgekommen sei, wie es in damaligen Werbebroschüren hieß. Die gegen Korrosion geschützten Stahlwände erhielten auf der Außenseite einen Ölfarbanstrich.[3]

Die architektonische Gestaltung ähnelte äußerlich konventionellen Steingebäuden: Die Lochfassaden mit Satteldächern und die Sprossenfenster mit Klappläden waren „ganz schlicht, aber anheimelnd und bei aller Sachlichkeit etwas für das deutsche Gemüt“, wie es der Architekt Hans Schneider in einer gutachterlichen Stellungnahme im Auftrag der MAN 1949 gefordert hatte.[4] Der Grundtyp konnte laut Katalog mit unterschiedlichen Dachneigungen bestellt werden. Die Version mit dem steileren Dach bot Raum für ein bewohnbares Dachgeschoss. Da die Dachlast von den Außenwänden getragen wurde, konnten die Innenwände individuell errichtet werden.[5]

Es gab vier Grundrisstypen: 8 m × 8 m, 8 m × 10 m, 8 m × 13 m und 8 m × 16 m. Die einzelnen Module der Stahlhäuser wurden auf der Baustelle zusammengesetzt. Die rechteckigen Außenwandplatten bestanden aus 1 mm starkem Stahlblech mit einer Größe von 1 m × 2,51 m und wurden hochkant nebeneinander gestellt. Die Innenwände aus Hartfaser- oder Sperrholzplatten waren durch Glasfasermatten von den äußeren Stahlblechen isoliert. Die Dachkonstruktion wurde aus standardisierten Fachwerkträgern mit 8 m Länge gebildet. Der ebenfalls mit Glasfasermatten gedämmte Fußboden bestand aus Nut- und Federbohlen, die auf der modularen Stahlrahmenkonstruktion montiert wurden.[6]

Die Fenster waren mit Gegengewichten und herausziehbaren Fliegengittern versehen und konnten zum Öffnen wie in einem Eisenbahnwagen nach unten versenkt werden. Werksmäßig war eine stählerne Installationswand, in der Brauch- und Abwasserleitungen verlaufen, zwischen Küche und Bad eingebaut mit der Besonderheit, dass die Badewanne des schmalen Badezimmers platzsparend durch die Wand in den Unterschrank der Spüle hineinragte. Wandschränke bildeten die übrigen Innenwände.[7] Die MAN-Stahlhäuser erwiesen sich aus damaliger Perspektive als qualitativ hochwertig: Aufgrund der guten Wärmedämmung, der feuerverzinkten Bauteile und der eingebrannten Anstriche kam es kaum zu Korrosions- und Kondensationsproblemen.[8]

Kosten

Ein Haus mit einfacher Ausstattung kostete damals 17.400 DM,[1] was im Vergleich zu anderen Fertighäusern, die schon ab 3.500 DM angeboten wurden, vergleichsweise teuer war. Inklusive Sonderausstattungen wie Einbauküche, Badezimmereinrichtung und Warmwasser-Zentralheizung kostete das MAN-Stahlhaus 30.000 DM,[5] was heute etwa 90.000 Euro (Stand 2024) entspräche.

Erhaltene Gebäude

In Deutschland gibt es noch etwa 40 MAN-Stahlhäuser, deren Außenwände wegen der Korrosion gelegentlich sandgestrahlt und neu lackiert werden müssen.[9]

In Ginsheim-Gustavsburg befindet sich in der Robert-Koch-Straße 17, 19, 21 und 23, Nürnberger Straße 20 und 22 sowie Müngstener Straße 4, 6, 8 und 10 ein bauhistorisch bedeutsames Ensemble mit zehn denkmalgeschützten, heute noch bewohnten MAN-Stahlhäusern, inklusive zwei Doppelhaushälften. Die 2 kleinsten haben jeweils eine Grundfläche von 64 m², die anderen sind größer. Alle dürfen laut einem Konzept der Denkmalbehörde, im Einklang mit dem hessischen Denkmalschutzgesetz, mit modernen Erweiterungsbauten versehen werden. Die historische Bausubstanz und zeitgenössische Architektur müssen dabei erkennbar nebeneinander gestellt werden.[5] Die zehn Häuser sind Bestandteil der Route der Industriekultur Rhein-Main Mainspitze.

Vier Häuser sind in Augsburg-Oberhausen erhalten. Sie befinden sich in der Sebastianstraße 29d, e, f und i unweit der MAN-Werksgelände im Stadtbezirk Rechts der Wertach. Ein weiteres MAN-Stahlhaus steht in der Bergstraße 9 von Stadtbergen-Leitershofen.

Ein MAN-Stahlhaus von 1948 wurde 2011 vom mittelfränkischen Wendelstein-Nerreth bei Nürnberg in das Fränkische Freilandmuseum Bad Windsheim transloziert.[10] Es zählt zu den 100 Heimatschätzen Bayerns.

