Les deux amis (Beaumarchais)

Les deux amis ou Le négociant de Lyon (Die beiden Freunde oder Der Kaufmann von L.) ist ein Drama in fünf Akten in Prosa von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais (1732–1799).

Daten
Originaltitel: Les deux amis
Gattung: Drama
Originalsprache: Französisch
Autor: Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais
Uraufführung: 13. Januar 1770
Ort der Uraufführung: Comédie-Française
Ort und Zeit der Handlung: Lyon[1], 18. Jahrhundert
Personen
Émile Bayard: Mélac (1876).
Seidenstoff, Lyon (ca. 1770).

Anders als in dessen erstem Stück Eugénie sind die Hauptpersonen dem Dritten Stand zuzurechnen, auch wenn sich Aurelly wie Beaumarchais den Adel erkauft hat[9] und der ehemalige Kadett Mélac dem armen Landadel entstammt[10]. Sie bewegen sich in einer Welt, die der Autor als Schützling und Juniorpartner des Financiers Joseph Pâris-Duverney (1684–1770) selber kannte.[11]

In der „poetischen Verherrlichung des Kaufmannsstandes[12] vorangegangen war ihm Sedaine mit der 1765 entstandenen Komödie Le philosophe sans le savoir (Der Philosoph ohne es zu wissen).

Handlung

Stolz verweist Aurelly auf die staatstragende Funktion des Unternehmers:

„(…) ich lasse in Lyon täglich zweihundert Webstühle schlagen. Dreimal so viele Arme sind zur Appretur meiner Seide erforderlich. Meine Pflanzungen von Maulbeeren und meine Seidenraupen beschäftigen ebenso viele. Meine Lieferungen werden an alle Händler des Königreichs verteilt, all das lebt, all das verdient, und da die Industrie den Wert des Ausgangsmaterials verhundertfacht, gibt es, bei mir angefangen, keines dieser Geschöpfe, das dem Staat nicht willig einen Tribut entrichten würde, der dem Lohn seiner Bemühungen entspricht. (…) Und all das Gold, das der Krieg kostet, meine Herren, wer bringt es im Frieden wieder ein?“[13]

Im Spiel sind beim damaligen Geldwert riesige Summen: Aurelly hat seinen Pariser Bankier Préfort beauftragt, Wertpapiere im Wert von 800 000 Livres[14] zu verkaufen. Er weiß noch nicht, dass Préfort gestorben ist und dessen Nachlass versiegelt wurde. Aurellys Kassier Dabins aber erfährt dies durch einen Kurier, der zwölf Stunden vor der Post in Lyon eintrifft. Aurelly müsste am folgenden Tag Zahlungen in der Höhe von 600 000 Livres vornehmen. Dabins bringt es nicht über sich, seinen Herrn von der drohenden Insolvenz zu unterrichten, und berät sich mit Mélac, der ihn erzogen hat.

Mélac verdankt Aurelly sein Amt als Steuereinnehmer. Um die Ehre des Freundes zu retten, leiht er Dabins neben 100 000 Francs, die zur Ausstattung seines Sohnes bestimmt waren, eine halbe Million aus der ihm anvertrauten Steuerkasse. Aurelly soll davon nichts erfahren. Mélac will nach Paris fahren, um Aurellys Wertpapiere freizubekommen und zu verkaufen. Da trifft Steuerpächter Saint-Alban ein, der ein Auge auf Aurellys Nichte Pauline[15] geworfen hat. Neben der guten Nachricht, dass der Sohn Mélacs zu dessen Nachfolger designiert worden ist, bringt er die schlechte mit, dass Mélac unverzüglich seine Kasse abliefern muss. Mélac erklärt sich dazu außerstande, schweigt aber über die Ursache. Auch Aurelly hält ihn darum für schuldig, öffentliche Gelder veruntreut zu haben. Zwar will er für den Freund bürgen, doch akzeptiert die Steuerpachtgesellschaft nur Bargeld.

Pauline, die von Mélac erzogen wurde und dessen Sohn liebt, bittet ihren Onkel, den Ruin der beiden abzuwenden. Aurelly antwortet, er habe zwar noch eine halbe Million in Papieren bei Préfort deponiert, doch seien 100 000 Écus (300 000 Livres) davon ein geheiligtes Pfand. Schließlich gesteht er Pauline, dass sie seine Tochter aus einer heimlichen Ehe mit einer Adligen ist und die 100 000 Écus ihre Mitgift darstellen. Pauline setzt durch, dass Aurelly sein und ihr Geld aufs Spiel setzt, um Mélac zu retten.

