Liane Berkowitz
Liane Berkowitz (Vorname auch Lanka;[1] * 7. August 1923 in Berlin; † 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee) war eine deutsche Widerstandskämpferin der Roten Kapelle.
Leben
Liane Berkowitz war die Tochter des Konzertmeisters und Dirigenten Wiktor Wassiljew und dessen Ehefrau, der Gesangslehrerin Katharina Jewsejenko.[2] Die Familie floh 1923 aus der Sowjetunion nach Berlin. Schon bald nach dem Tod des Ehemanns heiratete die Mutter Henry Berkowitz, der Liane sofort adoptierte. Berkowitz sorgte dafür, dass sie sich ab 1941 am Privatgymnasium Heilsche Abendschule auf das Abitur vorbereiten konnte.
Dort schloss sie sich dem Freundeskreis um ihre Mitschülerin Eva Rittmeister und deren Ehemann John Rittmeister an, dem auch Ursula Goetze, Otto Gollnow, Fritz Thiel und Friedrich Rehmer angehörten. Unter Anleitung von John Rittmeister entwickelte sich der Freundeskreis zu einem Zirkel von Hitlergegnern, der später mit Harro Schulze-Boysen in der Widerstandsgruppe Rote Kapelle gegen das Nazi-Regime zusammenarbeitete. Sie verlobte sich mit Friedrich Rehmer und war bei ihrer Verhaftung von ihm schwanger.
Zusammen mit Otto Gollnow – ihr Verlobter war verwundet im Lazarett – klebte Berkowitz am Abend des 17. Mai 1942 ungefähr 100 Klebezettel zwischen Kurfürstendamm und Uhlandstraße. Auf den Zetteln stand:
- „Ständige Ausstellung – Das Naziparadies – Krieg – Hunger – Lüge – Gestapo – Wie lange noch?“
Damit wollten sie gegen die Ausstellung Das Sowjet-Paradies der Reichspropagandaleitung der NSDAP protestieren.[4] Außerdem wollten sie zeigen, dass der antifaschistische Widerstand in Deutschland noch immer aktiv war. Nicht sicher ist, ob bei dieser Aktion Berkowitz und Gollnow unauffällig von Harro Schulze-Boysen begleitet und beschützt wurden.
Im Rahmen der Zerschlagung der Gruppe wurde Liane Berkowitz am 26. September 1942 verhaftet und angeklagt.[5] Friedrich Rehmer, der im Lazarett Britz eine schwere Kriegsverletzung von der Ostfront auskurieren sollte, wurde am 29. November 1942 aus dem Krankensaal heraus verhaftet. Der Zweite Senat des Reichskriegsgerichts verurteilte am 18. Januar 1943 Berkowitz und Rehmer zusammen mit weiteren an der Klebeaktion beteiligten Freunden „wegen Beihilfe zur Vorbereitung des Hochverrats und zur Feindbegünstigung“ zum Tode.[6]
Als das Reichskriegsgericht bei der Urteilsüberprüfung gegenüber Adolf Hitler die Empfehlung aussprach, die schwangere Liane Berkowitz aus der Haft zu entlassen, lehnte dieser ausdrücklich ab.[7] Das Todesurteil ließ er durch Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel bestätigen und gegenzeichnen.
Im Frauengefängnis Barnimstraße brachte Liane Berkowitz am 12. April 1943 ihre Tochter Irina (Irka) zur Welt, die ab Juli 1943 von der Großmutter betreut wurde.[8]
Liane Berkowitz wurde am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil geköpft;[9] Friedrich Rehmer bereits am 13. Mai 1943.[10]
Die Tochter Irina starb am 16. Oktober 1943 im Krankenhaus Eberswalde unter ungeklärten Umständen. Wahrscheinlich wurde sie Opfer einer NS-Krankenmordaktion, möglicherweise starb sie auch wegen der Unterernährung von Liane Berkowitz während der Schwangerschaft.[11]
Liane Berkowitz gehörte der katholischen Kirche an.[12] Ihre Briefe aus der Todeszelle sind von einem tiefen Glauben geprägt. Der katholische Gefängnisgeistliche Peter Buchholz ermöglichte ihr am Todestag den Empfang der Kommunion.
Anlässlich ihres 100. Geburtstages und ihres 80. Todestages wurde vom 29. Juni bis 8. Juli 2023 eine Gedenkwoche im Ökumenischen Gedenkzentrum Plötzensee unter dem Titel 10 Tage für Lanka und Remus veranstaltet.[13]
Ehrungen
- Im Hof der Berliner Humboldt-Universität im Ortsteil Mitte (Unter den Linden 6) gibt es einen Gedenkstein.[14]
- Liane Berkowitz wohnte in Berlin-Schöneberg, Viktoria-Luise-Platz 1, wo eine Gedenktafel an sie erinnert.
