Ludwig Debiel

Ludwig Debiel SJ (auch Louis Debiel, Ludovicus Debiel, Ludwig De Biel; * 20. September 1697 in Wien; † 9. November[1][Anm. 1] 1771 in Graz) war ein österreichischer Jesuit und Theologe.

Leben und Wirken

Ludwig Debiel trat 1717 in den Jesuitenorden ein und lehrte 1719 bis 1723 an einem Gymnasium.[2] 1722 erschien seine bei Willibald Krieger (1685–1769) verteidigte Dissertation Metamorphoses Styriae, in der er in knapp 2600 Hexametern die Entstehung von Ortschaften der Steiermark beschreibt,[3][4] und wurde Doktor der Philosophie und Theologie.[1][5][6] An der Universität Wien lehrte er 1729/1730 hebräische Sprache[7] und 1732/1733 Physik[8].

Ab 1734 gehörte er der Theologischen Fakultät der Universität Wien an.[6][9] 1733/1734 war er dort Professor für Kontroverstheologie,[10] 1737 für Moraltheologie[11] und 1740/1741 für Spekulative Theologie.[10] 1740 war er Dekan der Fakultät.[12]

In dieser Zeit arbeitete er an Ausgaben der Bibel. 1740 gab er den griechischen Text des Neuen Testaments mit lateinischer Interlinearübersetzung in zwei Bänden heraus. 1743 bis 1747 folgte die Herausgabe des hebräischen Textes des Alten Testaments mit lateinischer Interlinearübersetzung und Beigabe der Texte der Vulgata Sixtina in vier Bänden. Diese Arbeit stieß auf besondere Schwierigkeiten, da es in Wien keinen Drucker gab, der Hebräisch konnte und entsprechende Typen besaß. Die Typen mussten aus dem Ausland herbeigeschafft und die Schriftsetzer entsprechend geschult werden.[13] 1744 erhielt er für diese Arbeit von der Universität eine Unterstützung von 1200 Gulden.[14]

Debiel war zwei Jahre Gehilfe („Socius“) von Matthias Pock,[15] der 1744 Provinzial der österreichischen Jesuiten wurde.[16] Debiel genoss eine Zeit lang das besondere Vertrauen von Maria Theresia.[17] Sie bediente sich seines Rates bei der Gründung des Theresianum,[2] dessen erster Rektor er 1746 mit einem Jahresbetrag von 4000 Gulden wurde.[18] Nach zwei Jahren wurde er wieder abgelöst[19] und war von 1748[20] bis 1751 Rektor am Jesuitenkolleg Linz.[2] Matthias Pock wurde 1755 der dritte Rektor des Theresianums.[21]

Ab 1752 war er wieder an der Universität Wien tätig. Er arbeitete an einer neuen Studienordnung mit, die von Erzbischof Johann Joseph von Trautson, der auch Studienprotektor der theologischen und philosophischen Wissenschaften war, gefördert und später auch für die Universitäten Prag, Graz, Innsbruck, Olmütz und Freiburg übernommen wurde.[22] Mitarbeiter war auch der spätere Erzbischof von Wien Christoph Anton von Migazzi.[23] Die Reform wurde am 25. Juni 1752 von Maria Theresia genehmigt.[24]

1752 wurde Debiel zum Dekan ernannt[25] und als Studiendirektor („Generalis studii praefectus“) der Theologischen Fakultät eingesetzt.[26][27] In dieser Funktion war er Mitglied des „Konsistoriums ordinarium“ und erhielt alle Rechte und Privilegien der „proceres“ (also des Rektors, des Kanzlers und des kaiserlichen Superintendenten).[28] Nach einem auf Betreiben von Christoph Anton von Migazzi erlassenen Hofdekret wurde er 1779 als Studiendirektor entlassen,[29] weil „das Wirken der Jesuiten an der Universität von den Gegnern der Kirche immer heftiger angefeindet wurde.“[30] Sein Nachfolger wurde Simon von Stock.[24]

1754 übergab Maria Theresia das Gebäude der ehemaligen Juristenschule in der Grünangergasse an Debiel, der dort ein Bußhaus zur Bekehrung reumütiger Sünderinnen errichten sollte.[31] 1758 wurde die Einrichtung wieder aufgelöst, da sie „den gewünschten Fortgang nicht hatte“.[32][33] 1760 wurde Debiel Professor der hebräischen Sprache und Kanzler der Universität Graz.