Saint-Alban akzeptiert die halbe Million, die ihm in Paris ausbezahlt werden soll, macht sein Stillschweigen über Mélacs Verfehlung aber davon abhängig, dass dieser zurücktritt. Um dem Sohn das Amt des Vaters zu sichern, verspricht Aurelly Saint-Alban einen Gegendienst. Dieser bittet ihn darauf um Paulines Hand. Während Pauline aber in ihrer Liebe zu Mélacs Sohn fest bleibt, will Letzterer zugunsten seines Vaters sowohl auf dessen Amt als auch auf die Geliebte verzichten. Endlich erfährt auch Aurelly, dass Préfort tot und sein Geld blockiert ist – durch Saint-Alban, dem er eine Zahlungsanweisung an den Bankier übergeben will. Aurelly lässt Dabins rufen, der den Knoten löst, indem er erzählt, was Mélac für den Freund getan hat. Beschämt von so viel Großherzigkeit, ruft Saint-Alban aus: „Ach Götter! Welche Tugend!“[16] Er bürgt für Mélac, so dass Pauline und Mélacs Sohn noch gleichentags heiraten können.

Schauplatz Lyon

Die drittgrößte Stadt Frankreichs nach Paris und Marseille beherrschte im Zeitalter der Aufklärung den europäischen Seidenmarkt. Auch wurden dort wichtige Schritte auf dem Weg zur Mechanisierung der Textilindustrie getan.[17] Hatte sich die Produktion von 1720 bis 1760 verdoppelt, verursachte der Siebenjährige Krieg (1756–1763) Absatzprobleme.[18]

Aufführungen

An der Uraufführung verkörperte Préville (Pierre-Louis Dubus) Aurelly, Brizard (Jean-Baptiste Britard) Mélac, Mademoiselle Doligny (Louise-Adélaïde Berton-Maisonneuve) Pauline und François-René Molé Mélacs Sohn. Das Stück brachte es nur auf elf Vorführungen, denen 1783 zwei weitere folgten. Dies wohl, weil die Finanztransaktionen der Protagonisten schwer zu verstehen sind und ihr Edelmut alle Vorstellungen übersteigt. Immerhin spielte man das Werk auch in Lyon, Marseille und Rouen.[19] Friedrich Ludwig Schröder führte es unter dem Titel Der Kaufmann von Lion in Hamburg auf.[20]

Beurteilung

Wie zuvor schon Eugénie wurde auch Les deux amis von der Kritik (Pidansat de Mairobert, Grimm, Collé, Palissot) zerrissen.[21] Der Ökonom Galiani hingegen schrieb nach einer Vorstellung in Neapel von einem „bezaubenden, großartigen Stück für jeden, der den Handel, seine Sprache und die Sitten der Franzosen kennt“. Ihm habe es unendliche Freude bereitet, aber die Mehrheit des Publikums habe nicht begriffen, was ein „Generalpächter auf Inspektionsreise“ sei. Trotzdem habe das Werk viel Erfolg gehabt, besonders André, der einzige gutherzige Diener, den er je auf der Bühne gesehen habe.[22] Beaumarchais selber nannte Les deux amis das am besten aufgebaute seiner Stücke, den Barbier de Séville (Barbier von Sevilla) eingeschlossen.[23]

