Münster St. Maria und Markus (Reichenau-Mittelzell)

Das Münster St. Maria und Markus ist eine romanische ehemalige Benediktiner-Klosterkirche und heutige katholische Pfarrkirche im Ortsteil Mittelzell auf der Insel Reichenau im Bodensee. Das Münster war die Abteikirche des bedeutenden Klosters Reichenau (lateinisch Monasterium Augiensis) und ist die größte der drei romanischen Kirchen der Insel.

Münster St. Maria und Markus von Norden
Inneres nach Westen; Markusaltar

Die Klosterinsel Reichenau gehört mitsamt der Kirche seit 2000 zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Baugeschichte

Südliches Seitenschiff nach Westen

Nachdem vermutlich noch unter dem Gründerabt Pirmin ab 724 eine erste Klosterkirche aus Holz errichtet worden war, ließ Abt Haito eine karolingische Basilika auf Kreuzgrundriss erbauen, von der heute noch Teile in der Vierung und im Ostquerhaus erhalten sind. Sie wurde am 16. August 816 zu Ehren der Gottesmutter Maria geweiht.

Im Jahr 830 brachte Bischof Radolt von Verona, ein Alemanne, Reliquien aus Italien an den Bodensee, darunter aus Venedig Reliquien des Evangelisten Markus. Haitos Nachfolger Erlebald (823–838) erweiterte die Abteikirche um ein Langhaus-Joch, ein Westquerhaus und ein doppeltürmiges Westwerk. Als Architekten dieser Bauphase nennt Walahfried Strabo den Priestermönch Einmuot.

Ein weiterer Reliquienschatz, ein byzantinisches Abtskreuz mit einer Heilig-Blut-Reliquie, gelangte im Jahr 925 auf die Reichenau. Ihr zu Ehren wurde bis 946 östlich hinter der Basilika eine Rotunde nach dem Vorbild der Jerusalemer Grabeskirche erbaut.

Aus legendarisch überlieferten, historisch nur vermutbaren Gründen – die Translationslegende berichtet von einem Geheimhaltungsversprechen Radolts – gewann die Markus-Verehrung auf der Reichenau erst um die Jahrtausendwende an Bedeutung und erforderte, nach Zwischenstufen des 10. Jahrhunderts, unter Abt Berno die Erweiterung der karolingischen Kirche zur im Wesentlichen bis heute erhaltenen Gestalt, am augenfälligsten durch eine weitere Westverlängerung mit einem neuen Querhaus an Stelle des alten Westwerks und davor einem monumentalen, querrechteckigen und reich gegliederten Turm. Dieser Westbau wurde zum liturgischen Ort der Ausstellung und Verehrung der Markusreliquien. Bernos Münster wurde am 24. April 1048, dem Vorabend des Markustags, im Auftrag und im Beisein von Kaiser Heinrich III., von Bischof Theoderich geweiht.

Aus den Jahren 1236/37 stammt der (erst seit 1970 wieder offene!) tonnenförmige „normannische“ Dachstuhl aus Eichenholz.

In spätgotischer Zeit kam es zu einer Nachblüte der Reichenauer Abtei und zum Bau des gotischen Chors. Dafür wurde die Heilig-Blut-Kapelle abgerissen.

Grablegen

  • Der Urenkel Karls des Großen, Kaiser Karl III. („Karl der Dicke“), der letzte Herrscher des vereinten Frankenreichs und der einzige König der Alemannen, starb am 13. Januar 888 in Neudingen an der Donau und wurde auf eigenen Wunsch im Münster bestattet. Seine Grabplatte, eingelassen im Chor des Münsters, enthält die Inschrift „CAROLVS III IMPERATOR † 888“; sie wurde 1728 an die Sakristei verlegt.
  • Auch einige Äbte wie Berno oder Mangold von Brandis fanden in der Kirche die letzte Ruhestätte.[1][2]
  • Herzog Gerold, der Bruder von Hildegard, Frau von Karl dem Großen, wurde hier 799 bestattet.[3]

Ausstattung und Schatzkammer

Vom einstigen Reichtum der Reichenauer Abtei sind nur Teile erhalten. Zahlreiche kostbare Handschriften, liturgische Gefäße und Gewänder gelangten nach dem Ende des Klosters im 18. Jahrhundert in andere Kirchen und Sammlungen. Dennoch ist die Ausstattung des Münsters mit Statuen, Grabplatten, Wand- und Ölgemälden aus Gotik und Barock bemerkenswert.