Debiel war Gönner und Wohltäter des Jansenisten Marcus Anton Wittola (1736–1797).[34] Antal Révay (1718–1783), der spätere Bischof von Rožňava (1776–1780) und von Nitra (1780–1783), verteidigte 1741 bei Ludwig Debiel seine Dissertation Assertiones Theologicae De Jure, & Justitia quas Authoritate et Consensu.[35] Eine besonders enge Zusammenarbeit hatte Debiel mit Erasmus Fröhlich, der zur Zeit seines Direktorats am Theresianum das numismatische Kabinett leitete.[36] Fröhlich verfasste auf Anregung und unter Anleitung von Debiel sein Werk Utilitas rei numariae veteris.[37][38] Gemeinsam gaben sie ein numismatisches Werk von Jean Foy-Vaillant (1632–1706) heraus. Auch andere Schriften werden teils Debiel, teils Fröhlich zugeschrieben oder unter dem jeweils anderen Namen veröffentlicht. In einigen Quellen wird deshalb Ludwig Debiel als Pseudonym für Erasmus Fröhlich angegeben.[39]

Ludwig Debiel verstarb am 9. November 1771 in Graz und wurde am 11. November beerdigt.[40]

Schriften

Literatur

Anmerkungen

  1. In anderen Quellen ist der 2. November als Todestag angegeben.

Einzelnachweise

  1. Nekrolog. In: Jahresbericht des 1. Staatsgymnasiums in Graz. Veröffentlicht am Schlusse des Studienjahres 1871. 1. Staatsgymnasium, Graz 1871, S. 76 (Digitalisat).
  2. Justus Schmidt: Linzer Kunstchronik. Städtische Sammlungen Linz, 1951, S. 106.
  3. Jörg Rüpke (Hrsg.): Von Göttern und Menschen erzählen. Steiner, Stuttgart 2001, ISBN 978-3-515-07851-1, S. 155 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Barbara Becker-Cantarino (Hrsg.): Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur und Kultur der Frühen Neuzeit (1400–1750). Band 41, Heft 1, 2012. Rodopi, Amsterdam 2013, ISBN 978-94-012-0977-9, S. 274 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Debiel, Ludovicus. In: Johannes Nepomuk Stöger: Scriptores Provinciae Austriacae Societatis Jesu (= Collectio Scriptorum Societatis Jesu. Band 1). Wien 1855, S. 54 (Textarchiv – Internet Archive).
  6. Franz Krones von Marchland: Geschichte der Karl-Franzens Universität in Graz. Festgabe zur Feier ihres dreihundertjährigen Bestandes. Leuschner & Lubensky, Graz 1886, S. 431. Nachdruck: Hansebooks, Norderstedt 2016, ISBN 978-3-7411-2771-7.
  7. Kurt Mühlberger (Hrsg.): Die Matrikel der Universität Wien. VII. Band: 1715/16–1745/46. Böhlau, Wien 2011, S. XVIII (online auf oapen.org; PDF; 4,4 MB).
  8. Studien zur Geschichte der Universität Wien. Band 3. Böhlau, Köln 1965, S. 86, ISSN 0506-9300.
  9. Anton Wappler: Geschichte der Theologischen Facultät der k.k. Universität zu Wien. Festschrift zur Jubelfeier ihres fünfhundertjährigen Bestehens. Braumüller, Wien 1884, S. 421 (online auf univie.ac.at; PDF; 27,8 MB).
  10. Kurt Mühlberger (Hrsg.): Die Matrikel der Universität Wien. VII. Band: 1715/16–1745/46. Böhlau, Wien 2011, S. XVII (online auf oapen.org; PDF; 4,4 MB).
  11. Anton Mayer (Red.): Geschichte der Stadt Wien. Band 6. Altertumsverein zu Wien, Wien 1918, S. 109 (Textarchiv – Internet Archive).
  12. Anton Wappler: Geschichte der Theologischen Facultät der k.k. Universität zu Wien. Festschrift zur Jubelfeier ihres fünfhundertjährigen Bestehens. Braumüller, Wien 1884, S. 147 (online auf univie.ac.at; PDF; 27,8 MB).
  13. Bernhard Duhr: Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge. Band 4: 18. Jahrhundert. 2. Teil. Manz, München/Regensburg 1928, S. 138 (online).
  14. Anton Wappler: Geschichte der Theologischen Facultät der k.k. Universität zu Wien. Festschrift zur Jubelfeier ihres fünfhundertjährigen Bestehens. Braumüller, Wien 1884, S. 114 (online auf univie.ac.at; PDF; 27,8 MB).
  15. Hanno Platzkummer: Debiel (De Biel) Ludwig. In: Charles E. O’Neill, Joaquín María Domínguez (Hrsg.): Diccionario histórico de la Compañía de Jesús. Biográfico-temático. Band 2: Costa Rossetti – Industrias. Universidad Pontificia Comillas, Madrid 2001, ISBN 84-8468-038-X, S. 1065 (spanisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  16. Georg Michael Pachtler: Ratio studiorum et institutiones scholasticae Societatis Jesu. Band 1: Ab anno 1541 ad annum 1599 Hofmann und Campe, Berlin 1887, S. XVIII (Textarchiv – Internet Archive).
