Luk Perceval
Luk Perceval (* 30. Mai 1957 in Lommel) ist ein belgischer Theaterregisseur. Von der Saison 2009/2010 bis 2017/2018 war er Leitender Regisseur am Thalia Theater Hamburg.
Leben
Perceval studierte Schauspiel am Koninklijk Conservatorium in Antwerpen und arbeitete anschließend in Belgien als Schauspieler.
Schaffen
1984 war er Mitbegründer des freien Theaters Blauwe Maandag Compagnie, wo er seine ersten Regiearbeiten vorlegte. An den Inszenierungen der Truppe wurden sämtliche Mitarbeiter beteiligt und das Theater galt als wichtigster Vertreter der Flämischen Welle. 1997 fusionierte Perceval diese Theatergruppe mit der Koninklijke Nederlandse Schouwburg in Antwerpen unter dem Namen Het Toneelhuis. Perceval war der künstlerische Leiter des neuen Theaters.
Im Jahr 1999 engagierte ihn das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg für seine erste deutsche Produktion, die in Co-Produktion mit den Salzburger Festspielen in Salzburg Premiere hatte. Die Inszenierung Schlachten! wurde gleich zum Berliner Theatertreffen eingeladen, erhielt dort den 3sat-Preis und wurde von Theater heute zur Inszenierung des Jahres gewählt. Seine Inszenierung Traum im Herbst aus dem Jahre 2002 an den Münchner Kammerspielen wurde ebenfalls zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Ab der Saison 2005/2006 war Perceval vier Jahre Hausregisseur an der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin, bis er 2009 an das Thalia Theater in Hamburg wechselte. Seit der Spielzeit 2009/2010 ist er dort Regisseur und Oberspielleiter. Unter anderem inszenierte er dort im Jahr 2010 William Shakespeares Hamlet, sowie 2012 das Stück Jeder stirbt für sich allein nach Hans Fallada, am Thalia Theater in Hamburg, die Inszenierung gewann den Deutschen Theaterpreis Der Faust 2013 für beste Regie und bestes Bühnenbild[1] und war zum Berliner Theatertreffen 2013 eingeladen[2]. 2015 inszenierte er eine Adaption des Romans Die Blechtrommel von Günter Grass. Zuletzt entwickelte er die Inszenierungen Liebe (2016), Geld (2016) und Hunger (2017), die als Trilogie meiner Familie auf einen Romanzyklus von Émile Zola basieren und seit der Spielzeit 2017/2018 als 7,5-stündiger Theatermarathon gezeigt werden.[3]
2008 wurde Perceval als Studiengangsleiter für Regie und Schauspiel an die Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg berufen.[4] Dort war er bis 2011 tätig.
Percevals Projekt Mut und Gnade am Schauspiel Frankfurt wurde 2019 für das Berliner Theatertreffen nominiert.[5] Perceval hat den dreistündigen Abend Eines langen Tages Reise in die Nacht, Psychogramm einer von Drogen zerstören Familie, 2019 am Schauspiel Köln „wie eine Partitur inszeniert, deren Klimax unausweichlich ist“.[6] Seiner Inszenierung von Mozarts Entführung aus dem Serail an der Oper in Genf gelang es dank der engen Zusammenarbeit mit Aslı Erdoğan, die das Libretto auf Basis ihres Romans „Der wundersame Mandarin“ schrieb, dem Musikstück eine ungewöhnliche, völlig neuartige Interpretation zu geben.[7]
Auszeichnungen
- 2020: Heddaprisen in der Kategorie „Beste Regie“[8]
Werke (Auswahl)
- 2007: Molière. Eine Passion von Feridun Zaimoglu, Günter Senkel und Luk Perceval, Schaubühnen Berlin und Salzburger Festspiele (Uraufführung)[9]
- 2012: Jeder stirbt für sich allein nach Hans Fallada, Thalia Theater Hamburg[10]
- 2011: Draußen vor der Tür von Wolfgang Borchert, Thalia Theater Hamburg[11]
- 2013: Platonov, von Anton Tschechow, NTGent[12]
- 2014: FRONT – Im Westen nichts Neues nach Erich Maria Remarque, Henri Barbusse und Zeitdokumenten, Thalia Theater Hamburg, NTGent[13]
- 2017: Infinite Now von Chaya Czernowin, Oper Antwerpen/Nationaltheater Mannheim[14]
- 2018: Mut und Gnade, nach Ken Wilbur, Schauspiel Frankfurt[15]
- 2019: Eines langen Tages Reise in die Nacht, von Eugene O’Neill, Schauspiel Köln[16]
- 2020: Die Entführung aus dem Serail, von Wolfgang Amadeus Mozart, Grand Théâtre de Genève[7]
- 2021: 3Siostry, von Anton Tschechow, TR Warszawa/Narodowy Stary Teatr Kraków[17]
- 2021: Oblomow Revisited, von Nele Stuhler (nach Iwan Gontscharow), Schauspiel Köln[18]
Literatur
- Luk Perceval, Thomas Irmer (Hrsg.): Theater und Ritual, Vorwort von Luc Tuymans, Alexander Verlag Berlin, 2005, 2013. ISBN 978-3-89581-326-9.
