Lobelien
Die Lobelien (Lobelia) sind eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Glockenblumengewächse (Campanulaceae). Die etwa 440 Arten sind weltweit meist in tropischen oder subtropischen Gebieten verbreitet. Die Sorten mancher Arten sind Zierpflanzen für Parks und Gärten, manche als einjährige Sommerblumen kultiviert.[1]
Lobelien | ||||||||||||
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Männertreu (Lobelia erinus), Blaue Sorte | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Lobelia | ||||||||||||
L. |
Beschreibung
Erscheinungsbild und Wurzeln
Der Habitus der Lobelia-Arten ist sehr unterschiedlich.[2] Lobelia-Arten sind selten ein-, zwei- bis öfter mehrjährige (monokarpische) oder oft ausdauernde (polykarpische) krautige Pflanzen, die manchmal an ihrer Basis verholzen, einige Arten wachsen als Sträucher.[3][4][2] Einige Arten sind „Schopfbäume“ in Hochgebirgsregionen in Afrika, sie gehören zur Sektion Tupa; bei ihnen verholzt der Stamm. Die Sprossachsen sind selbstständig aufrecht, aufsteigend, liegend bis niederliegend und meist nur wenig verzweigt.[3][2] Der Durchmesser der zierlichen bis robusten Sprossachsen ist je nach Art sehr unterschiedlich von nicht mehr als 5 Millimetern bis mehrere Dezimetern.[2] Die Wuchshöhe ist je nach Art sehr unterschiedlich von etwa 2 Zentimetern bis zu 9 Metern.[2]
Manche Arten bilden Rhizome oder Ausläufer. Es wird oft eine deutliche Hauptwurzel gebildet, die als Pfahlwurzel oder auch knollig sein kann; manchmal sind nur adventive Faserwurzeln ausgebildet.[2]
Meist sind die oberirdischen Pflanzenteile kahl, Ausnahme sind beispielsweise die „Schopfbaum“-Arten. Die Pflanzen führen einen giftigen, klaren oder weißen, selten auch anders farbigen Milchsaft.[2]
Blätter
Die meist wechselständig an der Sprossachse in zwei Reihen oder spiralig verteilt angeordneten Laubblätter sind ungestielt oder gestielt.[4][2] Die Blattspreiten sind einfach. Die Blattränder sind oft unterschiedlich gezähnt, selten glatt oder gelappt.[3] Es liegt meist Fiedernervatur vor.[2] Nebenblätter fehlen.[2]
Blütenstände und Blüten
Die gestielten Blüten stehen einzeln in den Blattachseln oder in endständigen, traubigen, ährigen, doldigen oder zymösen Blütenständen.[4][2] Es sind meist laubblattähnliche bis reduzierte Trag- oder Deckblättern vorhanden.[3][4] Die Blütenstiele besitzen oft ein Paar mehr oder weniger gegenständiger Deckblätter typischerweise in den unteren zwei Drittel.[2] Die Stellung der Blüte kommt zustande durch Resupination des Hypanthiums.
Die Blüten sind meist zygomorph und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle.
