Lohkäse
Der Lohkäse (auch: Lohkuchen, Lohballen, Lohsteine[1]) war zu Ballen bzw. Kuchen (oder ähnlich einem Käselaib) geformte und getrocknete Gerberlohe,[2] um sie z. B. zur Feuerung zu gebrauchen.[3] Teilweise stand die Gerberlohe als auch der Lohkäse als Dünger (Lohdünger[4]) und in der Volksmedizin in Verwendung.[5]
Im mittelhessischen Landkreis Gießen ist der Begriff Lohkuchen auch für eine Speise bekannt, in Straßburg gibt es ein Restaurant Lohkäs (Lohkas).
Als Sprichwort bedeutet Schwätz koin Lohkäs (Schwäbische Mundart), dass jemand keinen Unsinn erzählen soll.
Lohkäse als Brennmaterial
Entstehung
Durch den Gerbvorgang wurden in den Gerbereien, die hauptsächlich Rinden oder Holz zur Gerbung verwenden, die Gerbstoffe aus der Lohe ausgelaugt und diese war für die Gerberei nicht weiter verwendbar. Die Lohe bestand in diesem Zustand weitgehend aus flexiblen Pflanzenfasern mit einem Wassergehalt von 60 bis etwa 80 %, wurde auf dem Lohplatz aufgeschüttet und bildete große Haufen. Die noch feuchte Gerberlohe wurde von Arbeitern, Gerber-Lehrlingen oder Hilfskräften (Lohkäse-Trippler[6]) in runde oder eckige Formen (Lohform[7]) gestampft und auf einem Gerüst (Lohkäse-Gerüst) getrocknet (bis zur Erreichung von etwa 35 bis 50 % Wassergehalt), wobei im 19. Jahrhundert auch mechanische Lohkuchen-Pressen gebaut wurden. Bei der Herstellung der Lohkäse durch Feststampfen konnten etwa 1000 bis 1200 Stück pro Tag erzeugt werden.[8][9] Maschinell konnten etwa 500 bis 600 Stück pro Stunde erzeugt werden.[10] Ein Kubikmeter trockene Gerberlohe aus Pflanzenfasern wiegt lose etwa 125 kg, in gepresster Form ungefähr 250 kg.
Anderer Grundstoffe
Auch andere Pflanzenfasern konnten für die Erzeugung von Lohkäse verwendet werden, z. B. solche aus dem Pressvorgang in Mostereien oder aus dem Weinbau bzw. der Branntweinerzeugung. Die Pflanzenfasern aus Mostereien wurden z. B. mit Sägemehl vermischt, zusammengepresst und getrocknet.[11] Im Weinbau wurde der Trester, feste Rückstände, die nach dem Auspressen des Saftes der Pflanzenbestandteile übrig bleiben, verwendet (auch als Trestern-Käse bezeichnet).[12][13]
Verwendung und Abbrand
Lohkäse als Brennmaterial war im Hinblick auf den Aufwand und die Kosten der Herstellung und im Vergleich zu fossile Brennstoffen weitgehend unrentabel, jedoch mussten die Lohe-Halden bei den Gerbereien auf eine Art und Weise abgebaut werden. Lohkäse war dementsprechend ein Brennmaterial für Arme[14] und die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Verbrennung desselben bekannt.[15] Mehrfach wurde auch versucht, die großen Öfen der Gerbereien für die Verwendung der Lohkäse umzubauen, durchwegs wegen des hohen Wasseranteils technisch erfolglos bzw. ökonomisch nicht tragbar.[16]
Luftgetrocknete Gerberlohe aus Pflanzenfasern hat durch den Trocknungsvorgang auch einen erheblichen Teil an leicht flüchtigen, brennbaren Stoffen verloren. Der Wassergehalt betrug nach der Lufttrocknung immer noch mehr als 35 %, meist um die 50 %.
Aufgrund des geringen Brennwertes der Lohkäse[17], der etwas über dem Torf lag[18], verbrannten diese unter Bildung einer eigenen Form der Flamme. Lohfeuer war, wenn der Wassergehalt niedrig war, ein starkes Feuer, ein flammendes Feuer.[19] Es wird auch unter der Lohe die äußere, mit heißem Rauche vermischte Spitze der Flamme verstanden.[20] (das Wort lodern soll von Lohe abstammen[21]).
Der Lohkuchen bzw. Lohkäse wurde auch vom Fleischer zum Räuchern verwendet[22] und im Weinbau zur Vermeidung von Frostschäden durch Vernebeln/Räuchern (siehe: Frostschäden (Weinbau)).[23]
Literatur
- Walter Kremp: Der Lohkäse, in Heimatbuch des Landkreises St. Wendel: ein Volksbuch für Heimatkunde, Naturschutz und Denkmalpflege, St. Wendel 1977/1978, Edition Schaumberg, Bd. 17, S. 151–154.