Dem Besucher fällt beim Betreten der Kirche im Osten das barocke Chorgitter (1746) und dahinter der Heilig-Blut-Altar (1739) ins Auge. An der Nordwand des romanischen Chorstumpfs befindet sich eine Sandsteinskulptur der Muttergottes mit Kind (um 1300) und ein großes Christophorus-Bild, gegenüber weitere Wandgemälde der Spätgotik (Christus am Ölberg; Marienbild mit Stiftern).

Die Altäre der Seitenschiffe tragen eine Pietà (um 1350; Norden) und ein Martyrium des hl. Stephanus (1596; Süden).

Im gotischen Hochchor steht ein Flügelaltar mit Marienkrönung und Heiligen von Rudolf Stahel (1498). Katechismusartige Wandgemälde aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kreisen um das Thema Eucharistie.

Im Zentrum der Westapsis befindet sich der Markusaltar von 1477, der in einer Kopie des ursprünglichen Schreins die Markusreliquien enthält.

Die Schatzkammer verwahrt u. a. den originalen Markusschrein und weitere kostbare Reliquienschreine und -gefäße sowie, als letztes hier verbliebenes Zeugnis der Reichenauer Buchmalerkunst, ein Evangelistar aus der Mitte des 9. Jahrhunderts.

Besonders herausragend ist die Heilig-Blut-Reliquie, die der Überlieferung nach die blutgetränkte Erde von Golgatha, einen Splitter vom Kreuz Christi (hinter einem kleinen goldenen byzantinischen Abtskreuz) und ein blutgetränktes seidenes Tüchlein enthält. Die Reliquie wurde in Jerusalem an Karl den Großen übergeben und kam dann nach Reichenau. Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde diese Reliquie in ein Kloster bei Freiburg ausgelagert und kam erst 1737 mit einer barocken Fassung und Edelsteinen versehen wieder in das Kloster zurück. 1746 wurde sie zu einer Monstranz umgestaltet. Sie wird im Heilig-Blut-Altar im Münster aufbewahrt.

Heiliger Meinrad

Folgende Darstellungen des Heiligen Meinrad finden sich auf der Insel Reichenau[4]:

  • Holzstatue mit Attribut Keule, Münstersakristei St. Maria und Markus, 17./18. Jahrhundert (Pendant zur Figur des Heiligen Benedikt mit Attribut Kelch)
  • Glockenzier von Leonhard Eder (Glocke des Münsters St. Maria und Markus, Ton c`, Gewicht 2300 kg), 1986
  • Steckborner Kachelofen, Ofenkachel, 1746/47
  • Holzdecke 1904, Münster St. Maria und Markus (heute Dachboden)
  • Ölbild Meinrad mit Kopfwunde, Münsterpfarrhaus St. Maria und Markus, 17./18. Jahrhundert
  • Bei der Weihe des neuen Altars im Reichenauer Münster St. Maria und Markus am 20. September 1970 wurden neben Reliquien der Heiligen Primin und Markus, Gebeine des Erbauers Haito auch Reliquien des Heiligen Meinrad in den Altar eingebettet.

Orgel

Blick aus dem Chor auf die Orgel

Die Orgel der Kirche wurde 1967 durch die Firma Klais/Bonn erbaut. Sie hat 39 Register, verteilt auf drei Manuale und Pedal, eine mechanische Spiel- und eine elektrische Registertraktur. Die Disposition ist wie folgt:[5]

I Hauptwerk C-a3
01.Pommer16′
02.Principal08′
03.Holzflöte08′
04.Octav04′
05.Gemshorn04′
06.Rohrnasard0223
07.Superoctav02′
08.Cornet V (ab g0)08′
09.Mixtur IV0113
10.Acuta III012
11.Trompete08′
12.Kopftrompete04′
II Positiv C–a3
13.Rohrflöte08′
14.Quintade08′
15.Principal04′
16.Holztraverse04′
17.Waldflöte02′
18.Quinte0113
19.Sesquialter I-III0223[A 1]
20.Scharff V01′
21.Dulcian16′
22.Schalmey08′
Tremulant
III Brustwerk C–a3 [A 2]
23.Holzgedackt8′
24.Rohrpfeife4′
25.Principal2′
26.Terz135
27.Octav1′
28.Cymbel IV12
29.Musette8′
Pedal C–f1
30.Principal16′
31.Subbaß16′
32.Octav08′
33.Spillflöte08′
34.Italienisch Principal04′
35.Flachflöte02′
36.Baßzink III0513
37.Hintersatz IV02′
38.Posaune16′
39.Basstrompete08′
  • Anmerkungen:
  1. +135′+114′.
  2. Schwellbares Werk.