- Luk Perceval, Thomas David (Hrsg.): Nahaufnahme Luk Perceval. Gespräche mit Thomas David, mit einem Film von Marat Burnashev, auf DVD. Alexander Verlag, Berlin, 2015, ISBN 978-3-89581-373-3.
- Luk Perceval, Thomas Irmer (Hrsg.): Arbeitsbuch 28 Luk Perceval, Theater der Zeit, Berlin 2019, ISBN 978-3-95749-190-9.
DVDs
Platonow (DVD). Director’s Cut. Luk Perceval (Regie); Anton Tschechow (Autor), Alexander Verlag Berlin, 2006, ISBN 978-3-89581-168-5.
Weblinks
- Luk Perceval Homepage
- Luk Perceval auf der Homepage des Thalia Theaters in Hamburg
- Luk Perceval auf der Website der Schaubühne Berlin
- Luk Perceval Videos und Trailer zu Inszenierungen an der Schaubühne Berlin
- Luk Perceval: 50 Regisseure im deutschsprachigen Theater. Seite des Goethe-Instituts
- Luk Perceval beim Alexander Verlag
Einzelnachweise
- KulturPort De Kultur-Magazin Hamburg: Perceval und Kurz ausgezeichnet mit Deutschem Theaterpreis DER FAUST 2013 für Thalia-Inszenierung „Jeder stirbt für sich allein“ - KulturPort.De ~ Magazin für Kunst und Kultur. Abgerufen am 10. September 2020 (deutsch).
- Berliner Festspiele: Jeder stirbt für sich allein - Theatertreffen. Abgerufen am 10. September 2020.
- Trilogie meiner Familie I-III. Abgerufen am 11. April 2018 (deutsch).
- Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg: Luk Perceval wird Studiengangsleiter Regie und Schauspiel in Baden-Württemberg (Memento vom 10. Februar 2009 im Internet Archive)
- Berliner Festspiele: Theatertreffen - Inszenierungen in der Diskussion 2019. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 14. Mai 2019; abgerufen am 24. Juli 2019. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Präzise wie mit dem Seziermesser legt Luk Perceval den Kern von Eugene O’Neills Meisterwerk bloß, nachtkritik.de vom 15. November 2019, abgerufen am 24. Januar 2020
- Bernhard Doppler: „Verblüffende Abgründe in Mozarts Singspiel“, Rezension auf deutschlandfunkkultur.de vom 22. Januar 2020, abgerufen am 24. Januar 2020
- Perceval erhält wichtigsten norwegischen Theaterpreis, deutschlandfunkkultur.de, erschienen und abgerufen am 21. September 2020.
- Dirk Pilz: Molière. Eine Passion – Luk Percevals Theatermarathon bei den Salzburger Festspielen. Abgerufen am 28. November 2019 (deutsch).
- Jeder stirbt für sich allein. Abgerufen am 10. September 2020 (englisch).
- Katrin Ullmann: My Darkest Star live in concert: Draußen vor der Tür – Luk Perceval lässt Wolfgang Borcherts berühmtes Kriegsheimkehrerstück von 1946 singen. Abgerufen am 27. November 2019 (deutsch).
- Platonov. Abgerufen am 27. November 2019 (niederländisch).
- FRONT. Abgerufen am 10. September 2020 (englisch).
- Die Deutsche Bühne. Abgerufen am 27. November 2019.
- Shirin Sojitrawalla: Mut und Gnade – Luk Percevals kompromissloser Abend über die Liebe und das Sterben am Schauspiel Frankfurt. Abgerufen am 5. April 2019 (deutsch).
- Süddeutsche Zeitung: Im Käfig der Lügen. Abgerufen am 26. November 2019.
- Spojrzeć prawdzie w lustro – „3Siostry“ w reżyserii Luka Percevala w TR Warszawa/NST w Krakowie - DOMAGALAsieKULTURY. Abgerufen am 4. Dezember 2021 (polnisch).
- Karin E. Yeşilada: Oblomow revisited – Schauspiel Köln – Eine hybride Gontscharow-Adaption von Luk Perceval. Abgerufen am 4. Dezember 2021 (deutsch).