Leitlinienwatch

Leitlinienwatch bewertet medizinische Behandlungsleitlinien auf ihre Unabhängigkeit von der pharmazeutischen und Medizinprodukteindustrie. Das Bewertungssystem belohnt Maßnahmen, mit denen der Einfluss von Interessenkonflikten reduziert wird. Leitlinienwatch wird von Mezis, NeurologyFirst und Transparency Deutschland getragen.

Leitlinienwatch
Das Transparenzportal für medizinische Behandlungsleitlinien
Bewertung medizinischer Behandlungsleitlinien auf ihre Unabhängigkeit
Sprachen Deutsch, tw. englisch
Gründer Mezis, NeurologyFirst und Transparency Deutschland
Artikel 313 Leitlinien, davon 156 online
Online seit 2015
(aktualisiert 6. Nov. 2023)
https://www.leitlinienwatch.de

Entstehung und Ziel

Leitlinienwatch ist ein 2015 gegründetes Transparenzportal, welches medizinische Leitlinien anhand verschiedener wissenschaftlicher Kriterien auf ihre Unabhängigkeit von der pharmazeutischen und der Medizinprodukteindustrie untersucht und anhand eines festgelegten Bewertungssystems bewertet. Leitlinienwatch hat bis Ende 2023 313 Leitlinien (davon 156 online) und damit die überwiegende Zahl aller relevanten Leitlinien in Deutschland untersucht und bewertet. Finanziert wird Leitlinienwatch von Mezis e.V. und von Neuro+ e.V., Berlin.[1][2][3]

Vorgehensweise und Ergebnisse

Leitlinienwatch untersucht erstrangig alle aktuellen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), teilweise werden auch europäische Leitlinien, wie zum Beispiel die der europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC), aufgrund der Relevanz für deutsche Patienten untersucht und bewertet. Basierend auf den deutschen Empfehlungen der AWMF[4] und internationalen wissenschaftlichen Kriterien des Council of Medical Specialty Societies (CMSS)[2] und des Institute of Medicine[3] werden folgende Punkte bei einer Leitlinie analysiert:

  • Offenlegung und unabhängige Bewertung von Interessenkonflikten,
  • Minimierung des Anteils befangener Mitglieder einer Leitliniengruppe,
  • federführende Autoren ohne Interessenkonflikte,
  • Enthaltung bei Abstimmungen, wenn Interessenkonflikte bestehen,
  • Internet-basierte Diskussion des Leitlinienentwurfs durch die Fachöffentlichkeit und Patienten.

Die Analyse einer Leitlinie erfolgt durch immer mindestens drei Bewerter aus einem 14-köpfigen Team aus Ärzten und Medizinstudenten (Stand: 10. Februar 2019), nach definierten Ablauf- und standardisierten Transparenz- und Interessenkonfliktregelungen für die Bewerter.[5] Am Schluss der Analyse erfolgen das Fazit und eine Punktevergabe nach Ampelschema. Dabei ergeben sich 2019 orientierend folgende Ergebnisse von 175 bewerteten Leitlinien in Bezug auf ihre Unabhängigkeit von der Pharmaindustrie:

  • Gut! (15 %)
  • Achtung! (41 %)
  • Reformbedarf! (45 %)

Die Ergebnisse wurden zuletzt in einer Studie im BMC Medical Ethics 2018 publiziert[6]: „Die Analyse von 67 deutschen S3-Leitlinie ergab, dass finanzielle Interessenkonflikte von deutschen Leitlinienautoren zwar meist offengelegt werden, aber in aller Regel ohne Konsequenzen bleiben. So wurden Leitlinienautoren mit Interessenkonflikten bislang kaum zur Enthaltungen bei Abstimmungen veranlasst. Eine Autorenmehrheit mit Interessenkonflikten fand sich bei 55 % der bewerteten Leitlinien. Nur bei 9 % der Leitlinien waren die Koordinatoren frei von Interessenkonflikten.“[6]

Öffentliche Wahrnehmung, Wahrnehmung im Gesundheitssektor

Die Arbeit von Leitlinienwatch floss zuletzt in mehrere Beiträge des Medizinprodukte-Skandals Implant files zum Beispiel bei der interessenkonfliktträchtigen Leitlinie zu Herzklappen[7] mit ein[8]. In der Ärzteschaft gibt es insbesondere von den Fachgesellschaften und der AWMF ganz überwiegend positive Rückmeldungen zu Leitlinienwatch[9] auch weil die Bewertungen den Beteiligten rückgemeldet werden und sich dadurch ein konstruktive Diskussion für zukünftige Leitlinien ergibt.

Einzelnachweise

  1. AWMF-Regel für das Leitlinienregister: Erklärung von Interessen und Umgang mit Interessenkonflikten bei Leitlinienvorhaben Version 2.4, Stand: 17. Januar 2018. Abgerufen am 11. Januar 2019. (Memento des Originals vom 12. Februar 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.awmf.org
  2. CMSS Council of Medical Speciality Societies. Abgerufen am 11. Januar 2019. (Memento des Originals vom 5. September 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cmss.org
  3. The National Academies of Sciences Engineering Medicine. Health and Medicine Division. 23. März 2011: Clinical Practice Guidelines We Can Trust. Abgerufen am 11. Januar 2019.
  4. AWMF-Regel für das Leitlinienregister: Erklärung von Interessen und Umgang mit Interessenkonflikten bei Leitlinienvorhaben Version 2.4, Stand: 17. Januar 2018 (pdf), abgerufen am 11. Januar 2019. (Memento des Originals vom 12. Februar 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.awmf.org
  5. Formular für Interessenkonflikte – Leitlinienwatch.de (pdf) Abgerufen am 11. Januar 2019
  6. Hendrik Napierala, Luise Schäfer, Gisela Schott, Niklas Schurig und Thomas Lempert: Management of financial conflicts of interests in clinical practice guidelines in Germany: results from the public database GuidelineWatch. Hrsg.: BMC Medical Ethics. Band 19. Springer Nature, 28. Juni 2018, S. 65.
  7. Leitlinie zu Herzklappen
  8. Markus Grill und Elena Kuch: Operation am offenen Geldbeutel. In: www.ndr.de. NDR, 27. November 2018, abgerufen am 10. Februar 2019.
  9. aerzteblatt.de
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