Literatur

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Im Salon von Aurellys Haus, das dieser mit Mélac teilt.
  2. Lebhaft, ehrlich, freimütig und naiv. Der Mercure de France, Februar 1770, S. 153 ff. (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3DgCo0AAAAMAAJ%26pg%3DRA1-PA153%26lpg%3DRA1-PA153%26dq%3DOrelli%2Bn%C3%A9gociant%2BLyon%26source%3Dbl%26ots%3DemIoyv35gt%26sig%3D57FehiJfKOFh52-h3sDqDqeB2AU%26hl%3Dde%26sa%3DX%26ved%3D0ahUKEwjPvvO7ivTbAhXC26QKHZR0Bi0Q6AEIKzAA%23v%3Donepage%26q%26f%3Dfalse~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D), schrieb den Namen „Orelli“. Die aus Locarno emigrierte protestantische Familie Orelli trieb in Zürich Seidenhandel und stand um 1700 an der Spitze der dortigen Kaufmannschaft. Auch die Uhrmacherfamilie Caron – so der Taufname von Beaumarchais – war ursprünglich protestantisch.
  3. Weise, mitfühlend.
  4. Von Mélac erzogen, für ihr Alter reifes junges Mädchen.
  5. Hitziger und übermäßig empfindlicher junger Mann.
  6. Achtbarer Mann von Welt.
  7. Von Mélac erzogen, dem er sehr verbunden ist, Mann von Urteil.
  8. Sehr einfacher Bursche.
  9. Les deux amis ou Le négociant de Lyon, Drame en cinq actes en prose, par M. de Beaumarchais (…), Veuve Duchesne, Paris 1770, 1. Akt, Szene 11, S. 13 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Farchive.org%2Fstream%2Flesdeuxamis00beaugoog%23page%2Fn25%2Fmode%2F1up~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D) et passim. Beaumarchais hatte den Adel mit dem Amt eines conseiller secrétaire du Roi erworben.
  10. Les deux amis ou Le négociant de Lyon, Drame en cinq actes en prose, par M. de Beaumarchais (…), Veuve Duchesne, Paris 1770, 2. Akt, Szene 5, S. 23 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Farchive.org%2Fstream%2Flesdeuxamis00beaugoog%23page%2Fn35%2Fmode%2F1up~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  11. In den Entretiens (Unterhaltungen) über sein Stück Le fils naturel (Der natürliche Sohn) hatte Diderot 1757 bedauernd festgestellt, dass der Financier noch nicht auf die Bühne gebracht worden sei. Vgl. Le fils naturel (…), Marc Michel Rey, Amsterdam 1757, S. 151 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Fgallica.bnf.fr%2Fark%3A%2F12148%2Fbpt6k10402051%2Ff159.item~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  12. Anton Bettelheim: Beaumarchais, Eine Biographie, 2., neubearbeitete Auflage, C. H. Beck, München 1911, S. 104.
  13. Les deux amis ou Le négociant de Lyon, Drame en cinq actes en prose, par M. de Beaumarchais (…), Veuve Duchesne, Paris 1770, 2. Akt, Szene 10, S. 28 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Farchive.org%2Fstream%2Flesdeuxamis00beaugoog%23page%2Fn40%2Fmode%2F1up~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  14. Die Bezeichnungen Livre und Franc wurden synonym verwendet.
  15. Beaumarchais taufte diese Figur nach der Kreolin Pauline Le Breton, die ihm einen Korb gegeben hatte. Vgl. Maurice Lever: Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, 1. Band, Fayard, Paris 1999, S. 298.
  16. Les deux amis ou Le négociant de Lyon, Drame en cinq actes en prose, par M. de Beaumarchais (…), Veuve Duchesne, Paris 1770, 5. Akt, Szene 5, S. 72 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Farchive.org%2Fstream%2Flesdeuxamis00beaugoog%23page%2Fn84%2Fmode%2F1up~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  17. 1725/28 erfanden Basile Bouchon und Jean-Baptiste Falcon die Lochstreifen- bzw. Lochkartensteuerung, 1745 Jacques Vaucanson den mechanischen Webstuhl (mit Walzensteuerung).
  18. Vgl. den Artikel Histoire de la soierie à Lyon in der französischsprachigen Wikipedia und Les deux amis ou Le négociant de Lyon, Drame en cinq actes en prose, par M. de Beaumarchais (…), Veuve Duchesne, Paris 1770, 1. Akt, Szene 11, S. 13 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Farchive.org%2Fstream%2Flesdeuxamis00beaugoog%23page%2Fn25%2Fmode%2F1up~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D), et passim, wo von einer Krise die Rede ist.
  19. Pierre Larthomas, unter Mitwirkung v. Jacqueline Larthomas (Hrsg.): Beaumarchais, Œuvres, Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade), Paris 1988, S. 1270 f.
  20. Vgl. Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer: Friedrich Ludwig Schröder (…), 2. Theil, 2. Abth., Hoffmann und Campe, Hamburg 1819, S. 57, 128, 151 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3D6cVcAAAAcAAJ%26pg%3DPA57%26lpg%3DPA57%26dq%3D%2522der%2Bkaufmann%2Bvon%2Blion%2522%26source%3Dbl%26ots%3DykqzC_mpWf%26sig%3D2jynSewJEscL-XmIy1hnfyflp3Q%26hl%3Dde%26sa%3DX%26ved%3D0ahUKEwi5gb3w-fXbAhVGyqYKHbDTA7MQ6AEILDAC%23v%3Donepage%26q%26f%3Dfalse~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  21. Vgl. Maurice Lever: Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, 1. Band, Fayard, Paris 1999, S. 299–303.
  22. An Madame d’Épinay, Neapel, 27. Februar 1773, in: Correspondance inédite de l’abbé Galiani (…), 2. Band, J. G. Dentu, Paris 1818, S. 18 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3Dv4UMAAAAYAAJ%26pg%3DPA18%26dq%3D%2522galiani%2522%2B%2522deux%2Bamis%2522%26hl%3Dde%26sa%3DX%26ved%3D0ahUKEwi_3KOjqPjbAhXN-6QKHcxWD1cQ6AEIMjAB%23v%3Donepage%26q%26f%3Dfalse~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  23. Pierre Larthomas, unter Mitwirkung v. Jacqueline Larthomas (Hrsg.): Beaumarchais, Œuvres, Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade), Paris 1988, S. 1274 (Brief an die Comédiens-Français vom 22. November 1779).
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