In Nürnberg-Laufamholz sind drei Häuser des Baujahres 1951 erhalten, die als Baudenkmäler in der Bayerischen Denkmalliste ausgewiesen sind. Sie befinden sich in der Laufamholzstraße 197, 199 und 201, zwei ähnliche Häuser aus dem Jahr 1952, ebenfalls Baudenkmäler, stehen in der Bothmerstraße 43 und 45 in Nürnberg-Mögeldorf.[11] Ein weiteres denkmalgeschütztes Haus des Baujahres 1951 steht nicht weit entfernt, am Tannenweg 28 in Schwaig bei Nürnberg.[12] Ein Stahlhaus steht noch in Düsseldorf-Kaiserswerth.[13]

Ein Stahlhaus steht in Bergisch Gladbach-Frankenforst und wurde 2019 unter Denkmalschutz gestellt.[14]

In der Mainzer Oberstadt gab es vier MAN-Stahlhäuser, wovon noch drei An der Goldgrube 33, 35 und 43 erhalten sind (Stand: 2013). Ein MAN-Stahlhaus mit niedrigem Dach steht in der Liebermannstraße 12 in Köln-Müngersdorf. Ein weiteres denkmalgeschütztes Haus befindet sich in der Friedrich-Ebert-Straße 75 in Oppenheim.[2] Ebenso in Undenheim steht ein unter Denkmalschutz stehendes MAN-Stahlhaus.

Zwei denkmalgeschützte und bewohnte MAN-Stahlhäuser aus dem Jahr 1951 befinden sich in Karlsruhe an der Langen Straße 169[15] und Edelsheimstraße 7a.[16]

In Stuttgart-Sillenbuch stand in der Oberwiesenstraße 8 ein bis Mitte 2016 vom Abriss bedrohtes MAN-Stahlhaus, dessen Kulturdenkmal-Eigenschaft erst geprüft und festgestellt wurde, als der Verkauf des Grundstücks, die Neubauplanung und die Finanzierung bereits in die Wege geleitet waren. Mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg konnte dennoch eine Lösung zur Erhaltung des Kulturdenkmales und seiner öffentlichen Nutzung gefunden werden: Nach einer Translozierung auf das Gelände des Hohenloher Freilandmuseums in Schwäbisch Hall-Wackershofen 2017 und damit einhergehend einer Sanierung, Restaurierung und Konservierung aller Gebäudeteile präsentiert es seit 2019 als öffentlich zugängliches Museumsgebäude den „Traum vom Wohnen 1952“.[17][18]

In Hannover stehen zwei weitere MAN-Stahlhäuser, Nähe Mittellandkanal sowie in der Saarbrückener Straße 15 in Kirchrode.

Siehe auch

Literatur

  • Michael Bermeitinger: Ein Abenteuer aus Stahl – Ende der 40er produzierte das Werk Gustavsburg Fertighäuser in Allgemeine Zeitung Mainz, S. 14 vom 25. Juli 2018
Commons: MAN-Stahlhaus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. So lebt es sich im Haus aus U-Boot-Stahl. In: Augsburger Allgemeine, erschienen am 9. Juni 2023, Seite 33.
  2. Enrico Santifaller: Highlights – Mittelrhein. (PDF; 2,7 MB)
  3. Jörg Heimeshoff: Rheinische Kunststätten. Architektur der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts in Düsseldorf – Profanbauten ohne Schulen und Brücken (Heft 360). Schwann, Düsseldorf 1990, ISBN 3-88094-671-X, S. 6.
  4. Johannes Kottjé: Wohnhäuser aus Stahl: Zeitgemäße Architektur für lichtdurchflutete Räume. (Memento vom 24. Dezember 2013 im Internet Archive) (PDF; 14,6 MB) Deutsche Verlags-Anstalt München, ISBN 978-3-421-03453-3. Seite 12 der Online-Leseprobe.
  5. Ulrich von Mengden: In Gustavsburg stehen noch zehn MAN-Stahlhäuser aus dem Jahr 1948. (Memento vom 5. Februar 2012 im Internet Archive) Main-Spitze vom 22. Dezember 2011.
  6. Nina Schoel: Praxisarbeit 4: Mobile und modulare Bauten. (Memento vom 24. Dezember 2013 im Internet Archive)
  7. Rudolf Maria Bergmann: Privates Glück in Serie: Ein Fertighaus der Nachkriegszeit im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim. Bayrische Staatszeitung vom 27. April 2012.
  8. Matthias Ludwig: Mobile Architektur. Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt, 1998. S. 71.
  9. Achim Bergmann: Wer im Stahlhaus sitzt, hat’s gemütlich: Zu Besuch bei einer Nürnberger Familie – Museum hat nun ein MAN-Gebäude. 21. September 2011.
  10. Michael Scheffold: Ein Stahlhaus im Museum. In: Stahlmarkt Nr. 12 2008. Düsseldorf 2008, S. 63f.
  11. Denkmalliste für Nürnberg (PDF) beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege
  12. Denkmalliste für Schwaig bei Nürnberg (PDF) beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege
  13. Sanierung Stahlhaus in Düsseldorf-Kaiserswerth. (Memento vom 25. Juli 2014 im Internet Archive)
  14. Stadtentwicklungs- und Planungsausschuss - 26.02.2019 - 19:30-19:53 Uhr. Abgerufen am 27. Februar 2019.
  15. Datenbank der Kulturdenkmale: Lange Str. 169, Rüppurr. Abgerufen am 11. Mai 2018.
  16. Datenbank der Kulturdenkmale: Edelsheimstr. 7a, Oststadt. Abgerufen am 11. Mai 2018.
  17. Bauforschung Baden-Württemberg: Stuttgart, Oberwiesenstraße 8
  18. Eveline Blohmer: Bauvorhaben in Sillenbuch: Kritik an Neubau von zwei Seiten. Stuttgarter Nachrichten, 7. April 2016.
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