Biblioteca Medicea Laurenziana

Die Biblioteca Medicea Laurenziana (kurz Laurenziana) ist eine staatliche italienische, wegen ihrer Manuskripte berühmte Bibliothek in Florenz. Sie geht auf die Frühzeit der Herrschaft der Medici zurück und befindet sich seit 1560 im Kloster von San Lorenzo, der früheren Hauskirche der Medici. Den Namen trägt die Laurenziana nach Lorenzo il Magnifico (1449–1492), der die von seinem Großvater Cosimo de’ Medici gegründete Bibliothek in ihrem Bestand erheblich erweiterte.

Lesesaal der Biblioteca Medicea Laurenziana; Entwurf: Michelangelo Buonarotti. Der Gang zwischen den Lesebänken, ausgestattet mit kostbaren Steinmosaiken, ist heute an den Seiten durch Laufteppiche geschützt.

Die Bibliothek ist öffentlich zugänglich und untersteht als Biblioteca pubblica statale der Aufsicht des Kulturministeriums.

Geschichte der Sammlung

Codex Amiatinus (8. Jh.), Fol. 5r: Ezra. Biblioteca Medicea Laurenziana

Cosimo d. Ä. (il Vecchio) de’ Medici (1389–1464) gründete 1441 die „Marciana“ mit den Handschriften der Bibliothek seines Beraters in Bücherangelegenheiten, des Humanisten Niccolò Niccoli (1364–1437). Niccoli wollte ursprünglich seine Sammlung von 800 Handschriften der gelehrten Öffentlichkeit im Camaldulenserkloster Santa Maria degli Angioli in Florenz zugänglich machen. 1437, kurz vor seinem Tod, änderte er jedoch wegen großer Schulden seine Absicht. Cosimo übernahm Niccolos finanzielle Verpflichtungen und erwarb 200 Handschriften für seine Privatsammlung, die „Medicea privata“, oder „Bibliotheca privata Cosimi“. Weitere 400 verlegte er 1441 in den von Michelozzo erbauten Bibliothekssaal im Dominikanerkloster San Marco, damals in der nördlichen Vorstadt von Florenz.

Der Enkel Cosimos, Lorenzo il Magnifico (1449–1492), hochgebildet und selbst literarisch tätig, begründete um 1470 das Kloster San Lorenzo in Florenz, in dem die „Medicea privata“ untergebracht wurde. Unter Lorenzo wurden die Bestände an die Gelehrten freigebig verliehen. Besonderes Interesse zeigte Lorenzo für den Erwerb griechischer Handschriften durch seinen Agenten in der Ägäis und in Konstantinopel, Andreas Johannes Laskaris (1445–1535).

Die Biblioteca Medicea Laurenziana hat heute einen Bestand von rund 150.000 Büchern, darunter Inkunabeln aus dem 15. und Drucke aus dem 16. Jahrhundert, und hält rund 11.000 Handschriften, eine Reihe davon geführt als Codices Laurentiani, sowie etwa 2.500 Papyri. Das Stundenbuch Lorenzos I., datiert 1485, gehört zu den Zimelien der Bibliothek.

Baugeschichte

Vestibül der Biblioteca Medicea Laurenziana (Grundriss)

Papst Clemens VII., vor seiner Wahl zum Papst Giulio de’ Medici, beauftragte Michelangelo Buonarroti 1523 eine Bibliothek für die Sammlung der Medici über dem Kreuzgang von San Lorenzo zu errichten.[1] Der Bau wurde von Michelangelo begonnen, dann aber bis 1560 nach dessen Plänen von anderen Architekten, darunter Giorgio Vasari und Bartolomeo Ammanati fertiggestellt. Im Jahr 1571 wurde die Bibliothek eröffnet. Die architektonische Gestaltung des Lesesaals ist gekennzeichnet durch den Stil der italienischen Hochrenaissance. Das Vestibül und der Treppenaufgang zeigen indes Merkmale des Manierismus, des späten italienischen Renaissancestils, der sich durch überraschende Effekte auszeichnet. Auffällig ist außerdem das Ricetto-Motiv der eingeengten Säulenpaare im Vestibül, denn hierin verwendet Michelangelo eine seit dem Mittelalter nicht mehr gebräuchliche Bauform.[2] So zeigt die nach den Plänen Michelangelos errichtete Treppe zur Bibliothek eine komplizierte Anlage, die den Aufgang weiter und höher wirken lässt, als er in Wirklichkeit ist.[3]

Der Hauptsaal zeigt die für die Bibliotheken des 16. Jahrhunderts typische Ausstattung. Der Leser nahm auf einer dem Kirchengestühl gleichenden Lesebank Platz, auf deren Pult der Bibliothekar das von ihm gewünschte Werk bereitgelegt hatte. Die Lesebänke der Bibliotheca Medicea Laurenziana haben noch heute an den Seiten die originalen langen, schmalen Tafeln, auf denen – als Vorläufer des Bibliothekskatalogs – handschriftlich die Bestände verzeichnet waren, die in den Fächern unter den Lesepulten liegend verwahrt wurden.[4] Für den Leser befestigte man das einzelne Buch mit einer Kette am Pult, um dessen unkontrollierte Entnahme zu verhindern und damit den auf der jeweiligen Tafel angegebenen Standort des Bandes zu sichern.