Glocken

Insgesamt verfügt das Münster über neun Glocken, von denen sieben Glocken ein teilweise hohes Alter aufweisen.[6]

Nr.
 
Gussjahr
 
Gießer
 
Durchmesser
(mm)
Masse
(kg)
Schlagton
(HT-116)
Turm
 
11986Karlsruher Glockengießerei15142350c1 -1Westturm
21392unbekannt13902000e1 ±0
31361unbekannt11501000g1 -4
41955Friedrich Wilhelm Schilling978638a1 ±0
51492unbekannt940600c2 -5
615. Jh.Rottweiler Gießhütte46065h2 +4Dachreiter Westturm
I1776L.  Rosenlecher530f2 +1Dachreiter Konventsgebäude
II1733500f2 -4
III1553unbekannt450b2 +3

Seit 5. Dezember 2015 dürfen die Glocken im Westturm wieder geläutet werden. Eine Pause war nötig geworden, da durch das asymmetrische Schwingen der Glocken Schäden am Bauwerk auftraten. Die Glocken wurden umgehängt; sie liegen nun in einer Reihe. Flankierend zu dieser Maßnahme wurde der Glockenstuhl auf einer speziellen Gummimasse gelagert und eine moderne, elektronisch gesteuerte Läuttechnik installiert.[7]

Literatur

  • Bock, Sebastian: Das Markusgrab im Münster von Reichenau-Mittelzell. arthistoricum.net, Heidelberg 2022, (Studien zur Kunst- und Kulturgeschichte am Oberrhein, Band 3). https://doi.org/10.11588/arthistoricum.1138
  • Bock, Sebastian: Der „Smaragd“ im Münster von Reichenau-Mittelzell. arthistoricum.net, Heidelberg 2022, (Studien zur Kunst- und Kulturgeschichte am Oberrhein, Band 2). https://doi.org/10.11588/arthistoricum.1091
  • Theodor Fehrenbach, Alfons Weißer: Die Reichenau und ihre drei Kirchen. 14. Aufl., Ehingen 2005.
  • Eva Moser: Bodensee. Drei Länder – Kultur und Landschaft zwischen Stein am Rhein, Konstanz und Bregenz. DuMont, Köln 1998, ISBN 3-7701-3991-7, S. 53–56.
  • Carla Th. Mueller, Werner Hiller-König: Die Schatzkammer im Reichenauer Münster. Mit Beiträgen von Gudrun Bühl, Agnes Krippendorf, Diane Lanz u. Birgit Schneider. Königstein i. Ts. (Die Blauen Bücher) 2003, ISBN 978-3-7845-3190-8.
  • Emil Reisser: Die frühe Baugeschichte des Münsters zu Reichenau. Berlin 1960.
Commons: Münster Mittelzell (Reichenau) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ottmar Friedrich Heinrich Schönhut, Chronik des ehemaligen Klosters Reichenau: Mit Ansichten der Insel, Google Buchsuche online
  2. Die wahren Mütter Europas (Memento des Originals vom 5. April 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/xn--neuebrgerzeitung-nzb.de, veröffentlicht am 22. März 2015
  3. E. Güßfeldt: Die Insel Reichenau und ihre Klostergeschichte, Konstanz 1894, S. 8ff.
  4. Karl Wehrle: „Heiliger Meinrad, Mönch der Reichenau“ im Amtsblatt der Gemeinde Reichenau auf reichenau.de vom 25. Januar 2024
  5. Informationen zur Orgel
  6. Die Glocken des Münsters auf der Webseite der Erzdiözese Freiburg, abgerufen am 13. Mai 2017
  7. Bericht über die Sanierungsarbeiten im Turm im Südkurier, abgerufen am 13. Mai 2017

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