Die Knospendeckung der Kelchblätter ist valvat.[2] Die Kelchblätter sind röhrig verwachsen. Die Kelchröhre ist mit dem Fruchtknoten verwachsen und bildet einen Blütenbecher (Hypanthium).[2] Die Blütenkelche sind meist radiärsymmetrisch, selten zygomorph.[2] Die meist fünf, sehr selten nur vier haltbaren Kelchzipfel sind dreieckig und weisen ein glatten oder gesägten Rand auf.[4][2] Der selten ist in den Kelchbuchten öhrchenartige Anhängsel vorhanden.[2]
Die fünf bei einigen Arten mehr oder weniger gleichen bis bei vielen Arten deutlich verschiedenen Blütenkronblätter sind meist auf mindestens der Hälfte ihre Länge röhrig verwachsen. Die Kronröhre ist gerade bis gebogen.[2] Die Blütenkrone ist meist zygomorph, selten fast radiärsymmetrisch.[2] Wenn die Kronblätter verschieden sind, dann ist die Blütenkrone, die auf der Oberseite bis fast zur Basis gespaltene Kronröhre endet zweilippig mit ausgebreiteten Kronlappen. Die Oberlippe besteht aus zwei oft schmalen und aufrechten bis zurückgebogenen Kronlappen, die meist deutlich kürzer sind als die der Unterlippe. Die Unterlippe besteht aus drei ausgebreiteten Kronlappen. Die Farben der Kronblätter sind oft unterschiedliche Blau- und Purpurfarben, oft mit Tönungen in malven- oder rosafarben, seltener rosafarben bis rot, orangefarben bis gelb, grün oder weiß; oft besitzen die Kronblätter auch mehrere Farben.[2] Selten ist ein mehr oder weniger langer, schlanker Nektarsporn vorhanden.[4][2]
Meist sind die Blüten zwittrig; wenn die Blüten eingeschlechtig sind, dann sind die Arten zweihäusig getrenntgeschlechtig (diözisch).[2]
Es ist nur ein Kreis mit fünf Staubblättern vorhanden, sie sind mit der Basis der Kronblätter verwachsen. Die Staubfäden sind auf mindestens der Hälfte ihrer Länge verwachsen;[2] sie können aber bei manchen Arten im Blühverlauf (Anthese) sich auseinander spalten. Die Staubbeutel sind zu einer Röhre verwachsen, die den Griffel umgibt. Die Staubblattröhre ist oft behaart. Die Staubbeutel sind an ihren oberen Ende oft bärtig mit einem Schöpfen aus kurzen, meist fadenförmigen Haaren.[2] Die oberen drei Staubbeutel sind etwas länger und können manchmal unbehaart sein.[2]
Zwei Fruchtblätter sind zu einem unterständigen oder halbunterständigen, zweikammerigen Fruchtknoten verwachsen.[2] Zentralwinkelständig sind viele relativ kleine, anatrope, unitegmische, tenuinucellate Samenanlagen vorhanden.[4][2] Der schlanke, stielrunde Griffel endet in einer zweilappigen Narbe.[3][2]
Früchte und Samen
Die Früchte sind meist fachspaltige (= lokulizide) Kapselfrüchte, die sich mit zwei Fruchtklappen öffnen[3] oder seltener fleischige bis trockene Beeren;[2] sie enthalten viele Samen.
Die glatten, feingrubigen, gerillten oder warzigen Samen sind längliche oder dreikantig; manchmal sind sie geflügelt.[4] Die Samenschale (Testa) ist sehr unterschiedlich.[2]
Chromosomensätze
Als Chromosomenzahl wird x = 7 angenommen. Es gibt viele Ploidiegrade, es kommt Diploidie mit 2n = 14, Tetraploidie mit 2n = 28, Hexaploidie mit 2n = 42, Octoploidie mit 2n = 56, Decaploidie mit 2n = 70, Endecaploidie mit 2n = 77, Dodecaploidie mit 2n = 84, Tridecaploidie mit 2n = 91 und Icosaploidie mit 2n = 140 vor. Weitere Chromosomenzahlen betragen 2n = 12, 16, 18, 20, 22, 24, 26, 38, 56, 70, 77, 84 oder 91; wie diese zustande kommen wird kontrovers diskutiert und ist nicht gesichert bekannt.[2]
Ökologie
Die meisten Arten wachsen terrestrisch, aber wenige sind Epiphyten, fakultative oder obligate Hydrophyten; manche Arten sind Geophyten. Es gibt Therophyten, Hemicryptophyten Chamaephyten, Nanophanerophyten bis Phanerophyten.[2]
Die Blüten sind proterandrisch. Es liegt sekundäre Pollenpräsentation vor. Im Verlauf der Anthese wächst der Griffel durch die Staubbeutelröhre und streift den Pollen ab.[2]
Die meisten Arten besitzen sehr auffällig gefärbte Blüten. Viele der in den Anden beheimateten Arten werden durch Vögel (Kolibris) bestäubt, andere von verschiedenen Insekten (Bienen und Schmetterlingen). Es gibt viele Anpassungen der Blütenstände, Blütenstiele und Blüten um Bestäubungen durch vielfältige Tiere, also durch Zoophilie Chasmogamie zu begünstigen.[2]
Inhaltsstoffe
Lobelien enthalten verschiedene Alkaloide (Lobelia-Alkaloide), besonders Lobelin. Alle Lobelien-Arten sind giftig.