- Am 18. Januar 2000 wurde der Liane-Berkowitz-Platz eingeweiht, der im Berliner Ortsteil Friedenau zwischen Südwestkorso, Wilhelmshöher und Rheingaustraße liegt.
Literatur
- Claudia von Gélieu: Frauen in Haft. Gefängnis Barnimstrasse. Eine Justizgeschichte (EP 530). Elefanten-Press, Berlin 1994, ISBN 3-88520-530-0, (Nachdruck: Espresso-Verlag: ISBN 3-88520-530-0).
- Regina Griebel, Marlies Coburger, Heinrich Scheel: Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten Kapelle. Eine Foto-Dokumentation. Audioscop, Halle 1992, ISBN 3-88384-044-0.
- Gert Rosiejka: Die Rote Kapelle. ‚Landesverrat‘ als antifaschistischer Widerstand. Mit einer Einführung von Heinrich Scheel. Ergebnisse-Verlag, Hamburg 1986, ISBN 3-925622-16-0, (Ergebnisse 33).
- Kurt Schilde (Hrsg.): Eva-Maria Buch und die ‚Rote Kapelle‘. Erinnerung an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Eine Schrift der Bruno-und-Else-Voigt-Stiftung. Overall, Berlin 1992, ISBN 3-925961-06-2, (In diesem Band sind die Gefängnisbriefe und Kassiber von Liane Berkowitz abgedruckt).
- Vera Lourié: Briefe an Dich. Erinnerungen an das russische Berlin. Hrsg. von Doris Liebermann, Schöffling Verlag Frankfurt/Main 2014.
- Johannes Tuchel: „… wenn man bedenkt, wie jung wir sind, so kann man nicht an den Tod glauben.“ Liane Berkowitz, Friedrich Rehmer und die Widerstandsaktionen der Berliner Roten Kapelle 1941/42. Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte, Berlin 2022, ISBN 978-3-86732-302-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- Mutige Taten in Erinnerung gerufen. In: Märkische Oderzeitung. 19. November 2014, archiviert vom .
- Zettel kleben. In: Was konnten sie tun? Gedenkstätte Deutscher Widerstand, abgerufen am 7. August 2023.
- Hella Kemper: Worte als Widerstand: Klebezettel gegen die NS-Propaganda. In: zeit.de. 7. Februar 2012, abgerufen am 15. November 2019.
- Darius Ossami: NS-Widerstand der „Roten Kapelle“: Hingerichtet in Plötzensee. In: Die Tageszeitung: taz. 1. August 2023, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 7. August 2023]).
- Otto Langels: Vor 100 Jahren geboren: Die Widerstandskämpferin Liane Berkowitz. In: deutschlandfunk.de. 7. August 2023, abgerufen am 7. August 2023.
- Maritta Adam-Tkalec: Im Osten benutzt, im Westen gehasst: Die wahre Geschichte der Roten Kapelle. In: berliner-zeitung.de. 28. August 2022, abgerufen am 7. August 2023.
- Sigrid Kneist: Erinnerung an Liane Berkowitz: „Heute, wenn es dunkel geworden sein wird, lebt Deine Lanka nicht mehr“. In: Der Tagesspiegel. 2. August 2023, abgerufen am 7. August 2023.
- Gunnar Lammert-Türk: Gedenken an NS-Widerstand von Liane Berkowitz und Friedrich Rehmer. In: evangelische-zeitung.de. 6. Juli 2023, abgerufen am 7. August 2023.
- Darius Ossami: NS-Widerstand der „Roten Kapelle“: Hingerichtet in Plötzensee. In: Die Tageszeitung: taz. 1. August 2023, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 7. August 2023]).
- Nils Michaelis: Hingerichtet mit 21 Jahren: Stolperstein erinnert an Friedrich Rehmer. In: berliner-abendblatt.de. 12. September 2022, abgerufen am 7. August 2023.
- Johannes Tuchel: Widerstand: Weihnachten müsst Ihr richtig feiern. In: zeit.de. Zeit Online, 24. November 2009, abgerufen am 7. August 2023.
- Sterberegister StA Charlottenburg von Berlin, Nr. 3891/1943.
- Brühl: Jung, engagiert, zum Tode verurteilt: Erinnerung zum 80. Todestag von Liane Berkowitz und Friedrich Rehmer. In: Berlin.de. 19. Juni 2023, abgerufen am 7. August 2023.
- Denkmale an der Humboldt-Universität (Memento vom 7. August 2008 im Internet Archive)