- Jean Claude Eugêne Péclet: Péclets vollständiges Handbuch über die Wärme und ihre Anwendung in den Künsten und Gewerben für Physiker, Berg-, Hütten-, Fabriken- und Bau-Ingenieure, Mechaniker, Fabrikanten, Landwirthe etc, Hg: Carl Hartmann, übersetzt nach der 3. Auflage 1862.
- August Wagner, Johannes Paessler: Handbuch für die gesamte Gerberei und Lederindustrie, Leipzig 1925–1937, Deutscher Verlag.
Siehe auch
- Gerberlohe
- Lohe (Seefahrt) zur Verwendung von Lohe bei der Haltbarmachung von Segeln und Fischernetzen.
Einzelnachweise
- Johann Georg Krünitz: Ökonomisch-technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft, Band 80, Berlin 1807, 2. Auflage, S. 200 ff (google books).
- Unter Lohe wird nach Johann Christoph Adelung in Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Wien 1811, die abgeschälte und zu Pulver gestampfte Rinde der Eichen, Erlen, Birken und Fichten, wie sie von den Gerbern zur Zubereitung des Leders gebraucht wurde, verstanden (auch Gerberlohe bzw. Gärberlohe).
- Johann Christoph Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Wien 1811, Suchwort: Lohballen (Lohrkäse).
- Johann Georg Krünitz: Ökonomisch-technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft, Band 80, Berlin 1807, 2. Auflage, S. 201 ff (google books).
- Landwirthschaft eines gewanderten Bauren oder ökonomisch-praktische Bemerkungen über eine bessere, allgemein anwendbare Baum-, Weinreben- und Gartenkultur nach vielfältiger Erfahrung von einem Geistlichen im Elsaß, 1795, S. 71 (google.books).
- G. Braun: Mein Heimatland, 1935, Band 22, S. 268 (google books)
- Johann Georg Krünitz: Ökonomisch-technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft, Band 80, Berlin 1807, 2. Auflage, S. 208 (google books).
- Gerber-Curier vom 1. Februar 1873, No. 5, 14. Jahrgang, S. 1 (google books).
- Der praktische Techniker der Neuzeit auf allen Gebieten, Monatsschrift für Industrielle jeder Berufsart, S. 209 f (google books).
- Friedrich Georg Wiek‘s Deutsche Illustrierte Gewerbezeitung, Berlin 1869, 34. Jahrgang, S. 270 (google books).
- Werner Matt: Dornbirner Gemeindeblatt vom 20. Juli 2018, Stadtarchiv, S. 18. In diesem Beitrag wird der Lohkäse als Lohrkäse bezeichnet.
- Unterhaltungen aus der Naturgeschichte von Gottlieb Tobias Wilhelm, Wien 1871, S. 419 (google books).
- Centralstelle des Landwirthschaftlichen Vereins zu Stuttgart: Wochenblatt für Land- und Hauswirthschaft, Gewerbe und Handel, Band 3, Stuttgart 1836, S. 164 (google books).
- Johann Carl Franz Eisfeld: Allerneueste Mannigfaltigkeiten: eine gemeinnützige Wochenschrift, Band 1, Berlin 1782, S. 544 (google books).
- Nikolaus Joseph von Jacquin: Des Herrn Abt Jacquins Abhandlung von der Gesundheit, S. 52 (google books).
- Wagner/Paessler in Handbuch für die gesamte Gerberei und Lederindustrie.
- Heizwert durchschnittlich etwa 30.000 bis 70.000 kWh, je nach Trocknungsgrad. Siehe auch: Wagner/Paessler in Handbuch für die gesamte Gerberei und Lederindustrie.
- Margaretha Kranich, Mechtild Maier: Die wohlberathene Hausfrau in Stadt und Land, Lindau 1864, Stettner Verlag, S. 427 (google books).
- Johann Georg Krünitz: Ökonomisch-technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft, Band 80, Berlin 1807, 2. Auflage, S. 208 (google books).
- Johann Christoph Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Wien 1811, Suchwort: Lohe
- Johann Georg Krünitz: Ökonomisch-technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft, Band 80, Berlin 1807, 2. Auflage, S. 207 (google books).
- Anton Hegele: Göppinger Geschichten: von Menschen, Ereignissen und Bauwerken, Göppingen 2005, Stadt Göppingen, S. 211 (google.books).
- Johann Georg Krünitz: Ökonomisch-technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft, Band 80, Berlin 1807, 2. Auflage, S. 208 (google books).