Nutzung
Die Sorten mancher Arten sind Zierpflanzen für Parks und Gärten, manche als einjährige Sommerblumen kultiviert.[1] Männertreu (Lobelia erinus) wird als Beet- und Balkonpflanze verwendet[1] Wenige Arten werden in Paludarien und Aquarien[5] verwendet.
Es werden heilende Wirkungen berichtet. Von Lobelia coronopifolia und Lobelia flaccida wurde eine heilende Wirkung berichtet. Lobelia pinifolia wird als Heilpflanze gegen Hautkrankheiten eingesetzt. Indianertabak (Lobelia inflata) wurde geraucht gegen Asthma sowie zur Tabak-Entwöhnung, ist durch den hohen Alkaloidanteil dieser Art bei Überdosierung aber tödlich giftig. Blaue Kardinals-Lobelie (Lobelia siphilitica) wurde früher bei der Heilung von Syphilis eingesetzt.
Systematik, botanische Geschichte und Verbreitung
Taxonomie
Der Name Lobelia wurde schon von Charles Plumier 1703 in Nova Plantarum Americanarum Genera, J. Boudot, Paris verwendet.[2]
Die Gattung Lobelia wurde durch Carl von Linné 1753 in Species Plantarum, Laurentius Salvius, Stockholm und 1754 in Genera Plantarum, Laurentius Salvius, Stockholm gültig aufgestellt.[6][7] Der Gattungsname Lobelia ehrt den flämischen Botaniker und Arzt Matthias de L’Obel (Lobelius) (1538 bis 1616).[8] Die akzeptierte Lectypusart Lobelia cardinalis L. wurde 1929 durch Charles Leo Hitchcock und Mary Letitia Green in Nomenclature, Proposals by British Botanists, 184 festgelegt.[7][2]
Synonyme für die Lobelia L. sind: Calcaratolobelia Wilbur, Cardinalis Fabr., Chamula Noronha, Colensoa Hook. f., Dortmanna Hill, Dortmannia Kuntze orth. var., Enchysia C.Presl, Euhaynaldia Borbás, Galeatella (E.Wimm.) O.Deg. & I.Deg., Haynaldia Kanitz nom. illeg., Holostigma G.Don, Holostigmateia Rchb. nom. superfl., Hypsela C.Presl, Isolobus A.DC., Laurentia Michx. ex Adans., Mecoschistum Dulac nom. superfl., Neowimmeria O.Deg. & I.Deg., Piddingtonia A.DC., Pratia Gaudich., Rapuntium Mill., Rhynchopetalum Fresen., Speirema Hook. f. & Thomson, Trimeris C.Presl, Tupa G.Don, Tylomium C.Presl.[9][2]
Äußere Systematik
Lobelia ist die artenreichste Gattung der Unterfamilie Lobelioideae Burnett innerhalb der Familie Campanulaceae.[2][10]
Innere Systematik und Verbreitung
Die Gattung Lobelia ist weltweit verbreitet. Die Heimatgebiete der meisten Arten sind tropisch oder subtropisch. Ein Schwerpunkt der Artenvielfalt der Gattung liegt in der Neotropis. Diversitätszentren sind der Afrikanische Kontinent und Mexiko. Etwa 69 Arten sind in Südafrika heimisch.[11] In China kommen mehr als 23 Arten vor, mindestens sechs davon nur dort.[4] In Madagaskar kommen etwa 14 Arten vor, etwa neun davon nur dort.[12]
Die 2011 etwa 415 Arten wurde durch Lammers 2011 in 18 Sektionen gegliedert (in Klammern jeweils die Anzahl der enthaltenen Arten):[2]
- Lobelia sect. Colensoa (Hook. f.) J.Murata (1 Art)[2]
- Lobelia sect. Cryptostemon (E.Wimm.) J.Murata (10 Arten)[2]
- Lobelia sect. Delostemon (E.Wimm.) J.Murata (44 Arten)[2]
- Lobelia sect. Galeatella E.Wimm. (5 Arten)[2]
- Lobelia sect. Holopogon Benth. (14 Arten)[2]
- Lobelia sect. Homochilus A.DC. (5 Arten)[2]
- Lobelia sect. Hypsela (C.Presl) Lammers (43 Arten)[2]
- Lobelia sect. Jasionopsis Lammers: Sie wurde 2011 neu aufgestellt (1 Art)[2]
- Lobelia sect. Lobelia (22 Arten)[2]
- Lobelia sect. Mezleriopsis Lammers: Sie wurde 2011 neu aufgestellt (7 Arten)[2]
- Lobelia sect. Plagiobotrys Lammers (1 Art)[2]