  17. Eugen Guglia: Das Theresianum in Wien. Vergangenheit und Gegenwart. Schroll, Wien 1912, S. 206 (Textarchiv – Internet Archive).
  18. Alfred von Arneth: Geschichte Maria Theresiaʼs. Band 4: Maria Theresia nach dem Erbfolgekriege 1748–1756. Braumüller, 1870, S. 125 (Digitalisat).
  19. Eugen Guglia: Das Theresianum in Wien. Vergangenheit und Gegenwart. Schroll, Wien 1912, S. 22 (Textarchiv – Internet Archive).
  20. Hermann Schardinger: Die Rektoren (Superioren), Praefekten und Lehrer am Linzer Gymnasium unter den Jesuiten (1608–1773). In: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1955. Linz 1955, S. 135–197, hier S. 141 (ooegeschichte.at [PDF; 3,3 MB]).
  21. Eugen Guglia: Das Theresianum in Wien. Vergangenheit und Gegenwart. Schroll, Wien 1912, S. 187 (Textarchiv – Internet Archive).
  22. Ludwig Fladerer: Die Poetik des Andreas Friz und ihr Antikebezug auf gams.uni-graz.at
  23. Werner Telesko: Die Taufe Christi nach dem Johannesevangelium und die Programmatik des „Johannessaals“ der alten Wiener Universität. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik. 1, 2008, S. 33–47, hier S. 38 (online auf ingentaconnect.com; PDF; 445 kB).
  24. Hermann Zschokke: Die theologischen Studien und Anstalten der katholischen Kirche in Österreich. Braumüller, Wien 1894, S. 14 (Textarchiv – Internet Archive).
  25. Janez Juhant: Im Feuer der europäischen Ideenzüge: Slowenien. LIT, Wien u. a,2008, ISBN 978-3-03735-947-1, S. 70 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  26. Anton Wappler: Geschichte der Theologischen Facultät der k.k. Universität zu Wien. Festschrift zur Jubelfeier ihres fünfhundertjährigen Bestehens. Braumüller, Wien 1884, S. 189 und S. 214 (PDF; 27,8 MB).
  27. Karl Vocelka, Anita Traninger (Hrsg.): Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert) (= Peter Csendes, Ferdinand Opll (Hrsg.): Wien. Geschichte einer Stadt. Band 2). Böhlau, Wien 2001, ISBN 978-3-205-99267-7, S. 394 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  28. Debiel, Ludwig; Franz, Joseph im Archiv der Universität Wien
  29. Werner Telesko: Die Funktion des neuen Universitätsgebäudes. In: Julia Rüdiger, Dieter Schweizer (Hrsg.): Stätten des Wissens. Die Universität Wien entlang ihrer Bauten 1365–2015. Böhlau, Köln 2016, ISBN 978-3-205-79392-2, S. 69–86, hier S. 83 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  30. Anton Wappler: Geschichte der Theologischen Facultät der k.k. Universität zu Wien. Festschrift zur Jubelfeier ihres fünfhundertjährigen Bestehens. Braumüller, Wien 1884, S. 192–193 (online auf univie.ac.at; PDF; 27,8 MB).
  31. Josef Schrank: Die Prostitution in Wien in historischer, administrativer und hygienischer Beziehung. Band 1. Wien 1886, S. 191 (Textarchiv – Internet Archive).
  32. Johann Baptist Weis (Hrsg.): Der österreichische Volksfreund. Band 2. Wimmer, Wien 1830, S. 361–362 (Digitalisat).
  33. Anton von Geusau: Geschichte der Stiftungen, Erziehungs- und Unterrichtsanstalten in Wien, von den ältesten Zeiten bis auf gegenwärtiges Jahr. Wien 1803, S. 110 (Digitalisat).
  34. Wittola, Marcus Antonius. In: Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Band 57: Windisch-Grätz–Wolf. Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1889, S. 176 (online auf austria-forum.org). Reprint: Schmidt, Bad Feilnbach 2001, DNB 962335584.
  35. Titelblatt
  36. Joseph von Hormayr: Anemonen aus dem Tagebuche eines alten Pilgersmannes. Band 2. Frommann, Jena 1847, S. 139 (Digitalisat).
  37. Eintrag in der Universitätsbibliothek Heidelberg
  38. Biel, Ludwig de im CERL-Thesaurus
  39. Zum Beispiel in der Gemeinsamen Normdatei
  40. Mitteilung. In: Jahresbericht des 1. Staatsgymnasiums in Graz. Veröffentlicht am Schlusse des Studienjahres 1871. 1. Staatsgymnasium, Graz 1871, S. 76 (Digitalisat).
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