Architektur

Treppenanlage zur Biblioteca Laurenziana

Es stellte sich das Problem, wie die Treppe, die vom Vestibül aus auf das Bodenniveau dieser Bibliothek hinaufführt, gestaltet werden sollte. Clemens VII., der damalige Papst aus dem Hause Medici, hatte selber den Vorschlag gemacht, den ganzen Raum für diese Treppe zu nutzen. Aber Michelangelo verließ 1534 Florenz in Richtung Rom, und deshalb blieb das Vorhaben erstmal liegen.

Giorgio Vasari und Bartolomeo Ammanati haben dann über 20 Jahre später 1559–1568 mit der Hilfe Michelangelos den ursprünglichen Plan in die Realität umgesetzt. Entstanden ist eine grandiose Konstruktion auf kleinem Raum.

Treppenanlagen sollten in den späteren Jahrhunderten eine zunehmende Bedeutung in den Profanbauten erhalten, beispielsweise in der ungefähr zeitgleichen französischen Schlossanlage in Chambord an der Loire, die Leonardo da Vinci entworfen hat, oder – wesentlich später – in der Würzburger Residenz Balthasar Neumanns des 18. Jhs., also im Barock. Hier haben wir einen der frühesten Fälle, dass so etwas „Unwichtiges“ wie eine Treppenanlage zum Gegenstand der Überlegung führender Künstler wurde. Man hat damals diese breit gefächerte, dreigeteilte Konstruktion mit einer Kaskade, also einem Wasserfall verglichen, womit auch deutlich wird, dass im 16. Jahrhundert eine solche Treppenanlage absolut ungewöhnlich war.

Literatur

  • James S. Ackermann: The Architecture of Michelangelo (= Studies in architecture. Bände 4–5). 2 Bände. A. Zwemmer, London 1961.
  • Edoardo Bonechi: Firenze. Guida completaper la visita della citta. Bonechi Il turismo, Florenz 1979.
  • Georg Brandes: Michelangelo Buonarroti. Reiss, Berlin 1924.
  • Marcel Brion: Die Medici. Eine Florentiner Familie. 9. Auflage. Taschenbuchausgabe, Heyne, München 1991, ISBN 3-453-55023-4.
  • Peter Burke: Die Renaissance in Italien. Sozialgeschichte einer Kultur zwischen Tradition und Erfindung. Deutscher Taschenbuchverlag, München 1988, ISBN 3-423-10972-6.
  • Fritz Erpel (Hrsg.): Ich, Michelangelo. Briefe, Dichtungen und Gespräche in einer Auswahl. 7. Auflage. Henschel, Berlin 1979.
  • Herman Grimm: Michelangelo. Sein Leben in Geschichte und Kultur seiner Zeit, die Blütezeit der Kunst in Florenz und Rom. Herausgegeben von Reinhard Jaspert. Safari-Verlag, Berlin 1941 (Gekürzte Ausgabe von: Leben Michelangelos).
  • Thomas Gronegger: Das Ricetto der Biblioteca Laurenziana. Eine Rekonstruktion des Projekts von Tribolo und ein neuer Vorschlag für die Interpretation des Briefes von Michelangelo an Vasari vom 28. September 1555 im Lichte der Auffindungen unter der Treppe. Böhlau, Wien u. a. 1997, ISBN 3-205-98685-7.
  • My Heilmann: Florenz und die Medici. Ein Begleiter durch das Florenz der Renaissance. DuMont, Köln 1981, ISBN 3-7701-0430-7.
  • Christoph Hennig: Florenz. 3. aktualisierte Auflage. DuMont, Köln 1996, ISBN 3-7701-3060-X.
  • Golo Maurer: Michelangelo – Die Architekturzeichnungen. Entwurfsprozeß und Planungspraxis. Schnell & Steiner, Regensburg 2004, ISBN 3-7954-1645-0, (Zugleich: Dissertation, Universität München 2003).
  • Alessandro Nova: Michelangelo. Der Architekt. Belser, Stuttgart u. a. 1984, ISBN 3-7630-1798-4.
  • Henry Thode: Michelangelo. Kritische Untersuchungen über seine Werke. Als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance. Grote, Berlin 1908–1913.
  • Volker Reinhardt: Die Medici. Florenz im Zeitalter der Renaissance. Beck, München 1998, ISBN 3-406-44028-2.
  • Volker Reinhardt: Florenz zur Zeit der Renaissance. Die Kunst der Macht und die Botschaft der Bilder (= Ploetz Bildgeschichte. Band 1). Ploetz, Freiburg u. a. 1990, ISBN 3-87640-360-X.

Siehe auch

Commons: Biblioteca Medicea Laurenziana – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Florentiner Museen: Bibliothek Laurenziana
  2. Helke Kammerer-Grothaus: Der Deus Rediculus im Triopion des Herodes Atticus. Untersuchung am Bau und zu polychromer Ziegelarchitektur des 2. Jahrhunderts n. Chr. in Latium. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Römische Abteilung. Band 81, 1974, S. 182.
  3. Christoph Hennig: Florenz. Köln 1996, S. 142. (Ansicht der Treppe)
  4. Bibliotheca Laurenziana: Visita al complesso: Sala di lettura

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