- Lobelia sect. Rhynchopetalum (Fresen.) Benth. (61 Arten)[2]
- Lobelia sect. Revolutella E.Wimm. (9 Arten)[2]
- Lobelia sect. Speirema (Hook. f. & Thomson) Lammers (5 Arten)[2]
- Lobelia sect. Stenotium (C.Presl) Lammers (144 Arten)[2]
- Lobelia sect. Trimeris (C.Presl) A.DC. (1 Art)[2]
- Lobelia sect. Tupa (G.Don) Benth. (4 Arten)[2]
- Lobelia sect. Tylomium (C.Presl) Benth. (38 Arten)[2]
Lobelia acrochila (E.Wimm.) E.B.Knox (Syn.: Lobelia rhynchopetalum var. acrochila E.Wimm.): Sie hat seit 1993 den Rang einer Art und kommt nur in Äthiopien vor.[9]
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Quellen
- B. Wiecek: Datenblatt in der New South Wales Flora Online. (Abschnitt Beschreibung)
- Kurze Beschreibung der Gattung und weniger ausgewählter Arten bei plantzafrica/Kirstenbosch PlantzAfrica. (englisch)
Weiterführende Literatur
Weblinks
- Einträge zu Lobelia bei Plants For A Future
- Lobelia bei Tropicos.org. In: Vascular Plants of the Americas. Missouri Botanical Garden, St. Louis
- Lobelia bei Tropicos.org. In: Flora of Panama (WFO). Missouri Botanical Garden, St. Louis
- Lobelia bei Tropicos.org. In: Flora of Missouri. Missouri Botanical Garden, St. Louis
- Lobelia bei Tropicos.org. In: IPCN Chromosome Reports. Missouri Botanical Garden, St. Louis
- Lobelia bei Tropicos.org. In: Flora de Nicaragua. Missouri Botanical Garden, St. Louis
- Zur Systematik auf APWebsite.
- Lobelia in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2017.3. Abgerufen am 2018-02-13.
- Lobelia. In: S. Dressler, M. Schmidt, G. Zizka (Hrsg.): African plants – A Photo Guide. Senckenberg, Frankfurt/Main 2014.
Einzelnachweise
- Gordon Cheers (Hrsg.): Botanica. Das ABC der Pflanzen. 10.000 Arten in Text und Bild. Könemann Verlagsgesellschaft, 2003, ISBN 3-8331-1600-5, S. 536–538.
- Thomas G. Lammers: Revision of the Infrageneric Classification of Lobelia L. (Campanulaceae: Lobelioideae). In: Annals of the Missouri Botanical Garden, Volume 98, Issue 1, 2011, S. 37–62. doi:10.3417/2007150
- B. Wiecek: Datenblatt in der New South Wales Flora Online.
- Deyuan Hong, Thomas G. Lammers: In: Flora of China Editorial Committee: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 19, Cucurbitaceae through Valerianaceae, with Annonaceae and Berberidaceae. Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis, 2011, ISBN 978-1-935641-04-9. Lobelia Linnaeus. S. 554–557 – textgleich online wie gedrucktes Werk.
- Christel Kasselmann: Aquarienpflanzen. Ulmer Verlag, Stuttgart 1995; 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 1999, ISBN 3-8001-7454-5, S. 342 f.
- Linné 1753: eingescannt bei biodiversitylibrary.org.
- Lobelia bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis, abgerufen am 10. Februar 2018.
- Lotte Burkhardt: Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen. Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin, Berlin 2016. ISBN 978-3-946292-10-4. doi:10.3372/epolist2016
- Lobelia. In: POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science, abgerufen am 13. April 2020..
- Lobelia im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 13. Februar 2018.
- Artenliste zu Lobelia in der Red List of South African Plants
- Lobelia bei Tropicos.org. In: Catalogue of the Vascular Plants of Madagascar. Missouri Botanical Garden, St. Louis
- Datenblatt Lobelia bei POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science.