Lierne (Architektur)
Eine Lierne bezeichnet eine kurze Nebenrippe des Kreuzgewölbes,[1] welche die Eckpunkte des Gewölbejochs, d. h. die Gewölbekämpfer nicht berührt.
Liernen im Gewölbebau
Die aus dem französischen lierne (vmtl. aus lier, für ‚binden‘)[2] entlehnte Lierne kann den Scheitelpunkt des Gewölbes, den Gewölbeschlussstein berühren, was häufig an spätgotischen Sterngewölben zu sehen ist und auch Eugène Viollet-le-Duc (1814–1879) in seinem Dictionnaire raisonné ausgefürht wurde.[3] Eine Lierne kann auch nur die von den Gewölbekämpfern ausgehenden Gewölberippen miteinander verbinden, ohne auf den zentralen Punkt des Gewölbejochs zu treffen. Solche Nebenrippen befinden sich vielfach an Netz- und Fächergewölben, charakteristisch insbesondere für die englische Gotik.[4]
Die Liernen unterscheiden sich von den im Französischen und Englischen tiercerons genannten Nebenrippen, indem sie nicht vom Gewölbekämpfer aus verlaufen.
- Gewölbe mit Liernen im Kirchenschiff der Kathedrale von Chester
- Der östliche Teil der Kathedrale von Gloucester mit rechtwinkligem Liernen-Gewölbe
Liernen in Bohlendächern
Der französische Hofarchitekt Philibert de l’Orme bezeichnete im 16. Jahrhundert die Längsverbinder-Riegel der von ihm erfundenen Bohlendächer als Liernen (frz. liernes).[5][6]
Literatur
- Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 31. Januar 2024), S. 312 f.
Einzelnachweise
- Definition von „Lierne“. In: Duden online. Abgerufen am 23. Dezember 2014.
- Définition de « lierne ». In: Centre National de Ressources Textuelles et Lexicales. Abgerufen am 23. Dezember 2016 (französisch).
- Eugène Viollet-le-Duc: Dictionnaire raisonné de l’architecture française du XIe au XVIe siècle, B. Bance et A. Morel, Paris 1863, Bd. 6, S. 177.
- Francis Bond: Gothic Architecture in England, Batsford, London 1905, S. 340ff.
- Prinzip des Dachstuhls „à la Philibert Delorme“, am Beispiel des im Original erhaltenen Dachstuhls des Château de Bonnemare (1570) in Fleury-sur-Andelle (Département Eure); im Internet Archive. – Mit Fotos und Zeichnungen de l'Ormes.
- Eckart Rüsch: Baukonstruktion zwischen Innovation und Scheitern. Verona, Langhans, Gilly und die Bohlendächer um 1800. Michael Imhof Verlag, Petersberg 1997, ISBN 3-932526-00-7, S. 11.